Was ist nur los mit diesen Staatsanwälten?
21. April 2018 00:47
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 8:00
Zunehmend wird die Staatsanwaltschaft zu einem Grundproblem des Rechtsstaates. Aber niemand traut sich das laut zu sagen, hat doch jeder Angst vor ihr. Kann sie doch de facto ganz ohne Gerichtsurteil völlig konsequenzenlos Existenzen vernichten. Ein starker, mutiger und justizerfahrener Justizminister wäre der einzige, der da – sofern auch die Regierungsmehrheit voll hinter ihm steht – wieder für Ordnung und Rechtsstaat sorgen könnte. Aber einen solchen haben wir ja schon sehr lange nicht gehabt.
Erstaunlich ist, dass die bestürzende Entwicklung der Staatsanwaltschaft genau in der Ära des freiheitlichen Ministers Dieter Böhmdorfer begonnen hatte. Dieser recht cholerische Politiker hatte – augenscheinlich aus Zorn über seine schwarzen Koalitionspartner, mit denen er oft im Clinch gelegen war, – in der Staatsanwaltschaft SPÖ-Exponenten zu erstaunlichen Karrieren verholfen. Er hat gleichzeitig durch eine Strafprozess-Reform die Macht dieser Staatsanwälte unglaublich ausgedehnt. Überdies wurden durch diese Reform die Kompetenzen der (Untersuchungs-)Richter und der Polizei stark zurückgedrängt.
Die auf Böhmdorfer folgenden, mehr oder weniger ÖVP-nahen Minister waren gegenüber der seither sehr politisierten Staatsanwaltschaft völlig hilflos; sie ballten höchstens insgeheim die Faust im Sack. Und jetzt haben wir einen ÖVP-nahen Minister, der nicht einmal eine Ahnung von der Strafjustiz hat.
In der Folge einige bedrückende Beispiele von erstaunlichem Übereifer von Staatsanwälten am völlig falschen Ort, mit dem sie Menschen beruflich ruinieren konnten. Bis dann dieser Übereifer erst nach Jahren an unabhängigen Richtern zerschellt ist, was den Opfern oft nichts mehr half. Es gibt freilich auch Beispiele von (immer den gleichen) Richtern, bei denen der Doppelpass mit der Staatsanwaltschaft in erster Instanz sehr gut funktioniert hat.
Danach einige ebenso erstaunliche Beispiele von noch erstaunlicher und noch mehr bedrückender Inaktivität der Staatsanwaltschaft in ganz eklatanten Fällen grober Rechtswidrigkeiten. Beides muss große Sorge um den Rechtsstaat machen. Beginnen wir mit den dubiosen Überreaktionen.
- Den jüngsten Schock hat der Fall Ronnie Leitgeb versetzt. Der ehemalige Manager von Thomas Muster wurde von der Staatsanwaltschaft jahrelang verfolgt und beruflich beschädigt, weil er angeblich eine ungerechtfertigte Provision beim Verkauf eines Tennistrainingszentrums der Immofinanz bekommen hat. Jetzt endlich ist er freigesprochen worden. Die Richterin Caroline Csarmann hat ausdrücklich erkannt, dass jeder beim Verkauf erfolgte Schritt wirtschaftlich nachvollziehbar und keineswegs ein Verbrechen gewesen ist.
Die Staatsanwaltschaft hat das bis zuletzt nicht erkennen wollen, obwohl der Oberste Gerichtshof schon einmal eine von der StA erreichte Verurteilung Leitgebs aufgehoben hat.
Nie würde man erraten, von wem diese erste Verurteilung des Tennismanagers gekommen war: Das war ausgerechnet jene Richterin, die jetzt auch den Prozess gegen Karl Heinz Grasser leitet, den die Staatsanwaltschaft bekanntlich angestrengt hat, ohne einen einzigen echten Beweis gegen den Exminister in der Hand zu haben. Der Präsident des Wiener Landesgerichts hatte diese Richterin sogar unbedingt für diesen Prozess zuständig sehen wollen. Trotz vielfacher Einsprüche und Bedenken vor allem auch wegen der hasserfüllten Postings ihres Ehemannes gegen Grasser, die alleine schon den Anschein einer Unbefangenheit der Richterin weitgehend zerstört haben.
Gewiss ein Zufall ist es, dass Leitgeb einst für seinen Freund Michael Spindelegger als Werber aufgetreten war ...
Solche Sachen tut man doch nicht, zumindest nicht für einen bürgerlichen Politiker!
