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Die CDU darf wählen – man weiß nur nicht genau, was

Ein Hauch von Demokratie weht durch Deutschland. Drei nette Menschen bewerben sich um die Führung der größten Partei des Landes. Diesmal wird nicht hinter Polstertüren alles vorentschieden, sondern die Delegierten eines Parteitags können völlig offen wählen. Das ist schon was. So viel Demokratie ist für die Deutschen und insbesondere die CDU ziemlich ungewohnt. Freilich ist die CDU nur personalpolitisch nicht inhaltlich demokratisch geworden. Alle inhaltlichen Fragen bleiben weitgehend ausgeklammert im Wolkig-Diffusen.

Jeder der drei Kandidaten verspricht zwar so manches, was populär (und oft auch richtig) zu sein scheint. Aber keiner sagt, wie er das in einer Koalition mit der SPD durchsetzen will. Diese hat ja in den letzten Jahren die Unionsparteien immer weiter nach links gezogen. In ihrer blinden Verzweiflung über den steilsten Wählerverlust der Geschichte zieht die SPD ihre Profilierung immer noch weiter nach links. Und Angela Merkel hat dabei erstaunlich bereitwillig mitgemacht – etwa auch durch Übernahme des ursprünglich von der SPD gekommenen Wahnsinnssatzes: "Wir schaffen das".

Bisweilen kommen jetzt aus der CDU wieder Andeutungen, dass man anstelle einer klein gewordenen schwarz-roten "GroKo"vielleicht doch noch einmal eine sogenannte "Jamaika-Koalition" mit FDP und Grünen versuchen könnte. Aber das eröffnet derzeit noch keine Perspektive zu einer sich von Schwarz-Rot wirklich unterscheidenden Politik. Sind doch die Grünen noch immer kein brauchbarer Partner für wirtschaftsliberale oder migrationsbremsende Reformen. Daran hat ja auch zu Recht im Vorjahr die FDP die Verhandlungen über eine solche Koalition mit Schwarz und Grün scheitern lassen.

Man sollte freilich in Hinblick auf die Zukunft nicht ignorieren, dass sich derzeit bei den deutschen Grünen einige gemäßigte Persönlichkeiten profilieren, die in manchen Fragen, wie etwa beim Ausländerthema, erkannt haben, welcher Mumpitz die grüne Doktrin ist. Wie etwa der frühere Parteichef Cem Özdemir, wie etwa der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, wie etwa der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer. Das zeigt, dass intelligente Grüne durchaus lernfähig sind, wenn sie zu Verantwortungsträgern werden. Dennoch ist es noch ein sehr weiter Weg von einigen klugen und mutigen Äußerungen einzelner Exponenten bis hin zu einer wirklichen Änderung der weiterhin vom dumpfen marxistischen Mainstream dominierten Parteilinie.

Man kann in Hinblick auf die deutschen Grünen auch noch aus einem weiteren Grund Hoffnungen auf ein Wachsen der Vernunft haben. Denn links von ihnen gibt es in Deutschland zum Unterschied von Österreich noch eine weitere Parlamentspartei. Daher könnten die deutschen Grünen eines Tages die heute noch als Zielgruppe behandelten Linksextremisten, Antifa- und Schwarzer-Block-Gruppen ganz dieser Linkspartei überlassen und sich zu einer Partei bürgerlicher Bobos und Umweltfreaks zu entwickeln.

Auch das birgt zwar sicher noch etlichen Sprengstoff für eine Koalition mit Union und FDP. Aber diese Entwicklung könnte die Grünen eines Tages zu einem vernünftigeren Partner machen, als es die SPD der letzten Jahre ist.

In einer solchen Koalition würde insbesondere die FDP für die wirtschaftliche Vernunft sorgen. Die Rückkehr dieser Vernunft ist ja nach der auch diesbezüglich verheerenden Merkel-Periode dringender denn je. Das zeigen auch die jüngsten Konjunkturprognosen, die Deutschland einen spürbaren Abschied von den fetten Jahren ankündigen, welche einst die "Agenda 2010"-Reformen dem Land für rund zehn Jahre verschafft hatten. Deren Meriten sind aber nun aufgebraucht, weshalb Deutschland rasch wieder neue Reformen bräuchte, auch um im globalen Wettbewerb weiterhin bestehen zu können. Das wäre auch für das wirtschaftlich so stark vom großen Nachbarn abhängige Österreich sehr wichtig.

Mit der SPD von heute ist da absolut nichts möglich. Diese ist meilenweit entfernt von der wirtschaftlichen Vernunft eines Schmidt, eines Schiller, eines Schröder, eines Müntefering. Sie steckt ganz in den Fängen der doktrinären Alt-68er.

