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Die ersten Noten für das neue Team

Die ersten zwei Wochen der Regierung, also die Zeit zwischen Angelobung und erster Klausur, haben einen erstaunlichen, wenn auch gewiss noch vorläufigen Eindruck von einigen Mitgliedern des neuen Teams vermittelt. Der nicht für alle positiv auffällt.

Generell war Schwarz-Blau ja vorerst um unauffällige Zurückhaltung bemüht. Fast alle Regierungsmitglieder mussten sich auch erst einarbeiten, ihre Ministerien und die Spitzenbeamten kennenlernen. Die meisten waren zugleich damit beschäftigt, ihre persönlichen Kabinette zusammenstellen (wobei sie von den jeweiligen Parteizentralen offensichtlich an sehr kurzer Leine gehalten wurden). Viele hatten auch offensichtlich Angst vor öffentlichen Auftritten.

Einige der Regierungsmitglieder im Einzelnen:

Kurz und Strache: Die beiden Chefs hielten sich nach außen auffällig zurück. Sie waren offensichtlich rund um die Uhr bemüht, Schuhlöffel der neuen Mannschaft zu sein, die Ministerkollegen zu führen. Was freilich nicht immer gelang.

Sozialministerin Hartinger: Die Freiheitliche ist zwar fast am längsten von allen Ministern in der Politik aktiv, beging aber den für ihren eigenen Parteichef wenig erfreulichen Fehler, sich offen vom Regierungsprogramm zu distanzieren. Es ist zwar durchaus verständlich, dass (auch) ihr die Milderung des Rauchverbots in Gasthäusern wenig Freude macht. Aber da diese Milderung ja vor allem ein Wunsch des eigenen Parteichefs ist, war es doch erstaunlich unprofessionell, sich in einem Live-Interview (wo also niemand etwas herausschneiden konnte) total davon zu distanzieren, ohne dass ihr auch nur ein einziges "Andererseits"-Argument eingefallen wäre. Etwa dass im Gegenzug für die Konzession an die Wirte das Rauchen von Jugendlichen bis 18 verboten wird.

Sehr erstaunlich ist auch, dass Hartinger im Fragenbereich Arbeitslosenunterstützung-Notstandshilfe-Mindestsicherung ganz anders klingt als die Regierungserklärung. Fast scheint es so, als ob die rote Beamtenschaft in ihrem Ministerium sie schon weitgehend umgedreht hätte.

Sie distanzierte sich von der zweifellos klugen Strategie, Langzeitarbeitslose dazu zu bewegen – ja, wohl auch: sie zu zwingen –, sich viel intensiver um einen Job zu bemühen, statt auf Dauer Staatsgeld erhalten zu können. Und daneben zu pfuschen oder vom familiären Geld zu leben, was eindeutig ein Teil der Langzeitarbeitslosen tut. Sie tritt für eine unbegrenzte Arbeitslosenunterstützung ein, die Koalition hingegen nicht.

Wenig Aufwand investierte die Ministerin auch in die Erklärung der einzigen schon beschlossenen konkreten Maßnahmen gerade aus ihrem Bereich. Diese bestehen ja im doppelten Aus für Beschäftigungsbonus und Aktion 20.000, also Aktionen, die fast drei Milliarden pro Jahr kosten.

Zwar hat AMS-Chef Kopf die Gründe für ein Abdrehen der beiden Programme in mehreren Medien recht gut begründen können. Die Erklärung müsste aber natürlich primär von der Regierung selbst kommen. Es kann schon gar nicht sein, dass die Neos verständlicher eine Maßnahme der Regierung argumentieren können als diese selbst. Und dass die zuständige Ministerin plötzlich davon redet, dass das tagelang kommunizierte Aus für ein Programm vielleicht doch kein wirkliches Aus sein könnte …

Innenminister Kickl: Dieser hat sich hingegen gleich sehr geschickt positioniert, indem er für seine ersten Auftritte einer üblen Vorgangsweise der Polizei den Kampf angesagt hat, die zwar sehr viele Österreicher seit langem ärgert, die aber politisch wie medial bisher völlig ignoriert worden ist. Kickl will die vielen schikanösen Geschwindigkeitskontrollen an all jenen Stellen stoppen, wo es nur darum geht, leicht und schnell hohe Einnahmen zu erzielen, wo aber eine Überschreitung (etwa) der 50 km/h absolut keine Gefährdung darstellt.

Offen bliebt freilich, wem dann am Ende des Tages das solcherart weniger eingenommene Strafgeld fehlen wird. Das haben die Polizisten ja bisher eindeutig unter Erfolgsdruck eingetrieben. Aber man sieht jedenfalls: Ein fähiger Minister kann durchaus Ansätze finden, eigenständig zu punkten, ohne sich gegen das Regierungsprogramm zu wenden.

Staatssekretärin Edtstadler: Die politische Anfängerin im ÖVP-Team patzte hingegen gleich einmal arg. Sie lehnte in Interviews die im Regierungsprogramm stehenden Großquartiere für Asylwerber ab. Um nicht missverstanden zu werden: Diese Idee ist ganz sicher aus vielen Gründen extrem diskutabel – aber  für eine Regierung ist das, deren Mitglieder nach 14 Tagen zum eigenen Programm sagen: Das sei "nicht die Lösung"?

Und der Beifall von schwarzen wie blauen Wählern wird überhaupt endenwollend, wenn die Staatssekretärin zur Massenmigration darüber hinaus sagt, "dass wir die Menschen integrieren und in unsere Gesellschaft hereinholen wollen". Die Wähler haben die beiden Regierungsparteien freilich vor der Wahl ziemlich anders verstanden. Sie haben Schwarz oder Blau jedenfalls sicher nicht deshalb gewählt, damit da jemand "hereingeholt" wird. Sie wissen zum Unterschied von der Staatssekretärin auch längst, dass es ganz offensichtlich längst nicht darum geht, ob "wir" die Menschen integrieren wollen, sondern darum, dass diese sich primär selber um ein Integrieren bemühen müssten. Vor der Wahl ist ihnen freilich auch keine Frau Edtstadler präsentiert worden.

Offen bleibt nur: Wird auch hier der gerade errungene Konsens umgedreht oder hat auch hier bloß eine Anfängerin gepatzt?

Volksanwältin Brinek: Sie gehört zwar der neuen Regierung nicht an, sitzt aber auf einem ÖVP-Ticket. Ihr Angriff auf das Regierungsprogramm ist jedenfalls ein klares Indiz, dass ihr Mandat beim Auslaufen in 18 Monaten nicht mehr verlängert wird (kleiner Tipp an die ÖVP: Das wäre eine ideale Gelegenheit, um einen überforderten Klubobmann hinauf- beziehungsweise hinauszubefördern …). Bei öffentlichen Aussagen der roten oder blauen Volksanwälte kann sich die jeweilige Partei hingegen stets gewisse Loyalität erwarten.

Konkret hat Brinek das Justizkapitel attackiert, weil dort die Angleichung von Strafandrohungen für 18-Jährige an Erwachsene erwogen wird. Aber, so Brinek, bei jungen Menschen dürfe eine Haftstrafe nur "das allerletzte Mittel" sein. Die jungen Gesetzesbrecher "nur in eine Zelle zu sperren, bringt nichts." Womit die Volksanwältin im Umkehrschluss klar sagt, dass das ihrer Meinung nach bei Älteren anders sei, dass die offenbar ruhig weggesperrt werden können.

Die Dame dürfte auch das riesige Problem mit den vielen "jugendlichen" Gewalttätern unter den Migranten nicht begriffen haben, die in Wahrheit längst nicht mehr jugendlich sind, sondern nur genau das hemmungslos ausnutzen, was Brinek verteidigt: dass Jugendliche in vielerlei Hinsicht besser behandelt werden.

Wobei freilich auch das Regierungsprogramm nicht der Weisheit letzter Schluss sein dürfte. Dieser dürfte vielmehr eher in jenem Vorschlag liegen, den jetzt – ausgerechnet – ein deutscher Grüner (Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen) präsentiert hat: Man solle Jugendliche nur dann als solche behandeln, wenn sie wirklich alles tun, damit ihr Alter festgestellt werden kann, also wenn sie entweder ihre (oft versteckten) Dokumente herausrücken oder voll bereit sind, an allen erforderlichen medizinischen Tests mitzuwirken.

Das waren gewiss nur einige erste Blitzlichter auf das Schaffen der neuen Regierung. Den negativ Aufgefallenen sind durchaus exzellente Auftritte der neuen Minister Kneissl und Faßmann gegenüberzustellen. Sie hatten zwar keine Sensationen zu verkünden, konnten aber sehr intelligent argumentieren, haben ihren Fachbereich intellektuell im Griff und das Regierungsprogramm gelesen.

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