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Das AUVA-Getöse und die wirklichen – nie angesprochenen – Reformnotwendigkeiten

Verletzte müssen künftig auf der Straße verrecken, weil die Regierung die gesetzlichen Versicherungen zu überdenken begonnen hat. So lautet derzeit die SPÖ-Propagandalinie. Das ORF-Fernsehen doppelt gleich nach und brachte in der ZIB einen langen Beitrag, der – ohne jeden Sachbeweis – behauptet, dass Feuerwehrleute künftig bei Einsätzen nicht versichert wären. Geht’s noch primitiver? Dabei gäbe es in der Sozialversicherung ein paar Herkulesaufgaben, und rund um die Unfallversicherung AUVA ein paar Aspekte, die nie berichtet werden.

Der erste ist etwa die Tatsache, dass bei der AUVA in Kürze Betriebsratswahlen stattfinden. Und dass sich daher die dortigen Betriebsräte durch viele Fernsehauftritte in Stellung zu bringen trachten, bei denen sie sehr gezielt übertreiben, Panik schüren und  Parteipolitik machen, einschließlich der Aufrufe, am 1. Mai mit der SPÖ mitzumarschieren. So, als ob solche Betriebsrats-Aktivitäten irgendetwas Sachdienliches zur Lösung der Sozialversicherungs-Probleme beitragen würden.

Der zweite Aspekt ist noch viel interessanter: Ärzte bezeichnen das Konzept der Unfallspitäler nämlich als medizinisch überholt. Dort gäbe es zwar hochgradige Spezialisten für Knochenchirurgie. Aber längst bräuchte die Behandlung von Unfallopfern einen viel umfassenderen Ansatz. Er bräuchte Neurologen, Internisten, Orthopäden, andere Chirurgen, aber etwa auch Kinderärzte, um nur einige Notwendigkeiten zu nennen. Solche holt man sich aber derzeit oft nur als (honorierte) Konsiliarärzte von außen, in Wien etwa aus dem AKH, statt ganze Teams und Cluster ständig vor Ort zu haben, statt in einen Spitalsverbund eingebettet zu sein.

Noch eher berichtet wird der nächste Aspekt: dass selbst bei einer Auflösung der AUVA als Versicherung deren Krankenhäuser ja weiterbestehen sollen (wenngleich hoffentlich in einer medizinisch moderneren Form). Wobei es interessante, nie berichteter Möglichkeiten gibt: Eine bisher nirgendwo erwähnte wäre etwa die Übernahme eines Hauses durch das Bundesheer.

Wirklich provozierend – aber gerne verschwiegen – sind die Luxusbezüge im Bereich aller Sozialversicherungen, also auch jener Anstalten, die für die Verwaltung der Pensionen zuständig sind. Man kann es eigentlich nicht fassen, dass Sozialversicherungsmitarbeiter selber – aus den Pflichtbeiträgen der Versicherten! – viel höhere Pensionen bekommen, als sie den anderen Versicherten auszahlen. Heute erhalten schon 1280 ehemalige Sozialversicherungsmitarbeiter Zusatzpensionen der Versicherung. Das kostet derzeit bereits 330 Millionen Euro im Jahr. Zusätzlich werden von den jetzt noch (mehr oder weniger) Aktiven weitere Ansprüche angehäuft. Dazu kommt etwa eine Liste von 160 Dienstwägen für Funktionäre dieser "Sozial"-Versicherungen.

Da diese Versicherungen weitgehend in den Händen der Sozialpartner sind, sind es de facto lauter Schützlinge und Exponenten der diversen Kammern, die von diesen Privilegien profitieren. Das macht es wirklich erbärmlich, wenn Arbeiterkammer & Co jetzt davon faseln, dass die Mitsprache der Versicherten in der Sozialversicherung nicht gefährdet werden dürfe. Die Behauptung einer solchen Mitsprache ist eine widerliche Lüge. Es gibt außerhalb der Funktionärs-Nomenklatura von Kammern und Gewerkschaften nämlich keinen einzigen Österreicher, der jemals irgendwie bei der Sozialversicherung mitsprechen hätte können. Es geht der Nomenklatura einzig und allein um Macht und die erwähnten persönlichen Privilegien.

Dringend anzugehen ist auch die Frage nach den Kosten der Behandlung von Freizeitunfällen durch die Unfallspitäler. Werden doch die eigentlichen Arbeitsunfälle auf Grund vieler Sicherheitsmaßnahmen und Strukturänderungen in der Industrie (man denke etwa an das jetzt gebaute vollautomatisierte Voest-Stahlwerk in Kapfenberg) immer seltener. Und nehmen doch zugleich die Freizeitunfälle durch immer riskantere Sportausübung kräftig zu. Es ist daher für die unter den Lohnnebenkosten stöhnenden Arbeitgeber eigentlich absolut unzumutbar geworden, deren Behandlung mitzufinanzieren. Statt dessen müsste über Freizeitversicherungen etwa auf dem Weg des Erwerbs von Ausrüstungen, etwa beim Kauf von Lift-Karten und bei Benutzung von Tourengeher-Hütten nachgedacht werden. Aber auch darüber, von Risikosportlern, die sich nicht versichert haben, einen – igitt, welch furchtbares Wort – Regress der Unfallkosten zu verlangen. Die Versicherungskosten der Feuerwehr müsste natürlich die öffentliche Hand übernehmen, beziehungsweise dann später jene, die für Feuerwehreinsätze zahlen müssen.

