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Die zwei großen Versäumnisse

Das Programm der Koalition bringt viele interessante, teils auch wirtschaftlich relevante Punkte. Dennoch darf man nicht den Schmerz über zwei fehlende Notwendigkeiten verhehlen. Der Schmerz ist umso größer, als gerade jetzt globaler Konjunkturboom und politische Aufbruchsstimmung die beste Gelegenheit schaffen würden, auch hier Reformmut zu zeigen und zumindest mittelfristig einschleifende Regelungen zu formulieren. Beide Versäumnisse werden sich langfristig rächen.

Das eine besteht im Verzicht darauf, den von der letzten Regierung auf gigantische 55 Prozent erhöhten Grenzsteuersatz wieder zurückzunehmen. Gewiss, dieser Satz trifft 99,9 Prozent der Österreicher nicht (und den Autor dieser Zeilen schon gar nicht). Aber für wirklich gut Verdienende ist er absolut abschreckend. Genau das sind aber meist jene, die auch über den Standort großer Investitionen und Firmenzentralen entscheiden. Als Eigentümer, als Vorstand, als Geschäftsführer.

Mit absoluter Sicherheit fallen genau aus diesem Grund immer mehr Standort-Entscheidungen gegen Österreich aus. International, mit den USA an der Spitze, ist noch dazu eine Welle der Steuersenkungen in Gang. Überdies liegen rings um Österreich attraktiv gewordene Städte und Regionen: mit Steuersätzen, die nur einen Bruchteil ausmachen: mit deutlich billigeren lokalen Arbeitskräften; mit weniger sozialen Problemen als in Wien; und mit einer Infrastruktur, die in den letzten 25 Jahren nach Jahrzehnten des Hinterherhinkens auf den modernsten Stand gebracht worden ist.

Erst vor ein paar Tagen hat mir ein ausländischer Geschäftsmann klargemacht, dass es keine Argumente mehr gibt, warum man in Österreich investieren oder arbeiten solle. Außer Staatsoper und Philharmonikern fiel auch mir wenig ein.

Das zweite gravierende Versäumnis ist der Verzicht auf eine echte Pensionsreform, vor allem auf eine wirksame Erhöhung des Antrittsalters. Während die letzte schwarz-blaue Regierung immerhin ein langfristiges Aus für die Beamtenpensionen geschafft hat, will die jetzige niemanden verärgern. Dabei würde die Kenntnis von bloß zwei Fakten genügen, um auch reformträge Österreicher von der Notwendigkeit einer Reform zu überzeugen. Nur sind diese Fakten kaum bekannt:

  • Österreicher gehen vier Jahre früher in den Ruhestand als der europäische Schnitt.
  • In anderen Ländern ist dennoch die Pension niedriger; selbst in Deutschland bekommt jeder Rentner im Schnitt 200 Euro pro Monat weniger.

Die Österreicher gehen also keineswegs in einen "wohlverdienten" Ruhestand. Fast keiner hat sich die Pension durch seine Beiträge verdient, wie auch immer man diese mathematisch berechnen mag.

Gewiss: Schwarz-Blau wissen, dass in der Öffentlichkeit keine wirkliche Reformstimmung herrscht. Aber wenn Politik und Medien nie von den Reformnotwendigkeiten reden und davon, dass das System ohne Reform nachhaltig zerschellen muss, dann wird natürlich diese Stimmung auch nicht rechtzeitig entstehen.

Neben diesen wirtschaftlichen Notwendigkeiten ist auch in vielen anderen Bereichen ein schmerzliches Fehlen zu konstatieren: Es steht nichts über eine Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren, nichts über ein Ende der Medienbestechung aus Steuergeldern, nichts über eine Wiederherstellung der vollen Meinungsfreiheit, nichts über die notwendige Präzisierung des Islamgesetzes. Diese fundamentalen Versäumnisse bleiben sehr schmerzhaft, auch wenn es viel Positives und Mutiges in sonstigen Politikfeldern gibt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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