Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Dieses war der erste Fehler

Sebastian Kurz hat vollkommen recht, dass er mit einer ganz auf seinen Namen abgestimmten Liste in die Wahlen gehen will, auch wenn sich manche darüber mokieren. Dafür hat er mit einer anderen seiner Bedingungen – die er zur Voraussetzung seiner Wahl zum ÖVP-Obmann macht – seine erste große Dummheit begangen. Über die sich vor allem die Freiheitlichen freuen können.

Fangen wir mit dem Positiven an: Dass die Listenbezeichnung ganz auf Kurz abgestimmt sein soll, ist zweifellos taktisch  richtig. Auch wenn nach dem Wahlrecht eindeutig bleiben muss, dass es eine ÖVP-Liste ist, sonst würde sie nämlich auf dem Stimmzettel ganz unten stehen. Aber das Zurückdrängen der Parteibezeichnung ist aus mehreren Gründen sinnvoll:

  1. Denn alle Umfragen zeigen, dass Kurz selbst weit höhere Umfragewerte hat als seine Partei.
  2. Denn schon in der Vergangenheit haben auch etliche ÖVP-Landeshauptleute (vor allem der abgetretene in Niederösterreich) ebenfalls ganz auf ihren Namen abgestimmte Wahlkämpfe geführt, in denen die Partei nicht mehr vorgekommen ist.
  3. Denn weltweit und eindeutig auch in Österreich ist das Ansehen von Parteien auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, sodass man nur noch dann reüssieren kann, wenn man den Eindruck einer möglichst großen Distanz zu den ausgelaugten Altparteien schafft (wie in Frankreich oder Amerika die Präsidentenwahlen, wie von Ungarn bis Italien die Parlamentswahlen gezeigt haben), wenn es um charismatisch verkaufte Führertypen geht.
  4. Denn etliche von Kurz umworbene Kandidaten dürften sich zieren, auf einer Parteiliste zu stehen (auch wenn sie auf einer Kurz-Liste mit Sicherheit noch viel weniger Eigenständigkeit haben werden als auf einer ÖVP-Liste).

In einem zweiten Punkt hat Kurz seiner Partei sogar eher zu weit nachgegeben. Die Kandidatenlisten der Bundesländer sollen nämlich weiterhin von den Landesparteiorganisationen erstellt werden, und Kurz soll nur ein Vetorecht gegen einzelne Kandidaten haben. Das ist ungeschickt, weil die Ausübung dieses Vetorechts immer für viel mehr Bitterkeit sorgen wird, als wenn ein Parteichef von vornherein alle Listen selbst erstellt. So wie es zuletzt etwa Frank Stronach bei seiner Parteigründung getan hat. Und wie es de facto bei den viel zentralistischer aufgestellten Sozialdemokraten und Freiheitlichen schon immer der Fall war. Kurz aber will nur das alleinige Verfügungsrecht über die Bundesliste haben. Das ist jedoch bloß eine kleine Minderheit der Fraktion. Da kann er nicht viel bewegen.

Nachvollziehbar an den Forderungen des künftigen ÖVP-Chef ist, dass er deren Absicherung im Parteistatut verlangt. Sonst geraten Zusagen zu leicht in Vergessenheit. Freilich muss es da zugleich ganz besonders klar bleiben, dass auch Kurz so wie jeder Parteichef demokratisch gewählt werden muss und abgewählt werden kann. Durch einen Parteitag oder durch eine Urabstimmung aller Parteimitglieder. Wäre das nicht gesichert, dann würde die ÖVP ja über Nacht zu einer faschistoiden Führerpartei. Aber danach sieht es nicht aus.

Fraglich ist hingegen, um von einer weiteren Kurz-Forderung zu sprechen, wie er es sich genau vorstellt, dass er alleine die politischen Inhalte vorgeben darf. Das ist zwar im Prinzip natürlich richtig und war etwa auch unter Wolfgang Schüssel oder Bruno Kreisky eindeutige Praxis. Beide haben das aber auf Grund intellektueller Überlegenheit tun können, nicht durchs Statut. Vor allem Schüssel hat den halben Tag ständig mit seinen Ministern und Abgeordneten telefoniert, um wie ein Hirtenhund die Herde beieinander zu halten.

Nur: Was will Kurz mit der zusätzlichen Verankerung im Statut erreichen? Sollen etwa ÖVP-Minister in Interviews oder Parlamentsreden keine eigenständigen Gedanken mehr äußern dürfen? Will Kurz jederzeit über jeden von ihnen drüberfahren können, wie es etwa auch der neue US-Präsident derzeit in einer eher peinlichen Art tut?

