Abschied von einem besseren Österreich
29. Juni 2015 18:05
2015-06-29 18:05:00
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 2:30
Wenn nach Gerd Bacher mit Ludwig Steiner nun binnen weniger Stunden der zweite große alte Österreicher gestorben ist, dann macht das traurig und beklommen. Woran der Umstand nichts ändert, dass beide Männer durchaus schon betagt und nicht mehr aktiv gewesen sind. Aber beide sind – jeweils in ganz anderer Weise und an ganz anderen Baustellen – für ein anderes, ein besseres Österreich gestanden. Zusammen mit dem Tod der im Jahr davor verstorbenen großen Landsleute Fritz Molden und Maria Schaumayer ist damit eine große Epoche unwiderruflich zu Ende.
Niemand weiß, was die nächste Epoche bringen wird. Die Sorgen überwiegen. Staatspolitisch, geistig, ökonomisch, medienpolitisch. Hat doch die Generation dazwischen vieles verkommen lassen, was an diesem Österreich liebenswert und überlebenswichtig gewesen ist. Sie hat sich nur noch dem Wohlfahrtskonsum und der Verschuldung hingegeben. Sie hat nicht mehr begriffen, dass Österreich, dass Zukunft eines ständigen und oft mühsamen Einsatzes bedarf.
Steiner stand im Gegensatz zu Bacher auch schon vor 1945 auf der Seite dieses Österreich. Und zwar mit hohem persönlichem Risiko. Er war nun meines Wissens der letzte aktive Widerstandskämpfer. Deshalb sollen diese tapferen Männer und Frauen noch einmal post mortem vor den Vorhang geholt werden und die allergrößte Wertschätzung erhalten.
Vor allem auch deshalb, weil das subventionsfette „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands“ seit langem de facto nur noch ein Propagandainstrument für Rotgrün und Kommunisten ist. Es setzt sich trotz seines Namens kaum noch in irgendeiner Weise für die Ehre und das Ansehen der wirklichen Widerstandskämpfer ein. Es ist aber immer sehr lautstark unterwegs, wenn es gilt, Kritiker der rotgrünen Gleichschaltungstendenzen zu diffamieren und im Dienste der Linken die Antifa-Keule zu schwingen.
Aber vielleicht ist dieses DÖW auch deshalb seit langem seinem Namen nicht mehr wirklich gerecht geworden, weil es von allen politischen Lagern (außerhalb des deutschnationalen) interessanterweise gerade unter den Sozialisten so wenige Widerstandskämpfer gegeben hat. Dort war nicht nur ein Karl Renner ein Bejubler des Anschlusses gewesen, erstaunlich viele waren das auch noch nach 1945. Und in späteren Jahren hat der ursprünglich zum Unterschied vom nationalen Sozialismus international denkende Sozialismus auch viel seiner Internationalität verloren.
Zum Tode Steiners ist dem – vor allem vom rotgrünen Rathaus – teuer gefütterten DÖW jedenfalls bis zur Stunde keine Zeile eingefallen . . .
Steiner ist auch einer der allerletzten aus dem allerengsten Kreis der Väter des Staatsvertrags und der Neutralität. Als solcher hat er sich in den letzten Jahren immer gegen die Versteinerung dieses Vertrags und Gesetzes eingesetzt, und für dessen Interpretation im Sinne Österreichs. Auch das ist eine Sichtweise, die in der heutigen Jurisprudenz, Diplomatie und Politik (sofern es in dieser noch jemanden gibt, der über die internationale Stellung Österreichs nachzudenken imstande ist) kaum noch verstanden wird.
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Auch Norbert Leser ist am 31. Dezember 2014 gestorben, (Der Sturz des Adlers), und hat damit Österreich um einen Schritt ärmer gemacht.
Nicht, daß ich mich jetzt zum Sozialisten wandeln würde, aber es gehört zum Respekt für jeden Andersdenkenden dazu, verdienstvolle poltische Gegner im selben Atemzug zu nennen.
Demokratischer Diskurs lebt davon, gegenteilige Meinungen zu akzeptieren, wenn sie ehrlich im Sinne des allgemeinen staatlichen Wohlwollens vorgetragen werden. Und so war wohl Norbert Leser der letzte aller österreichischen Sozialisten ein Verdienstvoller. Daher gebürt ihm das gleiche Prädikat wie Ludwig Steiner.
Wie schaut es nach dem Wirken dieser verdienstvollen Männer in Österreich aus?
Erbärmlich, keine Frage, Österreich scheint ärmer geworden zu sein. Aber das wäre eine statische Vergangenheitsbetrachtung.
Ich sehe in meinem Umfeld eine unglaublich starke Jugend heranwachsen, und das stimmt mich zuversichtlich.