Zurück zur CDU: Bisher hat kein einziger der drei Kandidaten einen Ausweg aus dieser unheilvollen Bindung an eine der Linksparteien – ob rot, ob grün – auch nur indirekt angesprochen. Dieser Ausweg könnte und müsste auf parteipolitischer Ebene in einem Doppelpack bestehen:

  1. Merkel müsste auch als Bundeskanzlerin rasch gehen. Sie hat einfach zu viele gravierende Fehler begangen, zu deren Revision sie selbst naturgemäß nicht imstande ist.
  2. Die CDU müsste darüber hinaus endlich die sich von Wahl zu Wahl verfestigende Mehrheit rechts der Mitte nützen, um diese Fehler rückgängig zu machen. Das heißt also eine Kooperation mit der FDP und der AfD. Die AfD hat sich ja schon bereiterklärt, eine solche Regierung parlamentarisch abzusichern, auch wenn sie ihr – vorerst – nicht direkt angehört.

Das sind die beiden Fragen, die noch viel wichtiger sind als die Person des Parteivorsitzenden. Über sie würden die CDU-Mitglieder daher noch viel lieber abstimmen. Aber sie dürfen nicht. Und keiner der drei Kandidaten hat sich auch nur in einer der beiden Fragen klar festgelegt.

Denn in beiden Fragen sind die Perspektiven schlecht: Merkel wird parteiintern gerade wieder zur Ehre der CDU-Altäre erhoben, keiner traut sich, etwas gegen sie zu sagen. Die CDU ist halt doch nicht nur wert- sondern auch strukturkonservativ, sie will jedenfalls nicht wieder im Konflikt eine lange amtierende Führungsfigur entsorgen müssen, wie sie das mit Helmut Kohl getan hat. Und die AfD wird noch immer als unberührbar tabuisiert und bisher von fast allen als Koalitionspartner abgelehnt – wohl weil sie als zu gefährliche Konkurrenz empfunden wird. Sie ist ja Fleisch vom Fleisch der CDU.

Dabei müsste es dringend gerade inhaltlich um eine fundamental neue Politik gehen – die in Wahrheit ein Zurück zur alten CDU-Identität wäre – und nicht bloß um einige Marginalideen. Merkel wurde ja nicht deshalb rücktrittsreif, weil man einfach ein neues Gesicht haben wollte, sondern weil ihr gesamter politischer Kurs viele Wähler inhaltlich vertrieben hat. Ihre größten Fehler reichen:

  1. von der Öffnung aller Tore für die Völkerwanderung
  2. über die "Energiewende" mit ihren verheerenden Folgen
  3. über die viel zu geringen Investitionen in Deutschlands Wirtschaft und Infrastruktur
  4. über die "Rettung" Griechenlands mit ihren von fast allen Ökonomen seit Anfang prophezeiten üblen Konsequenzen, wie sie in der heutigen italienischen Krise für alle offenbar geworden sind,
  5. über die nicht durchdachte Abschaffung der Wehrpflicht
  6. über die Einführung der Schwulenehe
  7. über die völlige Vernachlässigung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit
  8. über ihre skandalöse Reaktion auf den Migranten-Mord von Chemnitz, nach dem sie sich primär über angebliche "Hetzjagden" auf Ausländer erregt hat, und sich nicht einmal dann entschuldigt hat, als auch das einzige 19-Sekunden-Video, das von Extrem-Linken als "Beweis" für angebliche "Hetzjagden" ins Netz gestellt worden war, entlarvt worden ist
  9. bis – ganz aktuell – hin zur Zertrümmerung der deutschen Automobilindustrie, des Rückgrats der bisherigen Stärke der deutschen Wirtschaft, die mit Merkels Zustimmung durch die EU erfolgt ist.

Die Deutschen – oder die CDU-Mitglieder – dürfen aber auch weiterhin über all das nicht inhaltlich entscheiden. Sie können nur rätseln, was die einzelnen Kandidaten wirklich in all diesen Fragen tun werden, die ja zumindest vorerst bei ihren Kollektivauftritten vor allem lieb zueinander zu sein und die die bisher bestehenden Unterschied möglichst zu verwischen versuchen.

Was dürften die einzelnen Kandidaten aber nun wirklich bedeuten, soweit man es erkennen kann?

