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Der Golan oder: den Letzten beißen die Hunde

Es ist eine der miesesten Aktionen der Staatsanwaltschaft: Jetzt hat sie gegen einige Bundesheer-Soldaten wegen eines sechs Jahre zurückliegenden Vorfalls an einer der heikelsten Fronten des Nahen Ostens Erhebungen aufgenommen. Es zeigt von völliger Ahnungslosigkeit der angeblich so überlasteten Staatsanwälte über die Situation in einem Krieg, wenn sie dafür auch nur eine Sekunde verschwenden.

Die Soldaten haben gesehen, wie neun syrische Polizisten in einen Hinterhalt der Rebellen geraten und dort getötet worden sind. Sie hätten theoretisch die Polizisten warnen können. Was sie wohlweislich nicht getan haben.

Wer ernsthaft von den österreichischen UN-Soldaten am Golan verlangt hätte, dass sie in den Kriegs- und Bürgerkriegswirren einer Seite Informationen über eine andere zustecken, der hätte von ihnen glatten Selbstmord verlangt. Der Aktionismus einiger linker Aktivisten, der offensichtlich und wieder einmal bis in die Staatsanwaltschaft hinein reicht, verlangt aber genau das.

Im Krieg – das sollten auch Staatsanwälte und Völkerrechtler in ihren geschützten Stuben wissen – sind Informationen über eine Aktion der Gegenseite immer eine eindeutige Parteinahme. Und genau das war den am Golan stehenden Soldaten nicht nur von der UNO, sondern auch von der österreichischen Regierung und den eigenen Vorgesetzten eindeutig und klar verboten worden. Der dortige Blauhelm-Einsatz war eben nicht einer, um Frieden zu schaffen. Dafür hätte es einen ganz anderen Auftrag der UNO gebraucht, für den es aber keinerlei Konsens im Sicherheitsrat gegeben hat, für das Österreich auch wohl keine Soldaten gestellt hätte.

Die Weitergabe von Informationen hätte darüber hinaus mit 99-prozentiger Sicherheit die Österreicher auch selbst in Gefechte verwickelt, für die man ihnen keinerlei adäquate Ausrüstung mitgegeben hat – mitgeben hat dürfen. Diese UN-Soldaten waren viel zu schwach bewaffnet und zahlenmäßig unterlegen, um in diesem extrem hochgerüsteten Teil der Welt gegen eine der vielen einander bekämpfenden Parteien auch nur die geringste Chance zu haben. Daher ist es wirklich nur zynisch, wenn der – im gleichen äußersten linken Eck wie Falter und ORF stehende – Völkerrechtler Nowak jetzt behauptet, die österreichischen Soldaten hätten die syrischen Polizisten warnen müssen. Die Österreicher wären damit Kriegspartei an der Seite der Syrer geworden. Was ein absoluter Wahnsinn gewesen wäre.

Daher ist es auch völlig gleichgültig, mit welchen Sätzen die Soldaten die Aktion damals auf dem offensichtlich von ihnen selbst gemachten Video kommentiert haben.

Aber offensichtlich gibt es immer mehr Juristen, die Krieg mit einem Mädcheninternat verwechseln, weshalb sie jetzt ein Verfahren eröffnet haben. Im Nahen Osten weiß man den Unterschied hingegen sehr gut.

Es ändert auch absolut nichts an der Situation, dass die Täter des Hinterhalts anscheinend ebenfalls Syrer gewesen sein dürften, Rebellen oder Schmuggler. Aber erstens ist das in einer riskanten und unübersichtlichen Situation nie ganz sicher; zweitens wäre jedenfalls das Vertrauen beispielsweise der Israelis in die Neutralität der UNO-Soldaten zertrümmert, wenn diese angefangen hätten, der Gegenseite Informationen zuzustecken; in solchen Konflikten lässt sich oft gar nicht mehr erkennen, welche Informationen wem nutzen und wem schaden. Und drittens haben die UNO-Soldaten den Auftrag gehabt, allen Seiten gegenüber neutral zu sein.

Mit der Juristenjagd auf die Austro-Blauhelme wird im Nachhinein übrigens auch ein Eckstein der einst von allen Linken so gelobten Außenpolitik Bruno Kreiskys ad absurdum geführt. Denn genau unter Kreisky hat das Golan-Abenteuer des Bundesheeres begonnen. Der SPÖ-Kanzler wollte damit zeigen, dass das unter seiner Herrschaft – etwa durch die Verkürzung der Wehrdienstzeit – noch mieser als sonst behandelte Bundesheer doch zu etwas gut sei. Er entsandte es daher im Dienste der UNO (und zu seiner Selbstprofilierung als Möchtegern-Vermittler) auf den Golan, um den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien zu beobachten.

Ich konnte mich einst dort bei einem Besuch – sowohl bei den israelischen wie auch österreichischen Soldaten – selbst überzeugen: Diese UN-Soldaten hatten nur solange Existenzberechtigung und Überlebenschancen, solange beide Seiten sie akzeptierten. Das ging nur durch strikteste Unparteilichkeit zwischen allen Beteiligten. Sie durften beobachten und Berichte schreiben, sonst absolut nichts. In einem dieser Berichte stand übrigens natürlich auch schon damals der von "Falter", ORF und Staatsanwälten jetzt "aufgedeckte" Überfall auf eine syrische Patrouille.

Alles andere als strikte Nichteinmischung wäre Selbstmord gewesen.

Wenn die Aktion der Staatsanwälte nicht sofort gestoppt wird, kann es für das österreichische Heer nur eine einzige Konsequenz geben, die wäre dann sogar absolut zwingend: nämlich alle Soldaten von UNO-Einsätzen im Ausland zurückzuholen, also derzeit vor allem aus den Balkanstaaten. Wenn die Republik nicht hinter den österreichischen Soldaten steht, dann darf der Heeresminister nicht einmal mehr die Entsendung auch nur eines einzigen Soldaten verantworten.

Auch die Staatsanwälte sind Teil der Republik, auch wenn sie sich gerne anders sehen. Und: Der Justizminister kann ihnen jederzeit Weisungen geben.

PS: Außerdem wird sich – trotz guter Bezahlung – eh fast keiner mehr finden, der bereit ist zu einem solchen Blauhelmeinsatz.

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