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Klarnamenpflicht: Koalitions-Unsinn zur Potenz

Es ist eine der bisher übelsten Fehlleistungen der Regierung: Sie will im Internet eine Klarnamenpflicht durchsetzen. Jeder Internet-Betreiber soll die Identität seiner Kunden kennen. Natürlich wäre es lobenswert, wenn jeder mit seinem eigenen echten Namen zu den eigenen Aussagen stehen würde. Ganz eindeutig. Aber: Der Vorstoß der Regierung zeigt eine schlimme Ahnungslosigkeit von der Welt des Internets; er läuft auf eine empfindliche weitere Einschränkung der individuellen Freiheit hinaus; er ignoriert die Angst der Österreicher, sich als unkorrekter Meinung zu outen; er blamiert den Gesetzgeber als total widersprüchlich; und er ist für Schwarz und Blau gerade auch inhaltlich selbstbeschädigend. Dieses Projekt wird bei den Bürgern am Ende nur als ganz schlimme bürokratische Schikane ankommen, an der diesmal nicht die EU oder der linke Mainstream schuld sind, sondern einzig und allein Schwarz und Blau.

Gewiss, auch ich werde oft wild beschimpft, und zwar fast immer aus der Anonymität heraus. Meistens von links, aber auch oft von seltsamen Parteigängern Moskaus, die heute gemeinhin rechts eingeordnet werden; oder von rechten Feinden der Marktwirtschaft; oder von deutschnationalen Gegnern meiner österreichisch-nationalen Haltung.

Zu all dem kann man nur sagen: Na und? Hat es in den letzten Jahrzehnten auch nur einen Journalisten oder Politiker gegeben, dem das nicht zahllose Male widerfahren ist, dass er wild beschimpft worden ist?

Solche anonymen Beschimpfungen richten sich im Grund immer selber: Wer schimpft, setzt sich automatisch selbst ins Unrecht. Überdies kann man im eigenen Bereich alle Beschimpfungen binnen Sekunden weglöschen, wenn man sie nicht ertragen will. Weiters kann man in Fremdbereichen schon längst mit meist gutem Erfolg die Löschung durchsetzen, wenn es einem der Aufwand wert ist. Und schließlich könnte man auch wegen Ehrenbeleidigung klagen. Schon jetzt kann – was die Koalition offenbar nicht weiß – die Polizei in den allermeisten Fällen die absendende IP-Adresse identifizieren (auch wenn die Mail-Adressen oft geändert werden).

Daher ist schon aus all diesen Gründen die Notwendigkeit einer zusätzlichen gesetzlichen Klarnamenpflicht hinter einem Pseudonym nicht sonderlich einsichtig.

Skurriler Gegensatz zur Datenschutzverordnung

Absurd wird das Ganze aber, wenn man sich bewusst macht, dass der Gesetzgeber erst im Frühjahr das absolute Gegenteil der Klarnamenpflicht verlangt hat: nämlich durch die sogenannte Datenschutzgrundverordnung. Gesetzgeber bleibt für die Bürger Gesetzgeber, auch wenn es im damaligen Fall nicht der österreichische, sondern primär der europäische gewesen ist (aber ohne dass irgendein Widerstand der famosen österreichischen EU-Abgeordneten aktenkundig geworden wäre).

Allein dieses Tagebuch hat damals Tausende Euros an Programmierkosten aufwenden müssen, um die bürokratisch-schikanösen Vorschriften dieser Datenschutzverordnung umzusetzen. Die trotz der europaweit Milliarden teuren Aufwendungen die wirklichen Bedrohungen aus dem Internet nicht spürbar reduzieren hat können (Hacker, Viren, Spams & Co.). Besonders viel Aufwand musste ich deshalb investieren, damit man seither ein Abonnement des Tagebuchs auch anonym, also ohne Namensangabe, abschließen darf.

Und jetzt plant der Gesetzgeber haargenau das Gegenteil der Datenschutz-Hysterie! Jetzt soll die volle Speicherung jedes Namens sogar zur Pflicht werden!

Ist das nicht absurd? Haben die noch alles Tassen im Schrank? Welches Gesetz soll denn nun gelten? Das Datenschutzgesetz aus dem Frühjahr oder die jetzt kommende Klarnamenpflicht?

Wenn diese Koalition nicht begreift, wie lächerlich sie sich mit solchen Zickzack-Manövern macht, dann ist sie schon wegen extremer Blödheit nicht wert, wiedergewählt zu werden.

Das einzige Ergebnis wird sein: Auch die nun geplanten Regeln werden wieder alle Anbieter von Internet-Seiten viel Geld und Zeit kosten. Und sie werden letztlich wieder nur langwierige Formalschikanen bringen. So etwa wie man halt auf allen Internet-Seiten jetzt die lästige Zeile anklicken muss, dass man eh dem Setzen von Cookies zustimmt.