In all diesen Punkten haben Schwarz-Blau also eindeutig Recht, wenn sie nun diesem System den Kampf ansagen. Auch wenn sie – vorerst? – noch viele klare Antworten vermissen lassen, wie etwa beim Punkt Freizeit-Unfälle, was sie statt dessen planen.

Freilich gibt es absolut keine Reform, die nur Gewinner und keine Verlierer hätte. Das gilt gerade dann, wenn eine Reform mehr Gerechtigkeit bringen soll, was logischerweise den derzeitigen Nutznießern eines Systems Nachteile bringen wird. Das scheint die Regierung noch nicht ganz zu begreifen. Jedenfalls redet sie nie über diese Nachteile.

Vor allem aber sind Schwarz und Blau auf dem Holzweg, wenn sie glauben, nur mit den derzeit andiskutierten Maßnahmen eine Sanierung zu schaffen. Nicht einmal eine Abschaffung der Privilegienpensionen wird einfach sein. Denn sie wird mit Sicherheit zu Prozessen führen, die jedenfalls bis zum Verfassungsgerichtshof gehen werden (Daher wäre es wichtig, mit der Abschaffung dieser Pensionen gleich zu beginnen, und nicht erst auf eine Sankt-Nimmerleins-Gesamtlösung zu warten).

Wie eine echte Lösung aussehen müsste

Eine wirkliche historische Sanierung müsste anders aussehen. Statt sich in zahllose mühsame Schlachten wegen einer Reduktion von 21 auf 5 Kassen zu verstricken, wäre es viel einfacher und zukunftssicherer, überließe man den Menschen die Wahl, sich eine Krankenversicherung auszusuchen. Dann könnten auch die Sozialpartner weiter versuchen, ein paar Versicherungen selbst zu betreiben und zeigen, was sie können außer groß reden. Dann würde es automatisch bald weniger Versicherungen gaben. Dann würden viele Privilegien aufhören.

Dann sollten vor allem die Menschen selber unter einem breiten Angebot von Versicherungen wählen können. Die einen hätten etwa eine tolle Rundumversorgung – was halt entsprechend teuer wäre. Andere einen Selbstbehalt für jede Leistung, was die Versicherung nicht nur viel billiger machen würde, sondern zweifellos auch das Verhalten der Versicherten gesundheitsbewusster ändern würde. Die dritten eine Beschränkung auf Großschäden, also auf chronische Erkrankungen und teure Behandlungen. Die vierten die Pflicht jedes Versicherten, dass der Hausarzt die zentrale Drehscheibe jeder Aktion wird.

Selbstverständlich müssten die Versicherungen dabei verpflichtet werden, erstens einen Mindestkatalog an Leistungen zu garantieren, und zweitens wie bei der Autohaftpflicht reihum jene Fälle zu nehmen (etwa chronisch Kranke), die kein Institut haben will.

Nur der Druck durch Wettbewerb wird die Versicherungen zur Sparsamkeit zwingen und die enormen Versicherungskosten reduzieren können. Sobald sie hingegen weiterhin politisch gelenkt werden, werden Privilegienmissbrauch und Ineffizienz nicht aufhören.

Ebenso müsste man das Pensionsthema völlig neu denken. Die einzige Möglichkeit, mit der man die Fixierung des Verfassungsgerichtshofs auf das derzeitige Pensionsantrittsalter umgehen könnte: jeder kann in Pension gehen, wann er will – sobald seine Einzahlungen die Höhe der Mindestpension versicherungsmathematisch, also ohne Zuschüsse der Allgemeinheit voll erreicht haben. Wer eine höhere Pension will, muss eben dementsprechend länger arbeiten. Der Staat muss dabei vor allem für die Mütter längere Beitragszeiten als heute zuschießen, aber auch für etliche andere Zwecke (für Kranke, die in Frühpension gehen, oder für die Präsenzdienstzeiten).

Gewiss, das sind nur Skizzen und Eckpunkte einer notwendigen Reform. Aber ebenso gewiss ist: Wenn sich Österreich nicht in diese Richtung verändert, dann kann eine zukunftsfeste Sanierung des Sozialversicherungssystems (wie sie etwa skandinavische Länder geschafft haben) nicht glücken. Man erinnere sich nur, wie etwa vor wenigen Jahren ein Hauptverbandschef Schelling die Sanierung des Gesundheitssystems verkündet hatte. Was sich sehr bald als leeres Versprechen herausgestellt hat.

PS: Um heute nicht allzu sehr auszuufern, sei nur angemerkt, dass parallel eine Lösung des Pflegeproblems unerlässlich ist. Die man sich freilich durch Abschaffung des Regresses zusätzlich erschwert hat.

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