Wenn er sich das wirklich so vorstellt, dann wird er bald völligen Stillstand ernten, dann werden die Spitzenleute rings um ihn weit mehr frustriert sein, als wenn sie halt mit dem Trikot „ ÖVP“ ins politische Stadion einlaufen müssten, und nicht mit dem, wo „Kurz“ oben steht. Oder ist Kurz intelligent genug, bald zu erkennen, dass sich auch umgekehrt ein Parteiobmann ständig hinter seine Minister stellen muss, auch wenn die etwas sagen, was er nicht vorher abgesegnet hat?

Anders kann Politik im 21. Jahrhundert nicht funktionieren. Da muss  Kurz noch etliches lernen, aber da kann man durchaus guter Hoffnung sein.

Der wirklich große Fehler seines Forderungspakets ist etwas ganz anderes: Das ist die Forderung nach einem „Reißverschlusssystem“. Das heißt: Jede Kandidatenliste muss von vorne bis hinten nach der Regel Mann-Frau-Mann-Frau oder Frau-Mann-Frau-Mann usw. aufgestellt sein. Das ist gleich aus mehreren Gründen ein schlimmer Unsinn:

  • Damit hat sich Kurz auf ein absolut starres Quotenprinzip festgelegt, das ganz aus dem linken Denken kommt, das für einen großen Teil der konservativen Wähler total unakzeptabel ist, die darauf auch reagieren werden. Was die FPÖ freuen dürfte, Kurz nicht.
  • Damit vertreibt er durch die Vordertür zu Recht den immerhin noch mit etlicher Flexibilität versehenen Proporz zwischen den ÖVP-Teilorganisationen (also den berufsständischen Bünden), und dann führt er durch die Hintertür einen noch viel starreren Geschlechterproporz ein. Da hat wohl die Intelligenz ausgelassen. Da übersieht er, dass eine Bäuerin mit einem Bauern weit mehr Interessen-Gemeinsamkeiten hat als mit einer angestellten Bürofrau.
  • Mit einer solchen Quotenfestlegung hat Kurz auch keinerlei Argumente mehr gegen alle anderen Quotenforderungen, die genauso erhoben werden oder künftig erhoben werden können: Quoten für Moslems, Quoten für jede Alterskohorte, Quoten für Tiroler, Kärntner und Oberösterreicher, Quoten für Nichtakademiker, Quoten für Roma, Quoten für Behinderte, Quoten für Schwule - oder gar für jedes der 60 Geschlechter, die linke Plattformen zu kennen behaupten. Alle fühlen sich benachteiligt, alle können mit dem gleichen Recht wie die Kampffeministinnen sagen: Nur eine Quote sichert unseren Einfluss.
  • Ein starres Reißverschlusssystem kann auch zu der Gefahr führen, dass es zu Vorzugsstimmen-Schlachten zwischen den Geschlechtern kommt.
  • Quoten in der Wirtschaft haben den wirklich guten Frauen sehr geschadet, die das daher auch strikt ablehnen: Denn damit geriet jede von ihnen in den Geruch, bloß eine „Quotenfrau“ zu sein.
  • Wäre ein Geschlechterquotensystem wirklich relevant, um Wahlen zu gewinnen, dann hätten in den letzten zehn Jahren nicht die Freiheitlichen ständig zugewinnen dürfen, die das ablehnen, sondern vor allem die Grünen und die Pinken, die das doktrinär betreiben. Aber gerade die beiden sind ganz eindeutig derzeit im Abstieg – neben dem One-Man-System Stronach (das Kurz ebenfalls, wenn auch bei den anderen Fragen, gleicht…).
  • Das allergravierendste Argument gegen ein solches Reißverschlusssystem hat Kurz erst am Vortag selbst formuliert, als er die Kandidatur der „besten Köpfe“ verlangt hat. Zwischen diesen beiden Prinzipien besteht nämlich ein totaler logischer Widerspruch, den eigentlich ein Mensch mit seiner Intelligenz sofort erkennen müsste. Denn entweder Kurz sucht überall die besten Köpfe, oder aber er legt fest: Wenn auf dem ersten Platz ein Angehöriger des Geschlechts A aufgestellt wird, dann darf auf dem zweiten Platz nur ein Angehöriger des Geschlechts B stehen. Selbst wenn noch so eindeutig ist, dass unter allen in Frage kommenden Kandidaten ein Angehöriger des Geschlechts A der beste vorhandene Kopf wäre. Kurz reduziert damit die Wahrscheinlichkeit, dass ihn wirklich die besten Mandatare umgeben, gleich von vornherein um 50 Prozent.

In welch absurde Abgründe ein solches Quotensystem führt, kann man etwa jetzt schon an der EU-Kommission sehen, die zweifellos die schlechteste seit Bestehen der EU ist. Das kann man aber auch in der Bundesregierung sehen, wo etwa für das Bildungs- oder Familienministerium a priori nur Frauen in die Auswahl gekommen waren, was dort eindeutig zu sehr suboptimalen Besetzungen geführt hat.

Wer hätte gedacht, dass Kurz so rasch in den Dummheiten der Zeitgeist-Politik der letzten Jahre landen würde!

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung