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Der Denkfehler des VfGH

Auf den ersten Blick amüsant, auf den zweiten aber durchaus problematisch ist ein scheinbarer Randaspekt der Verfassungsgerichtshofs-Entscheidung. Der Gerichtshof hat allen Behörden verboten, künftig Teilergebnisse von Wahlen zu kommunizieren. Dieses Verbot ist von dem – bisweilen mit dem Hochdeutsch ringenden – VfGH-Präsidenten zwar mit starken Worten vorgetragen worden. Die Folgen eines solchen Verbots sind aber offenbar von den Höchstrichtern nicht durchschaut worden.

Künftig darf die Behörde vor Schluss des letzten Wahllokals die Medien nicht einmal vertraulich über fertig ausgezählte Teilergebnisse informieren. Das klingt sinnvoll, ist es aber nicht. Wobei es mir keineswegs um die Interessen der Medien geht.

Zuerst der hinter dem VfGH-Auftrag stehende Gedankengang: Was in Österreich als geheim gilt, wird oft besonders schnell bekannt. Von Kurt Jeschko bis Erwin Pröll sind es gerade die interessantesten Gschichterln – ob wahr oder unwahr –, die jedermann ohne Veröffentlichung in irgendeinem Medium raschest kennt. Im Zeitalter der sogenannten sozialen Netze geht das noch rascher als in Zeiten bloßer Mundpropaganda.

Auch die zweite Etappe der Überlegungen des VfGH mag richtig sein, nämlich dass es Fälle gibt, wo Menschen als Reaktion auf die ersten „geheimen“ Hochrechnungen ihre Stimmentscheidung noch ändern.

Gewiss waren diese frühzeitigen Informationen für Hochrechner und unter Produktionsstress stehende Zeitungsmenschen immer sehr hilfreich. Aber dem Gerichtshof ist zuzustimmen, dass diese Vorteile es nicht wert wären, eine eventuelle Beeinflussung der Wähler durch vorzeitige Informationen zu verhindern.

Dennoch muss man sich wundern, warum das jetzt plötzlich zu einer Verfassungswidrigkeit geworden ist. Diese frühzeitigen Informationen sind ja schon jahrzehntelang Praxis. Es gibt auch etliche andere Länder etwa mit unterschiedlichen Zeitzonen, wo die ersten Ergebnisse ausgezählt und bekannt sind, während anderswo noch gewählt wird.

Jahrzehntelang ist auch keine Partei, kein Spitzenjurist im Dienste einer Partei, keiner der sonst so redefreudigen Verfassungsjuristen auf die Idee gekommen, deswegen Wahlen anzufechten oder für rechtswidrig zu erklären. Eben weil keiner das Bekanntwerden von Teilergebnissen als verfassungswidrig angesehen hat. Erst jetzt, als die FPÖ-Anwälte alles zusammengekratzt haben, um die Wahl anzufechten, ist das als Verfassungswidrigkeit behauptet worden. Und der Gerichtshof ist darauf hereingefallen.

Denn, was der VfGH völlig übersieht, so ein Verbot ist sinnlos: Auch die Parteien kennen ja über ihre Vertreter in den Wahlkommissionen die gleichen Zahlen, die das Innenministerium unter Sperrfrist bisher laufend bekanntgegeben hat. Die Parteien können jedoch nicht daran gehindert werden, selbst vorzeitig Zahlen weiterzugeben, selbst Hochrechnungen zu machen, oder gar zu ihren Gunsten gefärbte Daten hinauszuspielen.

Das haben einst die Parteien auch immer alle gemacht. Erst als das Innenministerium diese Kommunikationsaufgabe selbst immer besser erledigt hat, haben sich die Parteien das zunehmend erspart.

Das heißt: Die vom VfGH vermutete Beeinflussung der „Wahlfreiheit“ später Wähler durch frühzeitig bekannt werdende Ergebnisse kann durch diese Geheimhaltungs-Anordnung nicht gestoppt werden.

Diese Frage ist keineswegs nur die Bagatelle einer juristischen Sinnlosigkeit in einem von sinnlosen Normen nur so strotzenden Land. Im Gefolge der Entscheidung könnte es jetzt sogar zu tagelanger Ungewissheit über ein Wahlergebnis kommen. Denn der Innenminister hat nun klargemacht, dass es auch bis Dienstag dauern kann, bis das Ministerium irgendetwas bekanntgibt.

Das ist nun wirklich lang. Das ist auch keineswegs ungefährlich. Das lehrt ein Blick in jene Länder, wo tagelang überhaupt nichts Offizielles bekanntgegeben wird, wo eben bis zur letzten in aller Ruhe ausgezählten Stimme offizielles Schweigen herrscht. Aber diese Zeit der Ungewissheit hat schon in vielen Ländern zu explosiven Zuspitzungen geführt. Denn oft haben sich unter Berufung auf irgendwelche nicht nachkontrollierbare Teilergebnisse beide Seiten zu Siegern erklärt. Das hat wiederum auf beiden Seiten die Anhänger sehr scharf emotionalisiert. Wenn dann am Ende doch eine Seite als Sieger verkündet wird, ist die andere Seite automatisch mit dem Ruf „Wahlbetrug!“ zur Hand. Das führt bisweilen zu bürgerkriegsähnlichen Explosionen.

Ob der Verfassungsgerichtshof all das bedacht hat? Ich zweifle. Dabei hätte der VfGH die Wahl auch ohne diese merkwürdige Geheimhaltungsidee aufheben können. Die letztlich ein unwirksamer Unsinn ist.

Wollte das Höchstgericht wirklich jede Beeinflussung von Wählern durch Ergebnis-Bekanntgaben verhindern, dann gäbe es nur eine Möglichkeit: Alle Wahllokale müssen bis zum gleichen Zeitpunkt offen haben. Da werden sich dann zwar in Vorarlberg und diversen Kleingemeinden viele Wahlzeugen und Beisitzer nachmittags furchtbar langweilen. Aber nur so wäre diese Beeinflussung der Wählerfreiheit, aber auch die Möglichkeit einer Verbreitung von  falschen Wahlergebnissen wirklich ausschaltbar.

Aber soweit hat das Gericht offenbar nicht gedacht. Obwohl es sich bei einer anderen Uhrzeit-Frage durchaus als paragraphenreiterisch penibel gezeigt hat: Indem es jetzt ja sehr formalistisch durchsetzt, dass österreichweit alle Wahlkarten erst ab Montag, neun Uhr gezählt werden dürfen.

Bei dem einen Uhrzeit-Thema ist das Gericht penibel, beim anderen schludrig. Es wäre wohl vergeblich, dahinter so etwas wie Logik zu suchen.

 

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