Nutzen: null. Ärger: hundert.

Man darf lachen: Österreich gegen den Rest der Welt

Das Vorhaben der Regierung ist aber noch aus weiteren Gründen absurd und hanebüchen. So glaubt sie offenbar allen Ernstes, dass Österreich die globalen Internet-Regeln im Alleingang ändern kann. Selbst die Bürger Chinas finden – wenn sie Technologie-affin sind, was sie aber gerade durch solche Schikanen rasch werden – viele Wege, um an der Zensur des Staates vorbei, ihren Weg ins Internet zu finden. Und jetzt glaubt das kleine Österreich, im Alleingang eine Klarnamenpflicht durchsetzen zu können …

Es ist zu lächerlich, um ernst genommen zu werden.

Da plappert etwa der zuständige Minister davon, dass man sich dann halt übers Handy identifizieren muss. Ei, wie lieb. Abgesehen von der Umständlichkeit eines solchen Vorgangs, fragt man sich:

  • Will der Minister jetzt auch noch alle anonymen Wertkarten-Handys verbieten?
  • Will er die Benutzung südkoreanischer oder türkischer oder US-amerikanischer Mobiltelephone in Österreich verbieten?
  • Oder glaubt er gar, weil die österreichische Regierung etwas beschließt, dass da dann auch die Behörden anderer Länder nachfolgen werden?
  • Warum bastelt die Regierung an etwas, was der Republik mit Sicherheit eine noch viel größere Berichterstattung in den internationalen Zeitungsspalten über Lächerlichkeiten aus aller Welt bringen wird als "Conchitas" Sangeskünste oder als Kneissls Tanzknickse?

Die Rückkehr in den Vormärz

Der Medienminister und die ganze Regierung verdienen sich mit diesen Plänen noch aus einem ganz anderen Zusammenhang den Unehrentitel "Metterniche des 21. Jahrhunderts". Denn auch in den grauen Vormärzzeiten vor 1848 glaubten ja die Minister Metternich und Gentz, alle verbotenen Äußerungen der Bürger kontrollieren und bestrafen zu müssen. Deshalb haben sie damals ein Heer von Staatsspionen damit beschäftigt, in allen Wirtshäusern die Ohren zu spitzen und sofort zu melden, wenn am Nebentisch etwas Verbotenes gesagt worden ist.

Ein großartiges Zurück in die Vergangenheit.

Wissen Schwarz und Blau nicht, dass bereits ein erschreckend hoher und ständig wachsender Teil der Österreicher jetzt schon bei Umfragen angibt, dass man hierzulande nicht mehr frei und offen seine Meinung sagen kann? Wissen sie nicht, dass Schwarz und Blau viele Stimmen gerade von jenen Menschen bekommen haben, die sich wieder nach dem frischen Wind von mehr Freiheit und Offenheit in einem immer drückender gewordenen Meinungsklima sehnten?

Bisher waren eindeutig die Linken die Hauptbetreiber dieser bedenklichen Maulkorb-Entwicklung. Vor allem die einst "Freiheit" gebrüllt habenden Grünen – und ihre große Sympathisantenschar in der politmedialen Elite – haben sich, alt geworden, in eine strenge Armee von Kontrollfreaks und Gouvernanten im Dienst einer Diktatur der Political Correctness entwickelt. Auch die Sozialdemokraten sind ihnen kaum nachgestanden.

Warum um Himmels Willen schwenken da jetzt auch Schwarz und Blau auf eine diesbezügliche Überholspur ein? Warum soll Österreich das in Deutschland von so vielen freiheitliebenden Menschen so scharf verurteilte Netz-"Durchsetzungs"(!!)-Gesetz des linkssozialistischen Ministers Maas jetzt ausdrücklich imitieren?

Gerade die scheinbare Anonymität des Internets schien ja bisher vielen Österreichern ein Ausweg zu sein, um Dampf abzulassen. Jetzt will man ihnen auch noch diesen psychologisch heilvollen Weg nehmen. Dieser war aber fürs nationale Klima sehr wichtig, auch wenn er technisch und juristisch ohnedies nie wirkliche Anonymität geboten hat.

Dann gebt doch wenigstens wieder mehr Meinungsfreiheit!

Und selbst wenn die Regierung all die skizzierten Nachteile einer Klarnamenpflicht bewusst in Kauf zu nehmen bereit ist oder gar insgeheim beabsichtigt, dann sollte sie umso dringlicher im Gegenzug alle in den letzten Jahren massiv aufgebauten Einschränkungen der Meinungsfreiheit wieder auf das früher bei uns und in wirklich liberalen Staaten heute noch übliche Ausmaß zurückschrauben. Diese Einschränkungen sind vor allem durch den sogenannten Verhetzungsparagraphen erfolgt.

