Kritische Anmerkungen zum Tod einer Ministerin
25. Februar 2017 01:52
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 4:00
Da ich zu Lebzeiten der Gesundheitsministerin Oberhauser – im Gegensatz zu fast allen anderen Ministern – meiner Erinnerung nach nie ein negatives Wort über sie gesagt oder geschrieben habe, seien jetzt post mortem einige kritische Erwägungen festgehalten, die sich vom allgemeinen Trauerkanon deutlich unterscheiden.
Dabei geht es gar nicht primär darum, dass das Gesundheitsressort das weitaus unbedeutendste Ministerium dieser Republik ist. Das war aber nicht die Schuld Sabine Oberhausers, sondern ist eine Fehlkonstruktion seit Bruno Kreiskys Zeiten. Er hat zwar zu PR-Zwecken ein eigenes Gesundheitsministerium geschaffen, konnte oder wollte diesem aber keine Kompetenzen geben. Die lagen und liegen weiterhin bei Ländern, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer, Gemeinden und beim Sozialministerium. Nur nicht beim Gesundheitsministerium (oder gar den Ärzten). Dementsprechend schaut das Gesundheitswesen aus, das etwa in Hinblick auf die Primärversorgung jetzt in einem EU-Vergleich besonders schlechte Noten bekommen hat.
Es geht um einige andere Fragen:
- Oberhauser war zwei Jahre lang krank. Sie kämpfte tapfer gegen die Krankheit und hat sicher als Ärztin alle Mittel der Medizin gekannt und einsetzen lassen, bis sie erst wenige Tage vor ihrem Tod die Ressortkompetenz abgegeben hat. Was man sich dabei bitte schon fragen darf: War sie in diesen zwei Jahren voll arbeitsfähig? Oder werden sich jetzt nicht viele Österreicher sagen: „Ministersein ist eh nur ein Halbzeitjob“?
In vielen anderen Berufen muss man sogar bei deutlich reduzierter Arbeitsfähigkeit in den Krankenstand wechseln – als Minister nicht? Auch wenn das Im-Amt-Bleiben vielleicht therapiepsychologisch motiviert war, so sind diese Fragen bei einem so hohen Staatsamt doch mehr als diskussionswürdig. Dass sie nicht diskutiert werden, hängt wohl auch mit Punkt zwei zusammen.
- Das, was sich seit zwei Tagen rund um den Tod der Ministerin abspielt, überschreitet des Öfteren die Grenze der Peinlichkeit. Wer wirklich trauert, sucht eher das Schweigen, als noch selbst weitere Wortspenden zu diesem Tsunami an Betroffenheitsworten beizutragen.
Bisweilen fühlt man sich sogar an Nordkorea erinnert, wo beim Tod eines Diktators jedermann bei sonstiger Strafe verpflichtet ist, durch lautstarke Verzweiflungsrufe und verzweifeltes Haareraufen seine tiefe Trauer auszudrücken – zumindest solange Kameras in der Nähe sind (Diese Regel gilt natürlich nicht, wenn ein rivalisierender Familienangehöriger im Auftrag des amtierenden Herrschers ermordet wird …).
- Ebenfalls nicht diskutiert werden darf die Nachfolge. In Österreich ist offenbar der alte französische Satz „Der König ist tot, es lebe der König“ ungültig.
Hier sei es dennoch getan: Wenn man keine Verfassungsänderung zusammenbringt – was mangels Vorarbeiten, fehlender Ideen und noch mehr fehlender gemeinsamer Visionen total auszuschließen ist –, dann wäre es am besten, das Ressort zuzusperren. Aber das geht auch nicht, weil es nicht gut ankommt – die Wähler könnten ja glauben, dass man ohne Minister krank wird –, und weil dann die Proporz-Symmetrie in der Regierung kaputt wäre.
Daher bleibt nur eine einzige gute Lösung über: Man macht den weitaus schwächsten Mann der Regierung wieder zum Gesundheitsminister. Dort kann er nichts anstellen und die Optik bleibt gewahrt, dass Oberösterreich und der Gewerkschaftsbund „ihren“ Minister behalten.
Aber als Sozialminister sollte man dringend jemanden anderen suchen, der reformfähig und dynamisch ist, der begriffen hat, dass Österreich ohne Lösung der Probleme bei der Mindestsicherung, beim frühem Pensionsantrittsalter, bei den Lohnnebenkosten und bei einem Krankenversicherungssystem ohne Wettbewerb und Eigenverantwortung krachend gegen die Wand donnern muss.
Wegen des spezifischen Frauen-Problems beim Pensionsantrittsalter sollte es auch eher eine Frau sein. Wohlgemerkt aus inhaltlichen Gründen (eine Frau könnte glaubwürdiger die Notwendigkeiten klarmachen),und nicht wegen eines doofen Geschlechterproporzes (auf eine Frau müsse immer eine Frau nachfolgen ...).
Freilich: Ist eine Person, auf die diese Beschreibung zutrifft und die auch noch irgendwie die richtige Parteifarbe hat, überhaupt schon geboren? Schwierig. Aber vielleicht erkennt Christian Kern wenigstens die Chance, endlich auch zu gestalten und nicht nur PR zu machen.
PS:Übrigens war Oberhauser auch Frauenministerin. Und da war sie unter allen Ministerinnen der letzten Jahrzehnte die weitaus vernünftigste und unaufgeregteste. Das war wohltuend. Auch wenn die Existenz eines solchen Ministeriums jedenfalls ein überflüssiger Unsinn oder zumindest eine ungerechtfertigte Asymmetrie ist (denn wenn es schon ein Frauenministerium gibt, müsste es nämlich angesichts vieler Benachteiligungen auch ein Männerressort geben).
PPS: Im allgemeinen Oberhauser-Trauer-Zerknirschen hat wieder einmal der ORF den Vogel an Peinlichkeit abgeschossen. Er behauptete in der ZiB, dass Oberhauser „für alle Krebsleidenden“ ein „Vorbild“ sei. Schluck. Schaltet da irgendjemand in diesem Sender wenigstens hie und da ein Hirn ein? Krebsleidende suchen in ihrem Kampf nämlich viele Vorbilder – aber sicher nicht jemanden, der in diesem Kampf unterliegt. Und sie tun dies durchaus zu Recht: Überleben doch schon mehr als 50 Prozent eine Krebserkrankung länger als fünf Jahre.