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Die Megakrise des Christian Kern kommt erst

Es ist Hass pur, den die SPÖ derzeit gegen Sebastian Kurz versprüht. Ein Teil des Zornes stammt aus dem Ärger über die vielen taktischen Fehler von Parteichef Christian Kern während der letzten Tage und Wochen. Diesem Mann steht aber noch ein viel größeres Problem bevor, das für die SPÖ absolut historische Dimensionen hat. Und das sogar zu einem raschen Ende der Obmannschaft von Kern führen könnte.

Es ist jedenfalls vorerst erstaunlich zu beobachten, wie die ÖVP an Ruhe und Souveränität gewinnt, je hektischer die anderen Parteien, vor allem die Sozialdemokraten werden. Kleines, aber typisches Beispiel: SPÖ-Kulissenflüsterer haben nach dem letzten Ministerrat entrüstet verbreitet, dass der neue ÖVP-Obmann schon wieder nicht bei der Regierungssitzung gewesen sei (die endlich wieder einmal stattgefunden hat, nachdem die SPÖ sie drei Wochen lang mit wenig überzeugenden Argumenten abgesagt hat). Auch eine ORF-Radio-Moderatorin – wie immer auf SPÖ-Linie – hielt dies empört dem ins Studio gekommenen ÖVP-Wirtschaftsminister Mahrer vor. Blöd nur, dass der darauf kühl erwidern konnte: „Kurz war aber im Ministerrat. Er saß mir schräg gegenüber.“ Was der Moderatorin die Rede verschlug.

Ähnliches spielt sich bei den Stichworten Beschäftigungsbonus und Arbeitslosen-Beschäftigung ab, zwei teuren Programmen, deren ökonomischer Sinn und rechtliche Haltbarkeit übrigens mehr als zweifelhaft ist. Die SPÖ inszeniert drei Tage lang Empörung, dass die ÖVP trotz Zusagen jetzt doch diese zwei Programme nicht wolle. Die ÖVP sagt ruhig: „Alles auf Schienen. Die Aufregung ist nur durch Wahlkampfnervosität erklärbar.“ Dann ist auch bei der SPÖ die Aufregung wieder draußen.

Diese kleinen Nadelstiche, Aufregungen und Stänkereien gegen Kurz werden sich jetzt bis zum Wahltag häufen. Sie dürften aber eher genau das Gegenteil bewirken. Sie dürften sich genauso auswirken, wie sie einst einem Jörg Haider oder dann einem Wolfgang Schüssel letztlich geholfen und sie noch erfolgreicher gemacht haben.

Aber zurück zur SPÖ: Wird diese und ihr Obmann bis zum Wahltag jene Standfestigkeit gewinnen, die man braucht, um als regierungsfähig zu gelten? Eher nicht. Denn jedenfalls waren das Zickzack und die Nadelstiche der letzten Wochen nichts gegen das gewaltige Problem, das Parteichef Christian Kern jetzt noch bevorsteht. Das ist die Frage: Wie hält die SPÖ es mit der FPÖ?

Zwar gibt es für SPÖ-Experten längst keine Zweifel mehr: Kern ist böse auf die Volkspartei und will daher unbedingt mit den Freiheitlichen ins Geschäft kommen. Das wollte er höchstwahrscheinlich schon vom ersten Tag seines Einstiegs in die Politik an. Das ist ja an sich auch durchaus legitim. Nur ist ein solcher Schwenk in der SPÖ extrem schwer realisierbar. Vor allem ist das für einen Parteichef schwer, der in den letzten Wochen das Image, über Führungsstärke zu verfügen, weitgehend verspielt hat. Leadership besteht eben einmal vor allem im Anschein, dass sie jemand hat. Und diesen Anschein hat Kern nicht mehr.

Aber auch für einen Parteichef mit Führungsqualität wäre eine Öffnung zur FPÖ extrem schwer. Denn im Grund war das Nein zur FPÖ das einzig konstante identitätsstiftende Element in der Partei seit 30 Jahren. Zu praktisch jeder anderen wichtigen Frage hat die SPÖ in dieser Zeit ihre Meinung um 180 Grad gewandelt: Das reicht vom EU-Beitritt bis zur Wehrpflicht. Nur eines war in dieser ganzen Zeit ehern und unverändert: Wir koalieren nicht mit der FPÖ. Wir sind die Partei der Zivilgesellschaft (was immer das sein mag) mit Haltung (was auch immer das bedeutet).

Die Begründungen des SPÖ-Neins zur FPÖ waren freilich eher wechselhaft: Heute wird oft die Haltung zur EU als Grund genannt. Dabei sind 1986, als der Bruch mit der FPÖ erfolgte (mit der man davor drei Jahre koaliert hatte), die Freiheitlichen als einzige Partei für die EU-Vollmitgliedschaft eingetreten und die SPÖ total dagegen …

Jedenfalls hat die SPÖ dieses Nein nicht nur zur zentralen Linie ihrer Politik  gemacht, sie hat auch mehrere Wahlkämpfe unter dieser Fahne geführt. Wir oder der Faschismus. Die SPÖ hat folgerichtig das Nein zur FPÖ aber auch in einem Parteitag groß einzementiert.

Das macht es enorm schwer für einen geschwächten Parteiobmann, da die Signale umzulegen. Das geht halt nicht so einfach, wie bei der Bundesbahn einen neuen Fahrplan einzuführen.

Kern wollte das mit einem „Kriterienkatalog“ machen, den eine ihm ergebene Gruppe nach seinen Vorgaben ausgearbeitet hat. Nach allem, was man über diesen Katalog schon erfahren hat, ist er so weich gehalten, dass eine rotblaue Koalition bequem möglich wäre. Solange die FPÖ nicht einen Austritt aus EU und Euro verlangt, ist der Katalog kein Hindernis.

Das ist freilich eine sehr fadenscheinige Taktik, die bei vielen SPÖ-Wählern Empörung auszulösen droht. Denn auch schon die FPÖ des Jahres 2000 hätte diese Kriterien erfüllt. Damals aber hat die SPÖ nicht nur die Straße, sondern auch ganz EU-Europa gegen die FPÖ mobilisiert.

Jetzt soll auf einmal alles anders sein? Das den SPÖ-Wählern zu erklären, würde eines besseren Kommunikators bedürfen, als Kern einer ist, der bisher nur mit nett klingenden, aber weitgehend aussagefreien Sätzen herumgeschwurbelt hat, oder solchen, die jeweils ein paar Tage später nicht mehr gegolten haben.

Jetzt soll ausgerechnet dieser Mann den Identitätskern der SPÖ austauschen können? Ausgerechnet diesem Mann soll eine glaubwürdige Lösung einfallen, wie man einen Parteitagsbeschluss aushebelt, der eine „Haltung“ festschreibt, die für die SPÖ jahrzehntelang ungefähr so wichtig gewesen ist wie für die Kirche das Evangelium?

Jetzt wird in der SPÖ auch über eine Urabstimmung nachgedacht, um das Dilemma zu lösen. Einzelne Teile der Partei preschen schon völlig unkoordiniert mit dieser Forderung öffentlich vor. Aber auch die Urabstimmungs-Idee ist mehr als zweischneidig. Denn Abstimmungen haben es so an sich, dass man vorher nie weiß, was herauskommt. Das haben zuletzt auch die Wiener Grünen schmerzhaft lernen müssen. Und selbst wenn bei einer SPÖ-internen Abstimmung die Fraktion „Ja zu Blau“ obsiegen sollte, ändert das nichts an der Empörung der moralistisch aufgeladenen linken Regimenter.

Zumindest 5 bis 8 Prozentpunkte der Wähler könnten als Folge eines „Ja zu Blau“ von der SPÖ zu den Grünen wechseln (wo man ja auch schon die Chance erkannt hat und sogar gegen eine völlig harmlose Feier des FPÖ-Parlamentspräsidenten Hofer mit den Freiheitlichen Studenten in alter Antifa-Empörung agitiert, um als letzter Träger der "Haltung" dazustehen).

Gleichzeitig könnten etliche traditionelle SPÖ-Wähler aus der Arbeiterschaft daraus schließen: Jetzt kann es aber auch keine Erbsünde mehr sein, FPÖ zu wählen, wenn die Partei sogar mit ihr koalieren will; jetzt wähl ich die FPÖ, weil die „Haltung“ der SPÖ zur Massenmigration war mir ohnedies schon immer suspekt.

Und als ob das nicht genug wäre: Die Wiener SPÖ scheint schon jetzt keinesfalls bereit, diesen Weg mit Kern mitzugehen. Der gewiegte Taktiker Michael Häupl wird Kern vehement bei der Annäherung an die FPÖ bekämpfen. Denn die ideologisch-moralistischen Anti-FPÖ-Kämpfer der Linken sind ja vor allem in Wien zu finden.

Damit aber könnte die SPÖ beim Zieleinlauf an die dritte Stelle absinken. Das aber wiederum dürfte die Tage des Christian Kern an der Parteispitze sehr rasch beenden.

In dieser Verzweiflung wird eine typische Kern-„Lösung“ immer wahrscheinlicher: Man verschiebt alle Entscheidungen auf die Zeit nach die Wahlen.

Aber auch das wäre selbstbeschädigend. Denn die Kuh ist längst aus dem Stall. Die Grünen werden trotz ihres schlimmen Tiefs (alle bürgerlichen Umweltaktivisten haben sich wegen der grünen Migrationspolitik von ihr abgewendet) massiv unter den linken Wählern wildern können, die jetzt schon den FPÖ-Braten zu riechen beginnen.

Und außerdem hat sich Kern vor der Fernsehkamera auf das ausdrückliche Versprechen fixieren lassen: Es werde noch vor der Wahl Klarheit in Sachen FPÖ geben. Da Kern aber noch nicht weiß, wie das gehen soll, war auch diese Festlegung ein weiterer katastrophaler Fehler, der ihm die Verschiebung auf die Zeiten nach der Wahl eigentlich unmöglich macht.

Womit das Ende der Kern-Zeit deutlich nähergerückt sein könnte, als man glauben sollte – obwohl es zum Unterschied von den letzten Obmannwechseln derzeit niemanden in der SPÖ gibt, der am Sessel des amtierenden Parteichefs sägt.

PS: Eine besondere Pointe der Geschichte wäre es, wenn es sich als Folge des Herumeierns von Kern in Sachen FPÖ am Ende sich für eine blau-rote Koalition mandatsmäßig gar nicht mehr ausgehen sollte …

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