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Griss: Die einzige Chance für Österreichs Linke

Irmgard Griss tritt um das Amt des Bundespräsidenten an. Das ist eine der interessantesten Kandidaturen der Nachkriegszeit. Denn damit tritt erstmals jemand mit guten Chancen an, der nicht Kandidat einer Partei ist. Das entspricht ganz dem katastrophal gesunkenen Ansehen der etablierten Politik und Parteien. Das Vertrauen der Menschen zu ihnen ist so niedrig wie noch nie in diesen 70 Jahren. Die Kandidatur der bürgerlichen Griss erhöht aber skurrilerweise zugleich die Chance, dass Österreich abermals einen linken Bundespräsidenten bekommt.

Das wird vor allem von den Entscheidungen bei ÖVP und FPÖ abhängen. Diese halten sich zwar beide noch bedeckt. Aber die Stimmung scheint da wie dort zunehmend eine eigene Kandidatur zu wünschen. Wenn beide wirklich selbst Kandidaten aufstellen, dann könnte es jedoch zu der verblüffenden Situation kommen, dass trotz einer deutlich nichtlinken Wähler-Mehrheit im ersten Wahldurchgang dann im zweiten nur noch ein roter und ein grüner Kandidat zur Auswahl stehen.

Dann hätten alle nichtlinken Wähler nur noch die Wahl zwischen Scylla und Charybdis, etwa zwischen den Herren Hundstorfer, einem Exponenten des Steinzeit-Gewerkschaftismus, und Van der Bellen, einem netten und sympathischen, aber in allen gesellschaftspolitischen Fragen sehr weit links stehenden Mann, der überdies seit Jahren vor allem die persönliche Ruhe und Bequemlichkeit schätzt.

Wenn alle vier größeren Parteien tatsächlich einen Kandidaten aufstellen, könnte das Ergebnis des ersten Wahlgangs durchaus in etwa so ausschauen:

  1. SPÖ-Kandidat 22 Prozent,
  2. Grün-Kandidat 21 Prozent,
  3. Irmgard Griss 20 Prozent,
  4. FPÖ-Kandidat 19 Prozent,
  5. ÖVP-Kandidat 18 Prozent.

Gewiss wird das Ergebnis nicht auf den Prozentpunkt so sein. Gewiss könnten noch ein paar Promille einem weiteren, eventuell antretenden Zählkandidaten zugute kommen. Aber die Reihenfolge des Zieleinlaufs (wer auch immer die aufgestellten Personen letztlich sein werden) könnte mit etlicher Wahrscheinlichkeit so oder so ähnlich aussehen. Und dann heißt es eben in der zweiten Runde Rot gegen Grün.

Manche Umfragen deuten derzeit ja sogar auf ein viel besseres Ergebnis für Griss hin. Aber das heißt derzeit noch gar nichts. Vor allem ist ja noch nicht wirksam, was die Schmutzkübelkapazität der Parteien und die Mobilisierungskraft ihrer Apparate letztlich doch noch immer vermögen.

Man sollte auch nicht vergessen, wozu die bestochenen Medien, vor allem die auf dem Wiener Boulevard im Endspurt eines Wahlkampfs noch immer imstande sind. Die Zeiten Hans Dichands sind eben vorbei, in denen der Kronenzeitungs-Gründer jetzt mit Sicherheit eine flammende Kampagne für Griss gestartet hätte (auch deshalb, weil sie so wie Dichand aus der Steiermark kommt). Statt dessen liebt man es heute dort, auf dem Schoß des SPÖ-Obmannes zu sitzen und fette Inseratenumsätze zu kassieren (siehe auch die blitzschnelle Suspendierung des steirischen Krone-Chefredakteurs wegen eines immigrationskritischen Kommentars, die der Krone sehr geschadet hat, aber ganz auf SPÖ-Linie liegt).

Ein peinlicher Ausschuss

Die Schmutzkübelkapazität der etablierten Parteien konnte man schon daran sehen, wie in den letzten Tagen das Thema „Protokolle der Griss-Kommission“ zum Skandal hochgerissen worden ist. Und wie sehr bei dieser Lächerlichkeit etliche Medien mitspielen.

Tatsache ist freilich, dass die Griss-Kommission durch die Vertraulichkeit ihrer Gespräche und Recherchen zum Hypo-Skandal weit mehr an Substanz und Relevanz zustandegebracht hat, als der in aller Medienöffentlichkeit (um nicht zu sagen: Mediengeilheit) agierende Parlamentsausschuss mit seinen sich in unwichtige Details verzettelnden Abgeordneten. Zur Vertraulichkeit gehört eben auch, dass nachher keine schriftlichen Unterlagen über die Gespräche kursieren können.

Es ist übrigens auch eher peinlich für die Abgeordneten, dass sie jetzt erst draufkommen, dass sie diese Gesprächsprotokolle gerne hätten. Was deren Unfähigkeit zur eigenen Sachrecherche beweist (sie waren ja jetzt nicht einmal imstande, den Hypo-Finanzminister Pröll ins Schleudern zu bringen). Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass das Fehlen und die Vernichtung dieser Unterlagen überhaupt erst in den letzten Tagen zum Thema geworden ist, da sich die Griss-Kandidatur zur Gewissheit verdichtete. Ein wenig allzu durchsichtig.

Beim Stichwort „Schmutzkübel in Präsidenten-Wahlkämpfen“ fällt einem natürlich auch immer ein, wie stinkend die Jauche war, mit der die SPÖ einst 1986 den in jeder Hinsicht harmlosen Kurt Waldheim übergossen hat.

Das Amt aber ist keineswegs so unbedeutend und machtlos, wie es nach außen scheint. Das wissen die Parteien genau und sie kämpfen deshalb meist sehr erbittert darum. Bundespräsidenten haben hinter den Kulissen schon öfters der Regierung den Weg gewiesen (oft zum Zorn der ÖVP). Von Botschafter- über Minister- bis zu Schuldirektoren-Ernennungen sind schon viele an einem Veto aus der Hofburg gescheitert. Insbesondere in den Jahren Heinz Fischers.

Keine Frau für Genderistinnen

Wäre Griss eine gute Bundespräsidentin? Mit Sicherheit ja. Dabei ist die Tatsache, dass sie die erste Frau in diesem Amt wäre, der allernebensächlichste Aspekt. Das ist nur noch für Menschen wichtig, die geistig das eine oder andere Jahrhundert zurück sind. Amüsant wird jedoch schon sein, ob die Berufs- und Kampffeministinnen, die sonst jede noch so unbedeutende Professoren-Berufung mit angeblichen Gender-Argumenten unendlich lange verzögern, irgendein Engagement für Griss zeigen werden. Ich nehme an: Nein.

Griss hat in ihren Interviews bisher intelligent, souverän, offen und doch herzlich geantwortet. Juristisch ist sie ihren etwaigen Konkurrenten ohnedies mit Sicherheit überlegen. Und vor allem steht sie geistig fest im konservativ-bürgerlichen Milieu.

Dennoch teile ich die mancherorts herrschende Griss-Euphorie nicht ganz. Aus mehreren Gründen.

  • Es ist gut, dass Griss nicht parteipolitisch verankert ist, aber es ist noch sehr offen, ob sie politisch versiert genug ist. Und das muss man in diesem Job sehr wohl sein. Sie hat da jedoch keinerlei Erfahrung.
  • Sie dürfte die kleine städtische Bobo-Blase, die sich selbst für intellektuell und wichtig hält, ein wenig mit der wirklichen Bevölkerung verwechseln. Dafür spricht etwa, dass sie ihren ersten Auftritt bei den Neos hatte, und dass sie ihr bisher größtes Interview ausgerechnet im Falter gegeben hat.
  • Der Wahlkampf ist noch lang, und da ist noch viel Zeit, um irgendwo aufs Glatteis geführt zu werden (so primitiv wie im „Falter“ wird das nicht immer versucht werden).
  • Sie hat viel weniger Geld als die Parteien, was denen in der Schlussphase des Wahlkampfs einen starken Werbedruck ermöglichen wird.
  • Sie hat auch kein sonderlich gutes Beraterteam um sich. Da sind allzusehr die Hyänen der politischen Szene unterwegs, nämlich die angeblich professionellen Politikberater, die um viel Geld schon den auf Wolfgang Schüssel folgenden ÖVP-Chefs viele falsche Ratschläge gegeben haben (und die auch nur ein mittelprächtiges Kandidatur-Video für Griss geschafft haben).
  • Sie (oder eben diese wenig professionellen Berater) hat auch für die Bekanntgabe der Kandidatur eine Zeit gewählt, wo von vornherein klar war, dass eine Fülle anderer Nachrichten wenig Platz für die Griss-Ankündigung lassen wird (Pröll im U-Ausschuss, EU-Gipfel, Putin-Jahrespressekonferenz, Obama-Weihnachtspressekonferenz).

Andererseits hat sie noch absolut nichts gesagt, was sie bei FPÖ- und ÖVP-Wählern untragbar machen würde. Sie hat die FPÖ sogar im Falter deutlich verteidigt und lediglich deren bisweilen ungutes Vokabular kritisiert. Sie stammt soziologisch und emotional aus der Mitte der ÖVP-Stammwählerschaft. Sie hat aber zu Recht kritisiert (was natürlich manchen in der ÖVP wehtut), dass bei der Hypo viele teure Fehler erst nach der umstrittenen Verstaatlichung der Problembank gemacht worden sind, also unter der Verantwortung von ÖVP-Finanzministern.

Ihre bisherigen Äußerungen zur Causa prima, also zur islamischen Völkerwanderung, positionieren sie irgendwo zwischen ÖVP und FPÖ (auch wenn sie noch nicht voll mitgekriegt hat, welche Wahlchancen ihr der Wunsch von zwei Dritteln der Österreicher gäbe, die Grenze für die Migranten komplett zu schließen). Ebenso tut das etwa die Tatsache, dass sie ganz auf der Linie dieser beiden Parteien klare Argumente gegen die Gesamtschule formuliert hat (die bei der ÖVP allerdings nur noch zu 85 Prozent Linie ist).

Damit steht sie auch konträr zu den Gemeinschaftsschul-Fanatikern bei den Neos. Diese haben aber dennoch als erste offiziell ihre Unterstützung für Griss erklärt. Die Neos wissen freilich, dass sie mit einem eigenen Kandidaten keine Chance hätten. Sie versuchen daher – taktisch richtig – im Griss-Kielwasser auch während der einzigen Wahl des Jahres politisch irgendwie präsent zu bleiben.

Nervenkrieg zwischen ÖVP und FPÖ

Sowohl ÖVP als  auch FPÖ wären jedenfalls gut beraten, Griss keinen eigenen Kandidaten gegenüberzustellen. Es gibt für beide Parteien an ihr nichts absolut Inkompatibles. Eigentlich sollte es beiden lieber sein, dass eine unabhängige Bürgerliche in der Hofburg einzieht als ein ihnen feindlicher Linker. Aber genau das riskiert man eben durch eine eigene Kandidatur.

Aus dieser Erkenntnis heraus könnte es aber in den nächsten Wochen auch zu einer taktischen Nervenprobe kommen, wenn Schwarz wie Blau jeweils warten, was die andere Rechtspartei tut. Stellt die andere Partei nämlich zuerst einen eigenen Kandidaten auf, könnte man dann eventuell doch noch selbst darauf verzichten und hätte dann mit Griss indirekt ganz gute eigene Aussichten, am Sieg zu partizipieren.

Es spricht nur ein Aspekt dagegen: Griss hat weder blauen noch schwarzen Stallgeruch. Sie ist keine „von uns“. Und offenbar ist ein solcher Stallgeruch noch immer wichtiger als die parteiferne Unabhängigkeit, die ein Bundespräsident haben sollte. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob er den beiden Parteien auch wichtiger ist als die Chance, endlich einen bürgerlichen Bundespräsidenten zu bekommen. Dabei müssten sie längst wissen, dass in den Nasen der großen Mehrzahl der Wähler nichts unerwünschter ist als ein solcher Parteigeruch.

PS: Wie brutal die Methoden der Macht gegen einen Außenseiter-Kandidaten in Wahlkampfzeiten sind, hat die „Zeit im Bild“ an dem Tag gezeigt, da die Griss-Kandidatur bekannt geworden ist. Diese wurde im hinteren Teil der Sendung nur knapp mitgeteilt und in den Schlagzeilen überhaupt nicht erwähnt – während etwa eine Theaterpremiere ein Vielfaches an Zeit bekommen hat. Der weitaus größte und erste Bericht überhaupt wurde einer neuerlichen Wiederholung der eher lächerlichen Ankündigung des SPÖ-Chef gewidmet, dass die Osteuropäer künftig weniger EU-Geld bekommen werden, wenn sie keine „Flüchtlinge“ übernehmen. Diese Drohung ist ja nicht nur deshalb irrelevant, weil sie der EU-Kommissions-Präsident zurückgewiesen hat, sondern auch weil das EU-Budget bis Ende des Jahrzehnts fixiert ist. So weit ich es überblicke, hat keine einzige Zeitung diesen Faymann für wichtiger genommen als Griss. Aber im ORF ist eben alles wichtiger als eine bürgerliche Kandidatin (oder ein Ex-ÖVP-Chef vor dem U-Ausschuss, der sich weit besser hielt, als von seinen Gegnern erhofft; und über den deshalb ebenfalls nur sehr kurz berichtet wurde).

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