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Budgetrede als Offenbarungseid

Ist eine neue Regierung im Amt? Nach allem was ich weiß: Nein. Aber nur dann wäre die Budgetrede des Finanzministers nicht das, was sie ist: ein Offenbarungseid.

Rot-Schwarz regieren seit fast zehn Jahren. Österreich war zu Beginn ihrer Machtperiode in praktisch allen Vergleichswerten international im absoluten Spitzenfeld. Und jetzt stellt sich der Finanzminister der rotschwarzen Regierung hin und gibt offen den steilen Abstieg zu, das Versagen der Regierung in diesen zehn Jahren. Daran ändert es nichts, dass er das mit dem üblichen Politikerschmäh macht: Aber ab jetzt werde alles wieder gut.

Wer wörtlich „den ersten Schritt hinaus aus dem Mittelfeld“ ankündigt, der sagt damit, dass Österreich jetzt nur noch im Mittelfeld liegt; und dass die Regierungen der letzten Jahre nicht einmal einen „ersten(!) Schritt“ aus dem Mittelfeld heraus gesetzt haben. Die gleiche Botschaft transportiert die Formulierung von „Österreich wieder an die Spitze bringen“. Damit sagt erstmals ein Minister: Österreich war einmal Spitze und ist nicht mehr dort. Und mit noch einem Finanzminister-Zitat: "Mit der Regionalliga Ost sollten wir uns nicht zufriedengeben."

Auch wenn Hans Jörg Schelling es nicht wörtlich sagt, ist zwingend klar: Es waren die Jahre des heute (angeblich) noch amtierenden Bundeskanzler-Darstellers, die für diesen Absturz von der Spitze verantwortlich sind.

Fast noch krasser ist das, was Schelling in seiner Budgetrede wörtlich sagt. Etwa: „Jeder Tag, an dem der Staat und seine Leistungen nicht in Ordnung gebracht werden, ist ein verlorener Tag.“ Das ist zwar längst jedem vernunftbegabten Österreicher klar (das stand auch in diesem Blog schon dutzende Male). Aber aus dem Mund eines Ministers einer seit fast zehn Jahren amtierenden Koalition ist das ein ungeheuerlicher Offenbarungseid: Dieser Staat ist „nicht in Ordnung“!!

Schelling beschreibt auch, wie das ständige Versagen läuft: „Wir müssen Resultate liefern und nicht nur Ankündigungen.“ Auch das ist völlig richtig – sofern man hinzufügt, das müssen auch gute und sinnvolle Resultate sein. Und nicht ein Steuerpaket mit gewaltigen neuen Belastungen und Schikanen. Und nicht eine Reaktion auf die neue Völkerwanderung, die heute zu Europas offensten und (nach Mazedonien und Kroatien) am schlechtesten kontrollierten Grenzen geführt hat. Und nicht eine Außenpolitik, in der der Regierungschef grundlos den Regierungschefs eines Nachbarlands beleidigt. Und nicht eine Bankenpolitik, in der man die österreichischen Banken mit weit höheren neuen Steuern an den Rand der Rentabilität treibt, als Banken etwa in Deutschland zu zahlen haben, aber dann laut über das Bankenpaket klagt (nicht zuletzt weil man so blöd war, sich von Bayern eine Pleitebank andrehen zu lassen). Und nicht ein Bildungspaket, welches das Beste am heimischen Schulwesen, die leistungsorientierten Gymnasien, zertrümmern will. Und nicht ein Haus der Geschichte, das ein absurdes Hitler- und Sozialdemokratie-Museum wird.

Der Hauptschuldige am Totalversagen dieser Regierung war krankheitsbedingt abwesend (ich würde auch krank, wenn ich als Parteichef in meiner eigenen Partei auf so viel Verachtung stieße). Bezeichnenderweise saß genau jener Mann während der Budgetrede im Parlament auf Faymanns Platz, der in der regierungsinternen Schuldigenliste an zweiter Stelle liegt: Sozialminister Hundstorfer. Er verantwortet den katastrophalen Zustand des Pensionssystems, der zweifellos schwersten Zukunftslast Österreichs; er verantwortet aber auch die meisten der Schikanen, Vorschriften und Kontrollen, die es immer unattraktiver machen, in Österreich Unternehmer zu sein. Obwohl man keine Jobs findet.

Selbstverständlich gibt es auch außerhalb der Regierung eine lange Schuldigenliste: Gewerkschaft, Kammern, falsche Föderalismus-Konstruktion usw.

Aber heute bleiben wir bei Regierung und Koalition. Gerade weil Schelling so viele richtige, wenn auch deprimierende und für Rot-Schwarz beschämende Sachen gesagt hat, stellt sich unweigerlich die allerwichtigste Frage – die freilich an seine eigene Partei zu stellen wäre: Wieso bleibt die ÖVP auch nach zehn Jahren noch immer in einer Koalition mit einer offensichtlich alle Notwendigkeiten verkennenden SPÖ? Warum sagt sie nicht: "Als Wasserträger eines devastierenden Linkspopulismus stehen wir nicht zur Verfügung"? Warum sagt sie nicht wenigstens: „Mit den Herrn Faymann und Hundstorfer, die dieses Land als Wurmfortsatz des Gewerkschaftsbundes regieren wollen, geht’s einfach nicht“?

Das denkt sich zwar jeder schwarze Politiker. Das sagt aber keiner.

Statt dessen hat Schelling einem der letzten Eckpfeiler seiner eigenen Partei öffentlich den Kampf angesagt, nämlich den Bundesländern. Er will diese nach 41 Jahren Verhandlungen auch gegen deren Willen zu einer einheitlichen Buchhaltung zwingen. Auch das ist gewiss ein übler Missstand und gehört beseitigt. Aber es ist nur ein Missstand der dritten Dringlichkeitskategorie. Vor allem, solange sich der Bund nicht durchringt, die Pleite eines Bundeslandes auch wirklich einmal wirksam werden zu lassen.

 

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