Dieser ist gleich in zweifacher Hinsicht ein Verbrechen wider die Meinungsfreiheit, derer wir uns seit 1867 mit Ausnahme der NS- und der Kriegszeiten erfreuen durften. So richtig und notwendig es ist, alles strafrechtlich zu bekämpfen, was mit Gewalt zu tun hat, so dumm und falsch ist es, ein so diffuses Wort wie "Hass" als strafrechtlichen Tatbestand zu erfassen und bekämpfen. Denn damit werden reine Meinungsdelikte bestraft. Damit werden sogar hassfreie und den Tatsachen entsprechende Äußerungen bestraft, bloß wenn sie imstande sind, in anderen Hass zu entfachen.

Wer Hass bestrafen will, will keine Meinungsfreiheit

Noch dazu ist "Hass" völlig undefinierbar. Dieses Wort kann ja mit fast jedem beliebigen Inhalt gefüllt werden. Letztlich kann jeder, der nicht immer der von der Obrigkeit angeordneten Meinung ist, wegen eines Hassverbrechens verurteilt werden. Gerade in Zeiten, wo ständig das "Nie wieder" getrommelt wird, sollte man sich bewusst sein: Eine neue totalitäre Diktatur, ob braun, ob rot, ob lila gestreift, braucht gar keine neuen Gesetze zu erlassen. Sie kann mit dem bestehenden Verhetzungsparagraphen ohne Gesetzesänderung alle aufmuckenden Menschen auf zwei Jahre einlochen.

Dieser Verhetzungsparagraph ist perfiderweise ein absolut einseitiger Willkürparagraph. Er schützt zwar Moslems oder Migranten, aber nicht Unternehmer, Bauern, Pfarrer oder FPÖ-Wähler. Daher dürfte folgende rechtliche Absurdität der geltenden Lage entsprechen:

Es ist durchaus möglich, dass ein gegenwärtig heiß diskutierter FPÖ-Videospot tatsächlich als "Verhetzung" eingeordnet wird. Dieser zeigt einen nahöstlichen Migranten in einer Ordination als Schwindler, der mit Vorlage einer fremden E-Card ärztliche Leistungen gratis erschleichen will. Allerdings zeigen alle bekanntgewordenen Betrügereien mit der E-Card, dass diese überproportional oft bei Migranten passieren, dass also der FPÖ-Spot gar nicht so weit von der Wahrheit weg ist. Sollte hingegen ein anderer Spot Pfarrer, Bauern oder FPÖ-Wähler als E-Card-Betrüger darstellen – ansonsten haargenau gleich –, dann wäre das nach dem geltenden Gesetz eindeutig keine Verhetzung (obwohl es zum Unterschied von den Migranten keinen Hinweis gibt, dass diese Gruppen überdurchschnittlich oft betrügen). Und Unternehmer werden  von Arbeiterkammer und Gewerkschaft sogar fast ständig als betrügerisch hingestellt.

Das ist doch krank.

Schwarz und Blau beschädigen sich selbst

Im übrigen, wäre es nicht nur eine weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine einseitige Diskriminierung aller österreichischen Internet-Anbieter, sondern auch absolut masochistisch, wenn ÖVP und FPÖ tatsächlich die nun angekündigte Verschärfung der Internet-Regeln beschließen sollten, ohne wenigstens gleichzeitig diese beiden schweren Defizite des Verhetzungsparagraphen zu beheben, die einst auf Verlangen der SPÖ dort hineingekommen sind.

Eine zusätzliche peinliche Groteske für Schwarz-Blau: Nur einen Tag nachdem sie diese völlig überflüssige neue Internet-Regulierung angekündigt haben, haben die beiden Parteien großspurig ein weiteres Gesetz angekündigt, nämlich gegen das sogenannte "Gold-Plating". Dieses Gesetz soll die überschießende Umsetzung von EU-Richtlinien in Österreich verhindern – also neue unnötige Überregulierungen. Dabei wäre gerade ein Klarnamengesetz eine solche unnötige Überregulierung. Die ist aber rein österreichisch erzeugt.

Merkt die Regierung nicht, wie sehr sie sich damit lächerlich macht? Wie sehr sie sich den Zeiten von Rot-Schwarz angleicht? Wie sehr sie widersprüchlich, illiberal, diskriminierend, freiheitsbeschränkend zu werden beginnt? Wie sehr sie Schildbürgern gleicht, die die sich häufenden Messerattacken durch Verbot aller Messer im Privatbesitz verhindern wollen?

Gerade hat man die Regierung noch loben müssen, weil sie nicht zuletzt wegen der Attacke auf die Meinungsfreiheit den UNO-Migrationspakt abgelehnt hat. Und jetzt das!

PS: Im angeblich illiberalen Ungarn gibt es natürlich keine Klarnamenpflicht …

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