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Uns geht die Arbeit aus – uns gehen die Arbeiter aus

Seit Jahrzehnten prophezeien weltfremde Soziologen, dass der Roboter wegen die Arbeit ausgehen würde. In der wirklichen Welt spielt sich das genaue Gegenteil ab. Die Wirtschaft sucht immer verzweifelter nach Fachkräften – fast – aller Art. Sie findet aber nur Ungelernte, die schon mit den Grundrechnungsarten große Probleme haben, geschweige denn, die Sprache beherrschen.

Eine seltsame Diskrepanz. Noch viel seltsamer ist, dass es in Österreich viele der Gesuchten durchaus gäbe. Das ist die Generation der Menschen über 55 Lebensjahre.

Während man etwa in den USA auch auf 70-jährige Autobusfahrer trifft, arbeiten die Österreicher schon zwischen 55 und 64 nur noch zu 52 Prozent. Damit liegt Österreich am untersten Ende der Industriestaaten, deren Schnitt 62 Prozent beträgt. In den am besten vergleichbaren Ländern Schweden, Schweiz und Deutschland sind in der gleichen Altersgruppe zwischen 71 und 80 Prozent auf dem Arbeitsmarkt zu finden.

Das ist sowohl individuell wie kollektiv schlimm. Es fehlen volkswirtschaftlich Steuerzahler und es gibt zu viele Bezieher (im Vergleich sehr hoher) Pensionen. Andererseits ist Arbeit subjektiv ein enorm sinnstiftender Teil des Lebens, während Kartenspielen im Park eher nur kurzfristig befriedigt.

Gewerkschafter begründen diese Zahlen damit, dass man in diesem Alter halt ausgepowert und erschöpft sei. Das ist ein Unsinn, wie auch schon der internationale Vergleich zeigt. Die Österreicher sind gesünder und Arbeitsplätze sind immer seltener körperlich anstrengend. Sie erfordern heute statt dessen Wissen, Erfahrung, Verlässlichkeit. Gerade das haben Ältere in einem hohen Ausmaß.

Richtiger ist, dass sich ältere Menschen schwerer tun mit neuen Technologien, mit der elektronischen Revolution. Aber auch das erklärt nicht den Unterschied zu den anderen Industriestaaten.

Der Unterschied ist vielmehr durch zwei ganz andere spezifisch österreichische Fehlentwicklungen begründet:

Die eine ist das nach wie vor extrem niedrige Pensionsantrittsalter – real wie gesetzlich. Während international die gesetzlichen Systeme ständig an das steigende Lebensalter angepasst werden, ist Österreich schon ein Unikat mit seinem um fünf Jahre niedrigeren Frauenpensionsalter, das Schwarz und Rot einst verfassungsrechtlich einbetoniert haben. Dieses System verführt viele eigentlich Arbeitswillige und -fähige vorzeitig in das – dadurch langfristig zum Kollaps verdammte – Pensionssystem. Das ist Schuld der Politik.

Die andere Fehlentwicklung ist das Senioritätsprinzip in vielen Besoldungs- und Kollektivverträgen, also dass man immer mehr verdient, je älter man ist. In manchen Berufen ist ein 60-Jähriger fast doppelt so teuer ist wie ein 25-Jähriger, auch wenn beide für den Arbeitgeber gleich viel leisten (der eine mehr durch Erfahrung, der andere durch Flexibilität). Das können sich viele Betriebe schlicht nicht leisten. Das gibt es nur in Österreich in diesem Ausmaß. Und das ist Schuld der Gewerkschaften.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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