Jens Spahn: Er ist – obwohl in ihrem Kabinett dienend – die klarste Antithese zu Merkel. Nicht zuletzt deshalb hat er auch immer geradezu demonstrativ die Nähe zu Sebastian Kurz gesucht. Er ist aber dennoch der chancenärmste. Einerseits weil er – obwohl schon 38 Jahre alt – vielen Deutschen absurderweise als zu jung erscheint (was viele Österreicher lachen lässt, die ja sehen, dass noch deutlich jüngere Jugend alles andere als ein Negativum sein muss). Andererseits weil Spahn ein bekennender Schwuler ist, was für so manche konservative CDU-Wähler doch abschreckend ist.
Dabei ist er zweifellos eigentlich der deutlich konservativste und familienfreundlichste der CDU-Kandidaten. Er hat familienpolitisch auch die weitaus mutigste Ansage dieses CDU-Wettbewerbs gemacht: Er hat (wohl auch um sein Schwulen-Minus auszutarieren) vorgeschlagen, die Sozialbeiträge stärker zwischen Familien und kinderlosen Singles zu differenzieren, weil ja Familien für die wichtigste Zukunftsinvestition eines Landes sorgen.
Und aktuell noch wichtiger und brisanter: Spahn hat jetzt eine Abstimmung über den von immer mehr Ländern abgelehnten UN-Migrationspakt auf dem CDU-Parteitag gefordert, während sich die anderen Kandidaten um dieses Thema drücken.

Friedrich Merz: Er gilt so wie Spahn als Anti-Merkel-Kandidat, hat aber vorerst deutlich bessere Unterstützung, obwohl – oder weil – er lange weg von der Politik gewesen ist, nachdem er eines der ersten Opfer des Merkelschen Machttaktik geworden war. Er wirkt aber dennoch souverän und erfahren, zugleich ruhiger und staatsmännischer als einst.
Ein bisschen irritiert jedoch, wie begeistert sich Merz in den letzten Wochen für die EU und wie klar gegen die AfD positioniert hat. Hat er nicht mitbekommen, wie negativ sich die EU in den letzten Jahren entwickelt hat? Begreift er nicht, dass die CDU die Option AfD zumindest taktisch dringend braucht, weil sie sonst weiterhin alternativlos dasteht? Oder ist sein In-die-Mitte-Rücken nur wahltaktisch begründet?
Merz hatte sich, bevor er von Merkel verdrängt wurde, jedenfalls immer klar konservativ positioniert – etwa durch die von allen Linken entsetzt abgelehnten Betonung einer deutschen "Leitkultur" – davon war aber in seiner jetzigen Kampagne erstaunlich wenig zu merken.
Merz ist auch klar wirtschaftsliberal punziert. Er war zuletzt etwa Aufsichtsratsvorsitzender bei Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Das macht ihn freilich als abgehobener Millionär angreifbar. Das hat auch gleich zu einem üblen Foul geführt: Ausgerechnet als Merz seine Rückkehr in die Politik ankündigte und manche Linke daher eine Abwendung der CDU von der SPD zu fürchten begannen, veranstalteten Staatsanwälte Hausdurchsuchungen bei Blackrock wegen Steuerdelikten. Zufälle gibt’s …

Annegret Kramp-Karrenbauer (die ihren unbrauchbaren fünfteiligen Namen gern durch das dynamische Kürzel AKK ersetzt): Sie ist "die" Kandidatin Angela Merkels, die AKK vor einem Jahr zur Partei-Generalsekretärin gemacht hat. Um dieses für manche abschreckende Manko auszugleichen, betont diese neuerdings gerne das Ziel einer härteren Linie gegenüber straffällig gewordenen Asylwerbern; diese sollten aus dem ganzen Schengen-Raum verwiesen werden. Aber selbst bei dieser ja nicht allzu drastischen Maßnahme bleibt völlig offen, wie AKK das in einer Koalition mit der SPD durchsetzen will. Sie ist betont katholisch und hat zum Unterschied von Merkel drei (schon erwachsene) Kinder. Und sie ist bei den bisherigen CDU-Schönheitskonkurrenzen erstaunlich sympathisch angekommen.

Wer im Dezember gewinnen wird, ist aber noch völlig offen. Jedoch deutet manches darauf hin, dass die Merkel-Kandidatin beim entscheidenden CDU-Parteitag vor allem davon profitieren könnte, dass sich die beiden konservativen Männer gegenseitig in die Haare bekommen.

Noch viel offener ist aber das Entscheidende, also was die CDU-interne Abstimmung dann inhaltlich wirklich bedeuten wird. Für die Koalition, für die Politik Deutschlands, für Europa – also in all den Fragen, wo Merkel falsch abgebogen ist.

Das wird auch für Österreich – ob man es will oder nicht – in vielerlei Hinsicht entscheidend sein.

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