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23 Erkenntnisse aus einer Fußballweltmeisterschaft

Viele Menschen werden nächste Woche gar nicht mehr wissen, wie sie ihre Abende füllen werden. So groß wird das Loch sein, welches das Ende der Fußball-Weltmeisterschaft reißt. Der ORF wird stolz – wenn auch wohl zum letzten Mal, hat er doch die Übertragungsrechte für die Champions League schon verloren, – ein Quotenhoch trompeten können. Und in neun Monaten wird wohl ein Geburtentief zu bilanzieren sein. Wir aber sind heute schon  um eine ganze Reihe Erkenntnisse reicher über den Fußball und diese Weltmeisterschaft: politischer, ökonomischer, sportlicher und gesellschaftlicher Art. So etwa über die Beziehungen zwischen Fußball und Nation.

Auch wenn manches davon für manche keine neuen Entdeckungen sein mögen, so könnte es doch interessant sein, sich alte Beobachtungen ebenso wie viele jedenfalls neue Erkenntnisse bewusst zu machen.

  1. Fußball, also das, was 22 Spieler und als 23. Mann ein Schiedsrichter da auf der Wiese eines Stadions tun, hat sich mehr denn je als die weltweit attraktivste Sportart erwiesen. Und sie gewinnt immer noch mehr an Popularität dazu. Von Nigeria bis Australien. Von Island bis Argentinien. Von Japan bis in die Schweiz. Fußball ist eine, ist vielleicht die wichtigste Weltsprache geworden. Auch in Österreich waren die Straßen zu Fußballzeiten so leer wie sonst nie zur gleichen Tageszeit.
  2. Warum ist Fußball eigentlich für Milliarden Menschen so viel attraktiver als Rad- oder Skifahren, als Basketball oder Rugby? Vielleicht ist er das deshalb, weil es der einzige Sport ist, den fast jeder zumindest als Kind und Jugendlicher selbst ausgeübt hat. Es wirkt wie eine der natürlichsten Fortbewegungsarten, wenn selbst Kleinkinder gleichsam automatisch einen Ball vor sich her zu treiben versuchen. Um Fußball zu spielen braucht es praktisch nur eine halbwegs ebene Wiese und einen Ball – sowie ein paar Gleichgesinnte. Es braucht im Gegensatz zu anderen Sportarten keine Investitionen, ist ein absolut alle Schichten erfassender Sport.
  3. Fußball ist weit spannender und abwechslungsreicher als so gut wie alle anderen Sportarten. Gerade bei dieser Weltmeisterschaft ist oft bis weit über die 90. Minute hinaus die Entscheidung völlig offen gewesen. Viele Krimi-Autoren wären dankbar, könnten sie sich von dieser regelmäßigen Spannung wenigstens ein Scheibchen abschneiden.
  4. Fußball ist Emotion pur, und das noch dazu in einer atemberaubenden Hochschaubahn. Noch nie haben das so viele Fernsehkameras so brillant eingefangen. Schmerz, Jubel, Depression, Euphorie, Tränen der Freude und der Trauer sind auf den Zuschauerrängen oft nur wenige Meter beziehungsweise wenige Minuten auseinander. Und zugleich liegen sie in den Public-Viewing-Arenen rund um den Erdball um Tausende Kilometer auseinander.
  5. Kaum ein anderer Sport ist eine so faszinierende Mischung aus Können, aus Intelligenz, aus Körpereinsatz, aus Brutalität, aus Mut – und eindeutig auch aus Zufall. Es tun ja nur Sportreporter so, als ob immer der objektiv Bessere gewinnen würde. Wenn zwei Mal ein Ball fünf Zentimeter mehr nach links oder rechts rollt, entscheidet das über grenzenlosen Jubel oder unendliche Trauer. Aber gerade der Zufall macht Fußball doppelt attraktiv, denn dadurch ist jeder Spielausgang zusätzlich ungewiss.
  6. Im Fußball spielen sich hinter den Kulissen oft ganz hässliche Dinge ab, auch auf dem Spielfeld gibt es viele arge Fouls (die weniger denn früher geahndet wurden). Nur eines spielt sich zumindest bei einer Weltmeisterschaft mit Garantie nicht ab: Betrug auf dem Spielfeld. Da stehen mit absoluter Sicherheit 22 Mann, die alle unbedingt gewinnen wollen. Und wahrscheinlich ist Ehrlichkeit überhaupt das, was die Menschen am meisten schätzen – vielleicht weil sie sonst so selten geworden ist? (Am Rande: Lediglich in der Vorrunde gab es eine Partie, wo eine Mannschaft nicht unbedingt gewinnen wollte, weil ihr ein zweiter Platz einen vermeintlich angenehmeren Gegner in der nächsten Runde versprach …).