- Nur wenige Tage davor war man ebenfalls heftig ins Kopfschütteln über die Staatsanwaltschaft gekommen. Da war ein Prozess in Klagenfurt der Anlass. Drei Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft dort fünf Bankmanager verfolgt, weil diese dem Aufsichtsrat keinen Sonderbericht über die Kündigung einer Kreditlinie erstattet haben. Die Staatsanwaltschaft hat es in diesen drei Jahren für überflüssig angesehen, einen Sachverständigen zur Klärung dieses sehr technisch klingenden Vorwurfs beizuziehen.
Jetzt sind die Angeklagten auch dieses Prozesses freigesprochen worden. Die Richterin hat nämlich sehr wohl einen Sachverständigen aktiviert. Und sie hat den Freispruch ausdrücklich nicht im Zweifel gefällt, sondern in "voller Überzeugung". Was nichts anderes als eine schallende Ohrfeige für die Verfolgungsbehörde ist.
Auch dieser Fall hat einer sich immer mehr verbreitenden Einschätzung neue Nahrung gegeben: Während Staatsanwälte oft großes Desinteresse an migrantischen Rechtsbrechern zeigen, betreiben viele von ihnen voll Eifer einen Klassenkampf gegen Manager und Unternehmer.
Schließlich ist ja Unternehmertum Verbrechen. Schließlich bekommen Staatsanwälte ja ganz automatisch jeden Ersten ihr sicheres Gehalt. Da müssen Menschen, die auf ein solches sicheres Gehalt verzichten, ja automatisch dubios sein.
Staatsanwälte haben jedenfalls fast unbegrenzte Mittel, um Existenzen zu vernichten, ohne dass auch nur ein einziges Mal ein Richter das Wort "schuldig" gesprochen hätte. Ganz ähnlich wie bei Leitgeb hatten sie ja auch in Klagenfurt jedenfalls einen riesigen Erfolg trotz ihrer Niederlage im eigentlichen Prozess: Sie haben den nunmehr freigesprochenen Beschuldigten einen Riesenschaden zufügen können, der nicht mehr rückgängig machbar ist. Finanziell, psychisch und beruflich.
Die Beschuldigten bleiben ja jedenfalls nicht nur auf gewaltigen Verteidigungskosten sitzen, die ihnen auch im Fall des Freispruchs niemand ersetzt. Dazu kommt die psychische und familiäre Belastung durch ein jahrelang anhängiges Verfahren. Überdies hatten die Betroffenen in der Zeit der Verfolgung keine Chance auf einen Job. Was viele Staatsanwälte – und auch das Justizministerium wie auch der Gesetzgeber – nämlich nicht zu begreifen imstande sind: Manager haben zum Unterschied von Staatsanwälten und anderen Beamten fast keine Chance, etwas zu verdienen, wenn sie Beschuldigte in einem Strafverfahren sind.
- Auch in einem weiteren Fall ist ein unglaublich agierender Staatsanwalt zum Glück für den Betroffenen an einem energischen Richter zerschellt. Der Ankläger hat allen Ernstes einen Justizwachebeamten vor Gericht geschleppt, weil dieser unerlaubt im Justizvollzugssystem die Daten und das Photo eines flüchtigen Verbrechers nachgeschaut hat, um persönlich Ausschau nach ihm zu halten.
Der Richter hat nun völlig zu Recht erkannt: "Wenn der Geflüchtete tatsächlich mit Hilfe des Inspektors geschnappt worden wäre, wäre er das Aushängeschild eines Beamten, der über den Tellerrand blickt."
All diese unnötigen Prozesse mit all ihren Vorgeschichten, mit all der schweren Belastung für die Verfolgten werden ausgerechnet zu Zeiten geführt, da die Justiz lautstark klagt, dass sie unmöglich etwas einsparen oder mehr arbeiten kann.
- Im Fall des Peter Pilz ist ebenfalls eine seltsame Überaktivität der Staatsanwaltschaft festzustellen. Gegen den Parteigründer wird nun schon seit einem halben Jahr wegen des dubiosen Gummibegriffs "Sexuelle Belästigungen" ermittelt, obwohl es offensichtlich keine einzige Frau gibt, die sich durch die Zudringlichkeiten des altgewordenen Revoluzzers in strafrechtlicher Form sexuell belästigt fühlt.
Pilz ist der einzig bekannte Fall, wo österreichische Staatsanwälte auch einmal gegen einen Linken überagieren, während es sonst nur Bürgerliche und Manager sind, gegen die sie mit offensichtlich ideologischer Triebkraft vorgehen. Das dürfte damit zu tun haben, dass die Erhebungen gegen Pilz von der Staatsanwaltschaft Innsbruck betrieben werden, wo offenbar noch nicht Linke das StA-Kommando übernommen haben.
Aber auch im Fall Pilz ist es extrem unbefriedigend, dass jemand durch die Staatsanwälte auf Grund bloß vager medialer Vorwürfe (hinter denen eine grüninterne Intrige gestanden ist) beruflich schwer beschädigt werden kann. Das ist auch bei einem Grünen eine Sauerei – selbst wenn es sich bei Pilz vorerst nur um einige Monate und nicht um Jahre wie bei den Wirtschaftsexponenten handelt.
Dennoch löst der Fall Pilz ein gewisses Gefühl der ausgleichende Ungerechtigkeit aus. Gleich aus zwei Gründen:
– Pilz ist jener Politiker, der selbst weitaus am öftesten politische Gegner durch ungerechtfertigte Anzeigen zu beschädigen versucht hat, die er auch selbst jedes Mal lautstark in befreundete Medien von ORF bis Standard getragen hat.
– Es waren und sind gerade die Grünen, die das in irgendeiner Weise fast jedem Mann anhängbare Gummidelikt "sexuelle Belästigung" zum größten Verbrechen der Weltgeschichte hochstilisiert haben, und zwar mit etlichem Erfolg. Jetzt trifft diese Political-Correctness-Hysterie halt auch einmal einen Grünen. Da fällt es schwer, nicht auch eine gewisse Schadenfreude zu empfinden.
- Damit kommen wir allerdings zu jenen ebenfalls besorgniserregenden Fällen, wo die Staatsanwälte ganz im Gegenteil erstaunlich inaktiv sind. Wo sie sehr bedenkliche Fälle nie vor einen unabhängigen Richter bringen. Wo sie sich unglaublich selektiv bei der Verfolgung von potenziellen Wirtschaftsdelikten zeigen.
Da hat man beim – ohnedies von vielen anderen Seltsamkeiten begleiteten – Buwog-Prozess etwas erfahren, was einst zumindest verabredet gewesen ist: Die Stadt Linz sollte das Genehmigungsverfahren für ein Bauprojekt der Buwog zwei Jahre verzögern, damit das Konkurrenzprojekt der Porr einen Vorsprung bekommt. Das Porr-Projekt (bei dem Schmiergeld geflossen sein soll) war hingegen tatsächlich in nur sechs Wochen genehmigt. Nie werden wir erfahren, wie das mit der Genehmigung beim Konkurrenzprojekt abgelaufen ist.
Das ist zweifellos ein gravierender Verdacht gegen die oberösterreichische Landeshauptstadt, der auch nicht ganz unglaubwürdig ist. Haben doch auch schon viele andere Österreicher erlebt, dass Baubehörden ein Verfahren unendlich in die Länge ziehen können, wenn es nicht gelingt, sie freundlich zu "stimmen". Dennoch gibt es keinerlei Hinweise, dass die Staatsanwaltschaft diesem Verdacht gegen die (stets SPÖ-regierte) Stadt irgendwie nachgegangen wäre.
Zufälle gibt es …
- Besonders desinteressiert zeigt sich die Staatsanwaltschaft auch stets an Vorgängen rund um die Gemeinde Wien. So sind keinerlei Aktionen der Strafverfolger wegen der zum Himmel stinkenden Genehmigung des Hochhauses neben dem Konzerthaus bekannt. Auch die "Spenden" der Bauindustrie an Vereine des Planungssprechers der Wiener Grünen haben keinerlei staatsanwaltliche Aktivitäten ausgelöst, obwohl dieser bei der Hochhausgenehmigung eine sehr lautstarke Rolle gespielt hat.
- Vor wenigen Wochen ist ein Wohnbauprojekt in der Donaustadt bekannt geworden, gegen das viele Anrainer protestiert haben, das aber nach einer 100.000 Euro teuren "Mediation" nun doch durchgeführt wird. Zumindest nach Ansicht der Anrainer sind sämtliche bekannt gewordenen Aktivitäten der Mediatorin nicht einmal 10.000 Euro wert gewesen (Einsamer Höhepunkt: eine einzige Veranstaltung mit 50 Teilnehmern). Das soll man freilich nicht so eng sehen, ist die Mediatorin doch die Tochter einer SPÖ-Gemeinderätin. Was ja auch einen Wert darstellt.
So ein Zufall doch …
Lassen wir es hier bewenden, da auch die Leidensfähigkeit der Leser wohl nur eine beschränkte ist.
Dennoch sei jetzt schon angekündigt, dass sich das Tagebuch im Laufe der nächsten Tage auch noch mit den beiden allerschlimmsten Vorgängen in der heimischen Strafjustiz befassen wird, die all das hier Skizzierte noch weit in den Schatten stellen. Das sind einerseits jene sich dramatisch häufende Fälle, wo die heimische Kuscheljustiz Folgen verursacht, die die gesamte Gesellschaft bedrohen. Und das ist jener Fall, wo der eindeutig größte – natürlich "mutmaßliche" – Betrugsfall der österreichischen Geschichte nie vor einen unabhängigen Richter gebracht worden ist.