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Europa vs Amerika: Szenen einer Scheidung

 

EU-Europa hat sich wieder einmal aufgeplustert: Es will allen Ernstes all jene Firmen kompensieren, die durch die neuen amerikanischen Iran-Sanktionen Schaden erleiden. Das ist angesichts des jetzt schon großen Auseinanderklaffens der Wünsche und Möglichkeiten beim EU-Budget, sowie angesichts der Billionen Schulden der europäischen Staaten ein tollkühnes, ja ein wahnwitziges Versprechen. Gleichzeitig hat Europa  - freilich in einer anderen Streitfrage mit den USA, wo es eine Zeitlang ebenfalls den Mund sehr voll genommen hat - einen auffallenden Rückzieher angetreten.

Nämlich im Konflikt um die amerikanischen Strafzölle, die Trump etlichen europäischen Produkten angedroht hat. Da hat Europa den Amerikanern zuerst vehement gedroht: Weg damit, sonst verhängen auch wir Strafzölle über amerikanische Produkte. Seit dem EU-Gipfel von Sofia gibt man erstaunlicherweise zumindest indirekt zu, dass Donald Trump nicht ganz Unrecht hat, und bietet nun den USA etliche Reduktionen der bisherigen europäischen Zollsätze an. Es hat sich nämlich herausgestellt (die Handelsexperten haben es zweifellos immer gewusst), dass Europa auf manche amerikanischen Produkte viel höhere Zollsätze verlangt, als es umgekehrt die USA tun. Daher ist die Forderung nach einer Angleichung durchaus verständlich und nicht als irrer Amoklauf Trumps darzustellen.

Kommt es nun wirklich zu einer solchen Angleichung nach unten, könnte der von Trump losgetretene und anfangs sehr bedrohlich scheinende Zollkrieg nun sogar zu positiven Ergebnissen führen. Denn letztlich ist jedes Ergebnis positiv, das zu einer Reduktion von Zöllen führt. Freilich nur ein solches.

Europa muss begreifen, dass die komfortable Nachkriegsepoche vorbei ist, in der Europa letztlich immer von den USA profitiert hat. Donald Trump hat sie zwar sehr abrupt beendet. Aber es nutzt wenig, den guten alten Zeiten nachzutrauern. Viel wichtiger ist die Bereitschaft zu um Objektivität bemühter Selbstkritik. Vor allem, wenn man die schlechteren Karten hat.

Man denke etwa nur an die jahrzehntelang viel höheren Militärausgaben der USA für die Sicherheit (auch) Europas, und an den gleichzeitigen weitgehenden Verzicht Europas auf nennenswerte eigene Verteidigungsanstrengungen. Das war bequem, ist aber jetzt vorbei. Jetzt hat in Deutschland zumindest eine Diskussion darüber begonnen, dass man künftig vielleicht doch mehr für die Bundeswehr tun müsste, als Schwangerenuniformen anzuschaffen.

Immerhin.

In Sachen Iran ist Europa hingegen noch nicht in der Realität angekommen. Da steckt man wie am Beginn des Zollkrieges noch ganz in der Phase der Empörung darüber, dass die USA einseitig das Abkommen mit Iran gekündigt haben.

Dieses Abkommen hatte im Gegenzug für die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran gewisse Kontrollen der iranischen Atomanlagen vorgesehen. Natürlich ist es für die EU-Länder und das Selbstbewusstsein seiner Regierungschefs kränkend, dass die USA dieses Abkommen gekündigt haben, ohne Europa um Erlaubnis gefragt zu haben. Aber dennoch täte es gut, unabhängig vom Ärger darüber die Fakten zu analysieren. Ganz abgesehen davon, dass Europa niemals zu einer kollektiven Meinungsänderung bereit gewesen wäre.

Zwar hat immerhin die deutsche Bundeskanzlerin erstmals zaghaft eingestanden, dass das groß gefeierte Abkommen alles andere als eine Garantie ist, dass Iran nicht doch in einigen Jahren Atombomben haben wird. Aber mehr hat man noch nicht begriffen.

Zusätzlich müsste sich Europa, wenn es ehrlich wäre, nämlich auch eingestehen, dass eine Umsetzung des Abkommens Iran wirtschaftlich so stärken dürfte, dass das Land einen noch expansiveren militärischen Kurs einschlagen könnte. Dabei ist Iran ja jetzt schon – also noch ganz ohne Atomwaffe und voller wirtschaftlicher Schwierigkeiten auch durch die Sanktionen – militärisch sehr aggressiv unterwegs. Mehr denn je. Das Land hat das Abkommen keineswegs als Start, als Aufruf zu einem um Frieden bemühten Kurs verstanden.

Iran steckt sowohl hinter der Hisbollah in Syrien wie auch der Hamas in Gaza, die beide Israel mit ständigen Attacken anzugreifen versuchen, die beide aggressiver sind als sämtliche anderen arabischen Gruppierungen der ganzen Region, die beide immer wieder einen größeren Krieg zu provozieren versuchen. Iran ist auch zweifellos zumindest mitschuld am Jemen-Krieg. Und nun gibt es überdies etliche Anzeichen, dass die Präsenz iranischer Milizen in Syrien auch von dort aus eine über den Bürgerkrieg hinausgehende Nahost-Eskalation auslösen könnte.

Zwar sind die Amerikaner eindeutig die Schuldigen am Schlammassel im Irak. Aber an den noch viel schlimmeren Zuständen in Syrien und Libyen sind ebenso eindeutig die Europäer – vor allem Briten und Franzosen – hauptschuld, die in ihrer Naivität allen Ernstes geglaubt hatten, dass eine demokratisch-rechtstaatliche Revolution gegen die jeweiligen Diktatoren eine Chance hätten. Zugleich ist Iran freilich jenes Land, das den Europäern kulturell näher steht als etwa die dazwischenliegenden Araber oder Türken.

Was wäre da jetzt für Europa eine vernünftige Politik in Sachen Iran? Statt sich wie ein Rumpelstilz aufzuführen, wäre es eindeutig weiser, auf den Iran kollektiv und gemeinsam mit Amerika Druck auszuüben, dass er sich vielleicht doch verantwortungsbewusst verhält – sowohl atomar wie konventionell. Dass Europa geschlossen reagiert, wenn Iran, seine Mullahs und Revolutionsgarden, so aggressiv agiert.

Besonders dumm ist es hingegen, wenn die EU statt dessen jetzt allen europäischen Firmen kollektiv eine Entschädigung verspricht, wenn sie jetzt doch keine lukrativen Iran-Geschäfte machen können, oder wenn sie wegen solcher unter Sanktionen der USA zu leiden haben. Ganz abgesehen davon, dass ein solches Versprechen geradezu zu Betrug einlädt, ist damit jede Chance vernichtet, Iran zu einem disziplinierteren Verhalten zu bringen. In Teheran kann man sich wieder einmal ins Fäustchen lachen, dass es gelungen ist, Europa und Amerika auseinanderzudividieren. Europa positioniert sich damit sogar Iran-freundlicher als die zwei anderen Mächte, die vor allem rund um Syrien mitzumischen versuchen: Russland und die Türkei.

Auch wenn man von machtpolitischen und interessenorientierten Maßstäben zu ethischen wechselt, muss man eindeutig festhalten: Die eindeutig am positivsten zu wertende Seite im syrischen Bürgerkrieg, nämlich die der Kurden, zu denen etwa viele Christen geflüchtet sind, wird nicht etwa von den pharisäerischen Europäern, sondern eben den Amerikanern unterstützt. Während die Europäer lange Zeit Gruppen unterstützt haben, die zwar vorgeben, demokratisch zu sein, die aber jedenfalls dem Islamismus näherstehen als das Assad-Regime oder eben die Kurden,

Das Versprechen einer Kompensation aller unter den Iran-Sanktionen leidenden Firmen ist aber auch ökonomisch ein Wahnsinn. Freilich: Die EU – oder genauer: der Euro-Raum – tut ja ohnedies schon länger so, als ob Geld eine beliebig vermehrbare Masse wäre. Das hat ihr jetzt auch fast logischerweise die nächste Katastrophe eingebracht, nämlich Italien, wo jeder Sparwille endgültig ins Meer geworfen worden ist, wo durch eine neue Regierung eine dramatische Menge neuer Ausgaben und damit EZB-Schulden drohen, wo ein Aus- statt eines Rückbaus des Wohlfahrtsstaates bevorsteht.

Auch im dritten Konfliktpunkt Europa-USA, den um den amerikanischen Botschafts-Transfer nach Jerusalem, macht die EU einen recht jämmerlichen Eindruck. Weniger weil drei oder vier Länder Mittel und Osteuropas sich deutlich amerika- und israelfreundlicher positioniert haben als der Rest der EU. Viel gravierender ist, dass irgendwann die seit 50 Jahren klappernde europäische Gebetsmühle "Wir tun nichts, bevor es eine Verhandlungslösung gibt, vorher haben wir nicht einmal eine Meinung" altersschwach geworden ist.

Man kann zumindest nachvollziehen, dass der Trumpsche Beschluss nicht ganz absurd ist, angesichts der offensichtlichen Unmöglichkeit eines israelisch-palästinensischen Kompromisses einmal zumindest in einer banalen Detailfrage klare Verhältnisse zu schaffen. Und auch wenn es den Arabern nicht passt: Es ist letztlich nur noch skurril, aus Prinzip über Jahrzehnte die Botschaft in einer anderen Stadt als der Hauptstadt Israels zu haben, in der halt Regierung, Parlamente und Höchstgericht ansässig sind.

Man braucht sich ja als Österreicher nur die Frage zu stellen: Handelt ein ausländischer Staat sinnvoll, wenn er seine Botschaft nicht in Wien, sondern beispielsweise in Salzburg eröffnet? Natürlich darf er das, natürlich hat Salzburg einen hohen Freizeitwert. Aber klug ist es nicht.

Bei allem Respekt vor Formalstandpunkten, die an einem historischen Status quo festhalten wollen: Es ist bei weitem nicht alleinige Schuld Israels, dass es 50 Jahre lang zu keiner Verhandlungslösung gekommen ist. Es hat den Krieg 1967 eindeutig nicht begonnen, aber gewonnen. Und es war ja auch nach den Weltkriegen logischerweise so, dass nicht die Deutschen die Verhandlungsbedingungen diktieren konnten. Dass es nur Geisteskranke waren, die etwa Ostpreußen und Schlesien auch Jahrzehnte nachher als Bestandteil eines Deutschen Reichs bezeichnet haben.

Etwa ganz anderes ist, dass die versöhnliche westliche Haltung gegenüber Deutschland nach 1945 auch für den Westen viel klüger gewesen ist als die hasserfüllte nach dem ersten Weltkrieg. Obwohl am zweiten Krieg die Deutschen viel eindeutiger schuld waren als am ersten.

Das Absurde im Jahr 2018: Trump benimmt sich wie ein Rüpel; er ist ein zynischer Macht- und Interessenpolitiker. Was den Gedanken an eine Scheidung zwischen Europa und Amerika durchaus nahe legt - auch wenn eine Emanzipation Europas in aller Freundschaft viel schlauer wäre. Aber erstaunlicherweise hat Trump inhaltlich in vielem Recht.

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