  7. Wenig mit Ehrlichkeit haben hingegen die vielen Szenen zu tun, wo sich ein Spieler wie vor Schmerzen zuckend auf dem Boden wälzte, um eine Bestrafung der Gegner zu provozieren – und um dann eine Minute später problemlos wieder über den Rasen zu tänzeln. Vor allem der brasilianische Superstar Neymar ist mehrfach durch Zeitlupenkameras einschlägiger Betrugsaktionen überführt worden.
  8. Apropos Neymar: Vielleicht das für viele Zuschauer Erfreulichste an dieser WM war die Entzauberung der oft allzu eitlen Megastars Neymar, Messi und Ronaldo. Sie alle mussten recht früh heimfahren. Vergangene Verdienste sind vergangen, und ständig gehen neue Sterne auf.
  9. Im Fußball gibt es Helden und Bösewichte, die man hassen oder verehren kann. Als Bösewichte eignen sich seit jeher die Schiedsrichter in ihrer subjektiven Entscheidungsnot ganz besonders. Die Einführung des Videobeweises bei strittigen Tor- und Strafraumszenen hat freilich eine erfreuliche Objektivierung herbeigeführt.
  10. Manche Fußballer sind sogar gleichzeitig Held und Bösewicht. So hat sich der kroatische Abwehrchef als idolisierter Held der Ukraine profiliert, weil er diesem (von Russland ja teilweise besetzten) Land den Sieg seines Teams über Russland gewidmet hat. Und er ist damit zugleich zum meistgehassten Spieler bei den russischen Zuschauern geworden, die ihn mit unfairen Pfeifkonzerten begleitet haben.
  11. Ansonsten ist Russland aber eindeutig zu attestieren, dass es eine ziemlich tadellose Weltmeisterschaft organisiert hat. Es hat schöne Stadien gebaut. Es hat sich politisch sehr zurückgehalten und keine Propaganda gemacht. Es hat offenbar einen guten Weg gefunden, mit den großen Anhängermassen aus aller Welt umzugehen. Auch alle Rundum-Berichte der zahllosen WM-Gäste bestätigen, dass sich das Gastgeberland sympathisch gezeigt hat, dass Russland nichts mehr mit dem dumpfen Kommunismus von einst zu tun hat. Lediglich der tschetschenische Machthaber Kadyrow hat ungute Propaganda mit einem Spieler aus einem anderen islamischen Land versucht, der das gar nicht wollte, ist aber kaum durchgedrungen.
  12. Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Russland auch heute noch politische Gefangene und keine echte Demokratie gibt. Dass Russland gleich mehrere Territorien fremder Staaten militärisch besetzt hält. Dass Russland Demonstrationen einfach verboten hat. Dass Russland in einem Propagandavideo die britische Botschaft einfach aus dem Bild retuschiert hat – ganz offensichtlich, weil die Briten gewagt haben, sich über die Vergiftung zweier russischer Regimegegner im britischen Exil zu empören (Ohne dass das mit dem heutigen Russland gleichzusetzen wäre, erinnert diese Diskrepanz ein wenig an die Olympischen Spiele in Berlin 1936. Auch damals war vielen Besuchern mit Erfolg eine heile, tolerante, friedliche Welt vorgegaukelt worden).
  13. Das Publikum war bei aller Begeisterung in den Stadien und außerhalb viel gesitteter als jene Hooligan-Horden, die zunehmend den Vereins-Fußball verpesten. Das hängt zweifellos auch mit den deutlich höheren Preisen und längeren Anreisewegen zusammen. Das bestätigt aber auch, was man ebenso bei österreichischen Spielen sehen kann, dass Nationalmannschaften regelmäßig ein besseres Publikum haben als die Klubs. Fast alle Nationen präsentierten sich so, wie man es sich nur wünschen kann: begeistert über das eigene Team, lautstark die Nationalhymne singend und die eigenen anfeuernd, aber ohne Gehässigkeit gegen andere.
  14. Das zeigt neuerlich, dass nationale Identität, dass Nationalismus oft eine sehr positive Kraft ist, die Menschen motivieren und zusammenschweißen kann. Man schaue sich nur an, was die Weltmeisterschaft mit den eigentlich seit langem nebeneinander, wenn nicht gegeneinander lebenden Wallonen und Flamen in Belgien gemacht ist. Sie empfanden sich durch das gute Auftreten ihrer Nationalmannschaft vielleicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte als eine einige Nation.
  15. Eine eher betrübliche Ausnahme von dieser Vorbildlichkeit waren die meisten Lateinamerikaner, die in erstaunlich großer Zahl nach Russland gekommen waren: Sie begleiteten die gegnerischen Mannschaften ständig mit Dauerpfeifkonzerten; und ihre Spieler traten meinem Eindruck nach deutlich öfter und brutaler als alle anderen auf gegnerische Schienbeine. Umso erfreulicher, dass sie fast alle frühzeitig ausgeschieden sind.
