Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Die übersehene Wettbewerbsfähigkeit

„Das ist ein Problem, das wir alle lang übersehen haben“, sprach Österreichs höchstrangiger Wirtschaftsforscher, Karl Aiginger. Diesen Satz muss man zweimal lesen. Denn er bezieht sich nicht etwa auf ein kleines Randproblem, sondern auf Österreichs gesunkene Wettbewerbsfähigkeit. Und Wettbewerbsfähigkeit ist – insbesondere in den Jahren der Nach-08-Krise – in praktisch allen internationalen Analysen als die zentrale Frage jeder Ökonomie erkannt worden.

Haben Österreichs staatsabhängige Wirtschaftsforscher dieses Problem vielleicht deshalb „übersehen“, weil es der Politik extrem unangenehm ist? Weil der  Staat – Bund, Länder und Gemeinden – selbst hauptverantwortlich dafür ist, dass die Inflation durch immer heftigeres Abkassieren bei Steuern, Abgaben und Gebühren deutlich stärker steigt als im Rest der EU? Wenn nun, an sich richtigerweise, die Einkommensteuer gesenkt wird, hat das der Staat aber falscherweise wieder nicht durch strukturelle Einsparungen finanziert, sondern durch noch mehr Einnahmen bei anderen Steuern und – fast noch übler – durch ein mit Sicherheit deswegen höheres Defizit.

Die Defizite werden auch dadurch nicht kleiner, dass die Regierung seit einiger Zeit nur noch von einem imaginären „strukturellen Defizit“ spricht. Oder dass sie davor jahrelang gesagt hat: „Über den Konjunkturzyklus werden wir einen ausgeglichenen Staatshaushalt haben“ – was heute als glatte Lüge erwiesen ist. Oder dass manche Schlauköpfe jetzt einfach alle Investitionen aus dem Defizit herausrechnen wollen.

Dabei wäre die einzig richtige Politik jene, die Geld von den Konsumkosten (also vor allem den durch ein zu niedriges Antrittsalter explodierenden Pensionszahlungen) in die Investitionen umlenkt. Dies gilt freilich auch nur dann, wenn die Investitionen wirklich sinnvoll sind, und nicht nur populistisch. Also wenn nicht Unsummen an Steuergeldern für eine unendliche Zahl teurer Volksbelustigungen in Wien (Life Ball, Schlagerwettsingen, Donauinselfeste, kurzfristige Verwandlung des Rathausplatzes in einen Eislaufplatz usw.) oder einen überflüssigen Bahntunnel Kärnten-Steiermark vergeudet werden.

Defizite sind immer Defizite. Und müssen immer zurückgezahlt werden. Oder ein Land geht den griechischen Weg in den Untergang. Wie sehr schon der letzte Spielraum überstrapaziert hat, sieht man etwa daran, dass die Bawag(!) trotz der Geldflut an EZB-Gratisgeld(!) der Gemeinde Wien jetzt die Kreditlinie gekürzt hat.

Der vor allem gegenüber Deutschland, aber auch vielen anderen Ländern in den letzten acht Jahren eingetretene Wettbewerbsverlust Österreichs ist haargenau das gleiche Problem wie in Griechenland – wenn auch noch eine Größenordnung geringer. Aber Österreich wird in eine ähnliche Richtung gehen, wenn Regierung und Gewerkschaften nicht Mut, Kraft und Weitblick haben, umgehend den Kurs zu wechseln. Sie wissen freilich: Kurzfristig stößt das auf verbreitete Unlust der Wähler, die halt auch manche Zusammenhänge „übersehen“

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung