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SPÖ, die Umfallerpartei – SPD, die Hetzerpartei - Kurz in Nöten

Gleich zwei Äußerungen sozialdemokratischer Spitzenpolitiker aus den letzten Stunden sind erschütternd und vor allem demaskierend. Die eine stammt vom heimischen SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern, die andere vom stellvertretenden Vorsitzenden der SPD, Ralf Stegner. Beide Äußerungen kommen also aus Ländern, wo die einst großen Sozialdemokraten in einer Koalition mit den einst großen bürgerlich-christdemokratischen Volksparteien sitzen. Das müsste also eigentlich (auch) die Bürgerlichen zu Stellungnahmen zu ihrem Koalitionspartner veranlassen, da dessen Äußerungen ja total konträr zu ihrer eigenen Haltung sind. Würde man zumindest glauben (Mit nachträglicher Ergänzung).

Kern hat mit einer überraschenden wie erstaunlichen Erklärung die wichtigste identifizierbare Position der österreichischen Außenpolitik der letzten Zeit zum Einsturz gebracht. Diese bestand eindeutig im Veto gegen die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei. Mit diesem Veto hat Österreich zwar im Grunde nichts anderes gemacht, als den Standpunkt des Europäischen Parlaments auf der Ebene des EU-Rates – also jener der Regierungen – zu vertreten (und als den Standpunkt der großen Mehrheit der europäischen Bevölkerung). Dennoch geht Kern jetzt davon ab.

Er hat diese Position vom Tisch gewischt, ohne dass es dazu eine Willensbildung in Regierung oder Parlament gegeben hätte. Er hat damit Außenminister Kurz desavouiert, der noch wenige Tage davor im Außenministerrat ein Weitergehen der Beitrittsgespräche durch sein Veto verhindert hat. Kern hat diese Linie bisher auch selbst immer öffentlich unterstützt.

Jetzt jedoch sagt Kern plötzlich: Es sei „kein Signal der Stärke, auf Dauer Blockadeübung zu betreiben“. Es gelte „Mehrheiten zu finden“. Solange das nicht gelingt, „haben wir die europäische Situation zur Kenntnis zu nehmen“. Und: Man habe „zu akzeptieren, wie die Situation ist. Das haben wir auch in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.“

Deutlicher geht Einknicken nicht mehr, auch wenn es manche Kern-nahe Medien verwischen wollen,weil Politiker ja Haltungsänderungen nie gerne zugeben. Freilich wollen sie dann immer sagen, sie hätten das (wo sie früher das Gegenteil gesagt haben) eigentlich immer schon gesagt.

Aber die zitierten Sätze des Bundeskanzlers sind jetzt schon eindeutig. Sie heißen: Österreich gibt seine Haltung auf. Der Kanzler fürchtet sich schon vor dem EU-Gipfel, dort allen zu stehen. Österreich beugt sich (ohne rechtliche Notwendigkeit) der Mehrheit. Kern akzeptiert, was die Mehrheit will. Die Ablehnung eines türkischen Beitritts war ohnedies nur eine „Übung“.

Wir lernen: Das bei einstimmigen Entscheidungen der EU bestehende Vetorecht, das den Österreichern von der Regierungspropaganda immer als zentraler Eckpfeiler der nationalen Souveränität verkauft worden ist, wird von Kern bei der leisesten Kritik aus Deutschland – und bei lautem Kettengerassel aus der Türkei – weggeworfen.

Das nennt man wirklich einen Politiker mit Charakter und Standfestigkeit! So leicht ist nicht einmal ein Werner Faymann umgefallen. Kern fällt dabei nicht einmal auf, wie lächerlich er damit Österreich macht.

Die ÖVP wird nun nicht umhin können zu erklären, ob diese 180-Grad-Änderung im koalitionären Konsens erfolgt ist oder nicht. Denn Kern kann das rechtlich nicht im Alleingang tun, sondern braucht zumindest die stillschweigende Zustimmung der ÖVP. Das Verhalten jedes Regierungsmitglieds in einem EU-Rat kann ja gemäß Artikel 23f der Verfassung durch eine Parlamentsmehrheit auch gegen dessen Willen festgelegt werden.