  16. Eine betrübliche Ausnahme von der Nationen-bildenden Kraft des Fußballs war Deutschland. Dabei hat dort noch vor wenigen Jahren gerade der Fußball eine von der Geschichte traumatisierte Nation eine Zeitlang zusammengeführt. Jetzt aber sind Deutschlands Fußballer genauso im Abstieg wie seine sich früher gerne in ihrer Nähe zeigende Regierungschefin. Beider Krisen hängen - auch - mit der deutschen Unfähigkeit zusammen, mit der eigenen Identität umzugehen. So haben sich im deutschen Team die Migranten neuerlich geweigert, die Hymne mitzusingen, haben also signalisiert, noch immer nicht in Deutschland angekommen zu sein. So haben sich zwei türkischstämmige Spieler für üble Propagandaauftritte mit dem türkischen Semidiktator Erdogan hergegeben. So stößt besonders widerlich auf, dass die deutsche Nationalmannschaft vom Fußballverband politisch-linkskorrekt in "Die Mannschaft" umgetauft worden ist. Als ob es nicht in Deutschland zehntausende Mannschaften gäbe ...
  17. Eines der besonders schönen Dinge an dieser Weltmeisterschaft war hingegen, dass kleine Länder wie Kroatien und Belgien oder Island und Uruguay oft den ganz großen ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen waren. Fußball ist also insofern demokratischer als die Demokratie, als die Welt der Macht und Politik.
  18. In ganz anderer Art erfreulich war der Anblick der bildhübschen Frauen aus Iran auf den Rängen – ganz ohne Schleier. Dabei mussten sie fürchten, dass Kameras ein solches "sittenloses" Betragen ja auch in ihre Heimat übertragen. Dabei haben Frauen in Iran meist nicht einmal Zutritt zu Stadien. Dabei ist in Iran gerade eine Frau vom steinzeitlichen Mullah-Regime zu 20(!!) Jahren Haft verurteilt worden, nur weil sie sich geweigert hat, einen Schleier zu tragen. Und ihre Anwältin gleich mit …
  19. Eines der am wenigsten erfreulichen Dinge auch dieser WM war die Tatsache, dass im Gegensatz zu allen anderen Sportarten keine unabhängige Doping-Kontrolle stattfand. Das macht der Veranstalter, die FIFA, lieber selber. Das lässt angesichts der immer gewaltiger werdenden körperlichen Beanspruchung oft über 120 Minuten gewaltige Zweifel an der Doping-Freiheit des Fußballs aufkommen.
  20. Während Doping im Fußball also nur ein düsterer Verdacht bleiben kann, ist Korruption in diesem milliardenschweren Geschäft ein ständiges Zentralthema, auch nachdem etliche FIFA-Funktionäre ausgewechselt worden sind. Allein die Tatsache, dass die nächste Weltmeisterschaft an Katar vergeben worden ist, zeigt das Ausmaß der Korruption. Katar ist alles andere als ein Fußballland. Es ist auch klimatisch völlig ungeeignet für Hochleistungssport. Aber das ölreiche Golfland hat Geld, sehr viel Geld, um sich den Zuschlag und damit globales Prestige zu erkaufen.
  21. Und noch provozierender sind die gigantischen Geldsummen bei den Spitzenspielern. Ausgerechnet Juventus-Turin aus dem maroden Italien, bei dem der marode Fiat-Konzern eine Schlüsselrolle spielt, lässt sich den Wechsel eines Ronaldo fast 400 Millionen kosten. Euro, nicht Lire. Und das, obwohl Ronaldo nicht mehr ganz jung ist. Da ist es kein Wunder, dass die seit längerem krisenbedingt auf Schmalkost gesetzten Fiat-Arbeiter darob toben und an Streik denken (was sie freilich wohl nicht getan hätten, wäre Ronaldo erfolgreicher bei der WM gewesen). Diese Wahnsinnssumme ergänzt die ebenso ernüchternde Tatsache, dass dieser bisher in Spanien spielende Portugiese Ronaldo gerade erst in Spanien zu nicht weniger als zwei Jahren bedingter Haft verurteilt worden ist. Wegen Steuerhinterziehung.
  22. Gegen die aberwitzige und oft schmutzige Casino-Mentalität im Klubfußball erwecken die meisten Spieler bei der Weltmeisterschaft geradezu den Eindruck, dort einmal nicht primär für viel Geld, sondern für ihr Land zu spielen. Zumindest tun das jene, die etwa auch bereit sind, die Hymne ihres Landes mitzusingen. Freilich: Indirekt ist auch bei ihnen viel Geld im Spiel. Denn eine solche Weltmeisterschaft ist in Wahrheit wie eine einzige Verkaufsmesse, bei der Spieler ihren Marktwert gewaltig steigern können.
  23. Nur fragen sich dabei immer mehr Steuerzahler: Warum fließt auch nur ein Euro Steuergeld in dieses Milliardengeschäft von Fußballern, Funktionären und Geschäftemachern? Fußball ist ein tolles, spannendes, faszinierendes Spiel, aber absolut kein Grund, daran uninteressierten Bürgern letztlich auch mit Gewalt Geld dafür abzuknöpfen. Der Fußball hat selbst mehr als genug Geld.

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