Schön reden geht nicht. Bacher und Steiner standen in einem Gegensatz, der schärfer nicht sein könnte. Der eine mit 16 Jahren Kriegsfreiwilliger der Waffen SS, der andere als Widerstandskämpfer wohl nur kraft eigener Interpretation so. Das Wort Widerstandskämpfer ist facettenreich: es reicht vom meuchelmörderischen und folternden Partisanen über den Saboteur im Rüstungswerk, vom predigenden aber nicht tötenden Pastoren, von den netten Studenten der Geschwister Scholl bis zum Bombenattentäter Stauffenberg, der einen ganzen Heeresteil (das Ersatzheer) zum Aufstand gegen den Tyrannen führt. Vom NS Idol Rommel, der sich mit dem dienstältesten General der Waffen SS (Sepp Dietrich) zur Erhebung verabredet, bis zum Stalinisten Ulbricht, der ungerührt der Vertreibung und Ermordung zig Millionen Deutscher zugesehen hat, ohne ein einziges Wort zu ihrem Schutz hervozubringen. Steiner hat - immer noch gefahrvoll - bei Kriegsende weiteres Morden und Schlachten - in Innsbruck - verhindert. Er ist der Mann der Hungerburg. Soweit sei im Anerkennung gezollt. Nach Bozen brachte der Tiroler jedenfalls keine Männer, die statt der der Trikolore rot-weiß-rot aufzogen um den Amerikaner ein Signal zu geben. Wie auch immer. Steiner hat, was auch immer er tat, jedenfalls unter Umständen getan, die anderen verwehrt blieben: wer die - über Ilja Ehrenburgs und damit Stalins Befehl plündernden und vergewaltigenden Horden sah - die sich über die - übrigens nicht nur deutsche - sondern auch polnische, rumänische und ungarische Bevölkerung hermachten, die zu zehntausenden und hunderttausenden Verbrechen abscheulichsten Ausmasses an Alten, Schwachen, Verwundeten, Kindern, Frauen und Greisen begangen hatten, der kämpfte weiter - nicht um den Nationalsozialismus zu stützen, sondern angesichts des Infernos um das zu tun, was jedem nahe liegt: um sich am Leben zu erhalten und jenen dem Abgrund Ausgelieferten die Flucht zu ermöglichen.
Was Steiner tat, war der Vernunft geschuldet und naheliegend. Und auch andere österreichischen Offiziere in der Wehrmacht handelten wie er, gelangten aber nicht zu jener Prominenz. Etwa der Stadtkommandant von Gotha oder die Teilnehmer am 20. Juli 1944. Warum die keiner kennt ? SIe bekannten sich - Nazi hin, Hitler her - zum gemeinsamen Deutschland, das für sie mit der NSDAP soviel zu tun hatte wie die SPÖ/ÖVP mit Österreich. Das Österreichbild des Bacher und jenes des Steiner werden niemals in denselben Rahmen passen. Bitte nicht breit drüberwischen, das haben beide nicht verdient !
Ja, es ist leider so, dass uns in den letzten Monaten einige ganz Große Österreicher aus Politik und Kultur für immer verlassen haben.
Ein schöner Anlass uns gemeinsam zu fragen, ob nicht doch einige recht Große Österreicher noch recht aktiv unter uns weilen. AU's Tagebuch wäre ein interessantes Forum, einige dieser Großen Österreicher beim Namen zu nennen. Spontan fällt mir für die Politik nur einer ein: Wolfgang Schüssel, für die Bühne ein Peter Matic, für die Malerei ein Ernst Fuchs.
Aber vielleicht könnt Ihr liebe AU -Partner mir und uns weiterhelfen?
das DÖW, wie auch leider manchmal Yad Vashem, lassen Personen aus ihren Unterlagen verschwinden, die inzwischen politisch nicht mehr genehm sind.
ad memoriam Steiner: er hätte uns noch viel zu sagen gehabt, hätten ihn die Medien bloß zu Wort kommen lassen. Ich würde mir für ihn einen "Stolperstein" in der Wiener Innenstadt wünschen!
Von AU wünsche ich mir das Betreiben von Gastkommentaren aller alten Großen, deren Stimmen nicht mehr lang zu erfragen sein werden.
Der Titel ist niederschmetternd und beängstigend.
Es gibt noch Optimisten und die hoffen noch auf Gehör der herabgekommenen Politik: https://www.youtube.com/watch?v=Z3ouS672mjo&feature=youtu.be
Überall wo man hinkommt gibt es Sorgen um die Zukunft und speziell bei uns in Österreich und auch in Europa, mehr oder weniger, die Sorge um die Wahrheit und ums Überleben.
Alles klingt nach Abschied von einem besseren Österreich.
Auf Wiedersehen, Herr Steiner.
Botschafter Steiner war immer aufrichtig, ehrlich - ein Tiroler mit Handschlagqualität!
Das DÖW hat ja auch eine andere Schlagseite! Wenn der Verstorbene nicht Steiner, sondern kürzer geheißen hätte ...!