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Von Europa träumen

In Europa ist in den letzten Jahren so viel schiefgegangen, dass der Name des Kontinents vom großen und geliebten Ideal zu einem Unwort geworden ist. Jedoch, gerade wenn man all das Negative in Europa offen kritisiert und ändern will, sollte man sich zugleich auch die Großartigkeit Europas bewusst machen – und darauf eine neue Zukunft unseres Kontinents aufbauen. Dieser Kontinent hat freilich nur dann Zukunft, wenn die vielen Errungenschaften, die alle Europäer verbinden, durch ein ebenso starkes und emotionales Bekenntnis zur Bedeutung und Individualität der europäischen Nationen in der Waage gehalten werden.

Da sie in unser aller Bewusstsein in den letzten Jahren ohnedies so sehr im Vordergrund gestanden sind, seien die negativen Entwicklungen Europas hier nur kurz aufgezählt: Sie sind zwar alle ernst zu nehmen – sie sollten aber eben nicht dazu führen, Europa mit dem Bad auszugießen:

  • Erstmals seit Jahrzehnten gibt es wieder gewaltsame Gebietseroberungen durch eine Großmacht;
  • Großbritannien scheidet aus der EU aus, was den schwersten Rückschlag der Integration darstellt;
  • Millionen Drittweltbürger kommen in einer neuen Völkerwanderung völlig ungerufen nach Europa;
  • Große Teile der EU-Führung und des größten europäischen Landes reagieren völlig hilflos auf diese Völkerwanderung;
  • Der Anteil der Moslems nimmt mit allen negativen Folgeerscheinungen einer Islamisierung und Zerstörung der europäischen Identität dramatisch zu;
  • Die Meinungsfreiheit wird durch Political Correctness, Genderismus und Schwulismus immer mehr bis hin zur Gefahr einer totalitären Meinungsdiktatur unterdrückt;
  • Europas Unis sind irrelevant geworden;
  • Die EU-Instanzen entfremden zunehmend die Bürger durch einen unerträglichen Wust von Überregulierungen;
  • Die diversen Euro-Rettungsaktionen (Griechenland) haben das Prinzip Eigenverantwortung immer mehr durch Verantwortungslosigkeit ersetzt;
  • Eine abenteuerliche Nullzinspolitik hat die Sparer massiv zugunsten der disziplinlos wirtschaftenden Staaten enteignet.

Damit sind nur die übelsten Entwicklungen der allerletzten Jahre genannt. Erweitert man den zeitlichen Beobachtungsraum, muss man auch hinzufügen, dass die weitaus schlimmsten und mörderischsten Totalitarismen und Kriege der letzten 150 Jahre alle ihre Wurzeln in Europa hatten: Kommunismus, Nationalsozialismus und Weltkriege.

Und dennoch: Europa ist zusammen mit dem nach wie vor eng mit ihm verbundenen Nordamerika auch für die großartigsten Entwicklungen der Menschheitsgeschichte verantwortlich. Die fast ausschließlich von dort ausgehenden zentralen Grundlagen Wissenschaft, Medizin, Technik und globale Marktwirtschaft haben:

  • das reale und gesunde Lebensalter der Menschen verdoppelt;
  • Hunger und Massenelend global fast ausgerottet;
  • Wohlstand auf einem einst unvorstellbarem Niveau geschaffen;
  • in den letzten 70 Jahren zu einem dramatischen und historisch noch nie dagewesenen Rückgang der Toten durch Kriege und Katastrophen geführt;
  • die Bevölkerungen von einer ganz überwiegend agrarischen Subsistenzwirtschaft über die Wohlstandsvermehrung durch die Industrialisierung zu einer überwiegend städtischen Dienstleistungsgesellschaft geführt
  • und sind gerade buchstäblich dabei, dass Lahme wieder gehen können.

Warum wurzeln all diese sensationellen Entwicklungen des letzten halben Jahrtausends gerade in dem durch Bodenschätze und Klima nicht gerade begünstigten Europa? Sie tun dies in hohem Ausmaß gerade deshalb, weil sich die Menschen hier nie auf die Natur verlassen konnten, sondern nur auf die eigenen Anstrengungen.

Genauso wichtig waren aber auch die geistigen Grundlagen, auf denen Europa aufbaute:

  1. Auf der griechisch-römischen Antike mit ihren ungeheuerlichen Fortschritten in Sachen Staatenbildung, Rechtssystem, Philosophie, Literatur, Sprache. Diese Antike ist dann – was eine eminent wichtige Warnung darstellen sollte! – in der ersten Völkerwanderung mit der Folge einer fast tausendjährigen Verdunkelung Europas untergegangen;
  2. Auf der christlich-jüdischen Religion mit der Überwindung der Vielgötterei, mit der Betonung von nationalem Zusammenhalt (Altes Testament) und der Nächsten- (nicht Fernsten-!)Liebe sowie der unveräußerlichen Menschenwürde jedes Einzelnen (Neues Testament);
  3. Und auf der aus diesen beiden Wurzeln heraus zum Teil dialektisch entstandenen Aufklärung mit der Betonung von Vernunft und Freiheit.

Die Sorge wächst, dass die größte Erfolgsgeschichte der Menschheit nun zu Ende geht, wie die oben aufgelisteten negativen Entwicklungen indizieren. Europa droht nun in eine lange Phase der Stagnation und des Abstiegs überzugehen.

Die Zukunft ist offen

Niemand kann das ausschließen. Aber die Zukunft ist nicht vorausbestimmt und unabwendbar. Sie ist offen, sie ist gestaltbar und ihre Gestaltung hängt einzig und allein von uns Europäern ab. Es gibt keine automatische Fortschreibung des Negativen, aber eben auch nicht des Positiven.

Daher sollten wir uns vor allem mit der spannenden Herausforderung befassen, was an Positivem aus dieser Vergangenheit mitgenommen, was ausgebaut und weiterentwickelt werden soll.

Dabei müssen Freiheit, Menschenwürde, Vernunft, Recht zweifellos die zentralen und unverzichtbaren Grundlagen bilden. Alle vier Begriffe sind schon in den genannten Wurzeln zu finden gewesen und haben sich seither als beste Grundlage menschlichen Zusammenlebens erwiesen. Dabei ist jeder einzelne dieser unverzichtbaren Begriffe intensiv in all seinen Facetten, Details und Bedeutungen zu entwickeln:

  • So etwa die besondere Rolle einer echten Meinungsfreiheit als Grundlage jeder anderen Freiheit, gerade weil sie jetzt immer mehr geknebelt wird.
  • So etwa die Bedeutung eines funktionierenden Rechtssystems, das durchaus konsequent gegen jede Form der Gewalt und Gewaltandrohung vorzugehen imstande ist, gerade weil manche Recht und Ordnung nicht mehr als zentrales Fundament ansehen wollen.

Aber in der Folge sollen jene Dinge im Vordergrund stehen, die über diese Grundlagen hinausgehen, die jedoch für eine gute Zukunft Europas genauso unverzichtbar sind.

Pluralismus und Vielfalt nationaler Identitäten: Der Kontinent braucht für ein gutes Überleben die richtige Mitte zwischen überregulierendem Zentralismus auf der einen Seite und Zerfall in einander bekämpfende Einheiten auf der anderen. Nation, Identität und Heimat sind absolut unverzichtbare geistige Kräfte, die man den Menschen Europas keinesfalls rauben sollte, will man nicht, dass sich die Europäer in einer überschießenden, aber verständlichen Reaktion von jeder europäischen Gemeinsamkeit abwenden. Für diese Zukunft ist es das weitaus Beste, wenn diese Nationen miteinander in einem geordneten, friedlichen und freundschaftlichen Wettbewerb stehen. Nationen haben sich immer wieder als entscheidende Kraftquellen menschlicher Leistungen und von Idealismus erwiesen. So haben weder Nationalsozialismus noch Kommunismus mit ihren imperialistischen Reichs-Konstruktionen trotz totalitärem Terror die Kraft der nationalen Identitäten der unterjochten Völker überwinden können.

Recht auf Heimat: Das bedeutet, dass jede Nation selbst zu hundert Prozent bestimmen kann, wer dort lebt, und wie man dort lebt.

Gemeinsamkeit, überall dort, wo sie notwendig und sinnvoll istaber nur dort: Das bedeutet das Ziel eines gemeinsamen Europas für den völlig freien Austausch von Waren und Dienstleistungen, von Wissenschaft und Kapital. Für einen Binnenmarkt, der auf das Notwendige reduziert ist und von den Bürgern akzeptiert wird, kommen prinzipiell auch nichteuropäische Staaten in Frage. Er ist samt einer zugehörigen effektiven Schiedsgerichtsbarkeit zweifellos die beste Basis für die Entwicklung von Wohlstand und Frieden. Selbst in der EU besteht für einen solchen Binnenmarkt noch gewaltiger Handlungs- und Ausbaubedarf, wenn man etwa an den trotz tausender EU-Regeln nach wie vor völlig fragmentierten Bahn- und Straßenverkehr denkt, obwohl Verkehr doch überhaupt die wichtigste grenzüberschreitende Aktivität ist.

Freie Marktwirtschaft quer durch Europa: Sie hat quer durch Geschichte und Kontinente so eindeutig ihre Überlegenheit und Nutzen für den allgemeinen Wohlstand bewiesen, dass keine Zukunft ohne sie funktionieren kann.

Selbstbestimmungsrecht: Ein ideales Europa kennt das volle Recht jeder Region auf Selbstbestimmung, auf geordnete und frei wählbare Sezession aus dem bisherigen Staatsverband. Natürlich soll das Sezessionsrecht nicht mit Gewalt durchgesetzt werden, sondern nur durch Überzeugungsarbeit, wie etwa bei der Slowakei. Aber das Recht auf Selbstbestimmung und Anerkennung jeder Sezession muss prinzipiell zu einem zentralen Rechtsgut Europas werden. Gerade die Einbettung in die skizzierten Strukturen eines Binnenmarktes sollte im Übrigen die derzeit mit diesen Fragen verbundenen Ängste und Aversionen mildern. Und die atavistischen Reflexe wie "nationale Ehre und Größe", die der Selbstbestimmung sonst entgegen stehen, sind Unsinn. Es hat ja beispielsweise auch kein Österreicher weniger Ehre und Wert, weil er heute in einem Kleinstaat lebt und nicht mehr, wie seine Vorfahren, in einem Reich. So sind auch die Menschen beispielsweise in Luxemburg oder Liechtenstein keineswegs unglücklicher, weil ihre staatliche Gemeinschaft nur wenige Menschen umfasst. Ganz im Gegenteil.

Direkte Demokratie: Anstelle des einstigen aristokratischen Feudalismus und jenes der heutigen Funktionärs-Eliten braucht ein gut funktionierendes Europa eine echte direkte Demokratie, wie sie schon heute etwa die Schweiz mit brillanten Ergebnissen praktiziert.

Sicherheit: Ein Europa mit Zukunft braucht gemeinsame militärische Sicherheitsstrukturen. Diese sind vor allem gegen Bedrohungen von außen wichtig (wie etwa auch zur Durchsetzung von Abschiebungen illegaler Migranten dorthin, woher sie gekommen sind), aber auch gegen Unruhestifter im Inneren.

Steuern: Deren Höhe sollte keinesfalls vereinheitlicht werden, aber sehr wohl sollte die Systematik ihrer Berechnungsgrundlagen europaweit gleich werden. Nur so entsteht echter Wettbewerbsdruck auf die Staaten, sparsam zu sein.

Eigenverantwortung: Europa kann nur überleben, wenn seine Bürger und Staaten wieder das Prinzip Eigenverantwortung lernen und leben. Wenn Europa hingegen weiterhin vor allem im Transfer von Verantwortung und von Konsequenzen eigener Verantwortungslosigkeit besteht, wird es nicht überleben.

Sprache: Bei aller kulturellen Vielfalt und Bedeutung von Heimat und nationaler Identität braucht ein gemeinsam florierendes Europa "der Vaterländer" auch eine allen gemeinsame Zweitsprache. Das war früher Latein und kann heute realistischerweise nur das Englische sein.

Familie: Wenn Europa sein demographisches Problem nicht löst, also wenn es bei der viel zu geringen Kinderzahl in praktisch allen Ländern bleibt, wird der Kontinent keinesfalls eine Zukunft haben, selbst wenn sich alle anderen Aspekte positiv entwickeln würden. Das ist das größte, aber auch das einzige soziale und gesellschaftspolitische Problem mit gesamteuropäischer Bedeutung.

Wenn Europas Zukunft auf all diesen Pfeilern aufbaut, wird sie eine gute sein. Deshalb sollten wir für diesen Traum kämpfen. Zugleich muss Europa auf die Diktatur nebuloser europäischer "Werte" verzichten, die zum totalitären Instrument in der Hand der Mächtigen zu werden drohen.

PS: Manche werden nun einwerfen, dass hier wichtige Bereiche vergessen worden sind, wie vor allem der ganze Sozialbereich (Pensionen, Gesundheit, Wohlfahrtsleistungen) und die Kultur. Aber in Wahrheit gibt es absolut keinen Grund, hier etwas zu vereinheitlichen. Im Gegenteil, hier ist Vielfalt und Wettbewerb belebend und geradezu zwingend.

PPS: Ausgeklammert wurde der Themenkomplex Umwelt. Hier gibt es zum einen vieles, wo eine zentralistische Regulierung völlig überflüssig ist (Naturschutzgebiete usw.). Bei den in den letzten Jahren zum obersten EU-Dogma erhobenen übernationalen Themen (also vor allem bei der politisch verordneten Theorie eines menschengemachten Global-Warmings) ist zuvor ein seriöser Dialog auf gleicher Augenhöhe zwischen allen relevanten Wissenschaftlern nötig – ohne dass schon VORHER die Politik, die grünen NGOs und die UNO das Ergebnis vorgeben würden.

PPPS: Diese Europa-Skizzen sind ein eindeutiges Gegenkonzept zu den Ideen des französischen Präsidenten Macron, der noch mehr zentralisieren will, der sowohl einen gemeinsamen Euro-Haushalt wie einen europäischen Finanzminister verlangt. Macrons Ideen haben eindeutig nur einen Zweck: den verschuldeten Ländern Europas wie Frankreich und Italien ein weiteres Schuldenmachen auf Kosten der anderen zu ermöglichen.

Dieser Text ist in ähnlicher Form im soeben erschienen Magazin "Frank und Frei" erschienen, das im Zeitschriftenhandel erhältlich ist.

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