Meine Vermutung: Kern hat diese Zustimmung insgeheim von Vizekanzler Mitterlehner auch wirklich bekommen, wenngleich dieser viel zu feig ist, um das öffentlich zu sagen. Ein solcher geheimer Konsens würde erstens der ständigen Linie des Mitterlehner-Nachgebens in der Regierung entsprechen. Das würde zweitens Außenminister Kurz in eine unmögliche Position manövrieren. Was für Mitterlehner wohl noch wichtiger ist, denn dieser ist in Mitterlehners Sicht ohnedies längst der einzige wirkliche Feind.

Kurz hat in den letzten Tagen öffentlich und konsequent im EU-Rat Beitrittsverhandlungen mit der Türkei blockiert. Jetzt glaubt die Regierungsdoppelspitze, ihn in die Enge getrieben zu haben – sofern nicht Kern seiner 180-Grad-Wende gleich wieder eine neuerliche folgen lässt, dass alles nicht so gemeint war, wie es gesagt worden ist; und sofern nicht Mitterlehner doch noch den Außenminister öffentlich unterstützt. Tritt aber, wie anzunehmen ist, beides nicht ein, dann hat Kurz nur noch die Alternative: Entweder er schluckt die hinter seinem Rücken erfolgte Richtungsänderung und verliert damit dramatisch an Ansehen, weil er ja von Bundes- und Vizekanzler öffentlich zum Wurschtel gemacht worden ist. Oder aber er tritt aus Protest zurück.

Beides dürfte Mitterlehner nur recht sein. Wobei er freilich übersieht, dass ein Kurz-Rücktritt in der Volkspartei einen Atomkrieg und einen Kampfparteitag auslösen wird, bei dem er selbst wohl untergehen dürfte. Kann er das wirklich gewollt haben? Oder ist er zu kurzsichtig, um das zu begreifen?

Für den Beobachter wird es jedenfalls in der ÖVP extrem spannend.

Islamkritiker sind für die SPD geisteskrank

Kehren wir zurück zu den Sozialdemokraten, wechseln aber vom österreichischen Umfaller Kern zum deutschen Hetzer Stegner. Dieser hat jetzt in der Huffington Post folgenden ungeheuerlichen Satz gesagt: „Wer vor der Islamisierung Deutschlands warnt, braucht medizinischen Rat, keinen politischen.“

Dieser Satz bedeutet nicht nur, dass Stegner kein Problem mit der ja unbestreitbar stattfindenden Islamisierung hat. Das bedeutet nicht nur, dass die Sozialdemokraten einem demokratischen Diskurs aus dem Weg zu gehen versuchen, indem sie Andersdenkende a priori für wahnsinnig erklären möchten. Das bedeutet vielmehr auch die eindeutige Hinwendung zum totalitären Denken.

Denn sowohl Nazis wie Kommunisten haben politisch Andersdenkende des Öfteren nicht nur verfolgt, sondern auch für geisteskrank erklärt und zwangspsychiatriert. Argumentationen wie jene des Herrn Stegner öffnen diesem Weg Tür und Tor.

Jetzt darf man darauf warten, dass es auf der Linken Menschen mit Anstand, Moral und Mut gibt, die endlich laut und öffentlich sagen: Das geht zu weit!

Ich fürchte, dieses Warten wird vergeblich sein. Man hat ja auch europaweit kein einziges sozialdemokratisches Wort der Kritik daran gehört, dass etwa die rumänischen Sozialisten als Wahlsieger einen zu zwei Jahren bedingter Haft Vorbestraften zum Ministerpräsidenten machen wollen. Was wirklich ein einmaliger Vorgang in Europa wäre. Was wirklich alle Bemühungen, die Korruption in den Balkanstaaten zumindest einzubremsen, ein für allemal beenden würde.

Noch widerlicher ist nur noch die Doppelbödigkeit, wenn sich die gleichen Sozialdemokraten ständig voll Heuchelei über Polen und Ungarn, über die österreichischen Freiheitlichen und die amerikanischen Republikaner moralistisch empören.

Nachträgliche Ergänzung: Während Kern die oben im Wortlaut zitierten Aussagen vor dem Gipfel gemacht hat, klang er nach diesem schon wieder ganz anders. Und er stellte sich wieder voll hinter das Veto. Dieses Zickzack scheint damit zusammenzuhängen, dass Kern vor dem Gipfel Angst hatte, Österreichs Haltung rechtfertigen zu müssen; auf dem Gipfel dominierten aber andere Themen (Syrien). Daher war er nachher wieder auf der alten Linie, von der er weiß, dass die Bevölkerung sie so will.

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