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Ökosoziales Wortgeklingel

Mit Begriffen lässt sich trefflich Wortgeklingel machen. Wenn sie nur recht unbestimmt sind. Etwa mit dem Schlagwort von der ökosozialen Marktwirtschaft. Mit dieser alten Leiche versuchen derzeit manche ÖVP-Politiker sich aus dem Sumpf der eigenen Orientierungslosigkeit zu ziehen. Das kann ihnen aber ebensowenig gelingen wie vor einem Vierteljahrhundert Josef Riegler, dem „Erfinder“ dieser Parole.

Riegler hat damit damals die ÖVP bei den Wahlen von 41,3 auf 32,1 Prozent hinuntergestürzt. Der tiefste Fall in der Geschichte der Volkspartei ist wohl nur bedingt ein Erfolgsausweis.

Gewiss: Nicht alles, was bei Wahlen scheitert, muss schon falsch sein. Aber die „ökosoziale Marktwirtschaft“ ist auch in der politischen und ökonomischen Analyse ein Rohrkrepierer.

Schon an ihrem Beginn stand ein gewaltiges Missverständnis. Diese Parole sollte die „soziale Marktwirtschaft“ weiterentwickeln. Mit diesem Ausdruck wurde in den ersten Nachkriegsjahrzehnten jene deutsche und österreichische Politik bezeichnet, die nach der totalen Zerstörung das Wirtschaftswunder auslöste. Die CDU stellte – mit großem Erfolg und mit viel Berechtigung – die „soziale Marktwirtschaft“ Ludwig Erhards der „unsozialen Planwirtschaft“ der SPD gegenüber.

Heute hingegen wird das Adjektiv „sozial“ oft als Einschränkung der Marktwirtschaft bis hin zu deren totaler Inhaltsleere verstanden. Für Erhard war es aber keine Einschränkung, sondern eine Qualifizierung der Marktwirtschaft! Nur wenn der Markt funktioniert, kann eine Gesellschaft auch sozial sein.

Erhard hätte jeden mit nassen Fetzen davongejagt,

  • der in der „sozialen Marktwirtschaft“ eine Begründung zum Schuldenmachen gesehen hätte;
  • der zuerst irgendwelche utopischen Bedürfnisse definiert und nachher gefordert hätte, dass die Wirtschaft diese bezahlen müsse, wie teuer die auch immer sind;
  • oder der behauptet hätte, Marktwirtschaft bedeute, ständig auf Steuerzahlerkosten marode Banken „retten“ zu müssen.

Dementsprechend war in den ersten Nachkriegsjahrzehnten die deutsche Staatsverschuldung trotz der gewaltigen Wiederaufbaulasten nur mikroskopisch. Ganz parallel agierte auch Österreich unter Finanzminister Reinhard Kamitz (in der Plakatsprache der „Raab-Kamitz-Kurs“).

Diese soziale Marktwirtschaft der Nachkriegsjahrzehnte hatte drei Leitprinzipien: Marktfreiheit, knappes Geld und Abbau von Regulierungen. Nur eine einzige Regulierung war für Erhard wichtig: Der volle Wettbewerb in jedem Bereich, der Kampf gegen jede Form von Kartellen und Monopolen. Denn nur der Wettbewerb sorgt für niedrige Preise bei wachsender Qualität. Daher ist nur Wettbewerb sozial. Und nicht – staatliche oder private – Monopole.

Rund um 1970 wurde Erhards Schule und ihr (auch von ihnen selbst so getaufter) „Neoliberalismus“ durch die Schuldensucht des  Neokeynesianismus abgelöst. Vor dessen Trümmern stehen wir heute. Die „Soziale Marktwirtschaft“ wurde zur inhaltsleeren Beliebigkeit degradiert oder überhaupt durch das Gerede vom „Dritten Weg“ zwischen Plan- und Marktwirtschaft ersetzt. Den es aber nicht gibt außer in der Politikerrhetorik.

Die „ökosoziale Marktwirtschaft“ war dann die exakte Fortsetzung dieses Wortgeklingels, dieser Inhaltslosigkeit und Beliebigkeit. Man beschloss, die Marktwirtschaft nicht nur „sozial“, sondern auch „ökologisch“ einzuschränken. Was dann oft überhaupt nichts mehr von der Marktwirtschaft übriglässt.

Aber in Wahrheit ist nur eine funktionierende und Gewinne wie Steuern produzierende Marktwirtschaft das einzig mögliche Fundament. Nur die Marktwirtschaft macht soziale und ökologische Bedürfnisse erfüllbar. Luft-, Wasser- oder Nahrungsqualität wie auch der Lebensstandard waren und sind in Marktwirtschaften weit höher als in Staaten des planwirtschaftlichen Sozialismus. Die private Marktwirtschaft schuf die finanzielle Basis; und der Staat machte die Gesetze, etwa über die Sauberkeit von Abwässern und Abgasen. Jeweils entsprechend der Tragfähigkeit dieser Basis. Dort, wo die Wirtschaft staatlich war, gab es solche Gesetze nicht. Oder es kümmerte sich niemand um deren Einhaltung. Denn Partei-Apparatschiks konnten sie nie gegen Betriebe durchsetzen, die von anderen Partei-Apparatschiks des gleichen Machtapparats geführt wurden.

Eine freie Marktwirtschaft ist aber nicht nur die entscheidende Basis für die Finanzierung sozialer Sicherungssysteme und für ökologische Ziele wie das Sauberhalten von Abwässern oder von Abgasen. Sie ist es genauso auch für alle anderen, zum Teil noch viel wichtigeren, Staatsaufgaben. Etwa für eine funktionierende Justiz, für die Sicherheit nach außen und innen, für die Bildung. Wir haben einen Rechtsstaat-Sicherheitsstaat-Sozialstaat-Ökostaat-Bildungsstaat, der umso besser ist, je freier und florierender das marktwirtschaftliche Fundament ist.

Diese Abhängigkeit wird aber seit den 70er Jahren von der politisch-medialen Klasse immer mehr aus dem Bewusstsein verdrängt. Das zeigen etwa die seither gewaltig gestiegenen Schulden. Sie steigen unter den läppischsten Argumenten immer weiter. Besonders krasses Beispiel sind Italien und Frankreich. Sie begründen ihre gewaltigen Budgetdefizite einfach damit, dass „noch mehr Sparen“ absolut unmöglich wäre. Was eine absolute Lüge ist. Es ist nur parteipolitisch unmöglich, weil eine Kürzung von Wohlfahrtsausgaben und Subventionen, ein Abbau von Privilegien wie dem lebenslangen Kündigungsschutz zu einer heftigen Gegenreaktion der profitierenden Nutznießers führen würde. Und damit zu einer Abwahl der Regierenden, was diese natürlich um jeden Preis verhindern wollen.

Da finanziert man halt weiter die gigantischen Defizite durch die Notenpresse der Europäischen Zentralbank, die unentgeltlich Geld verschleudert. Was klare Folgen hat: Sparguthaben und die Altersversorgung von Millionen Europäern werden in immer schnellerem Tempo wertlos.

Die ökologische Dimension von „ökosozial“ baute auch auf heute als total falsch entlarvten Prophezeiungen auf. Etwa den Behauptungen des Clubs of Rome. Denen zufolge hätten wir schon längst kein Benzin und sonstigen Rohstoffe mehr. Dabei reichen heute die bekannten und geschätzten Vorräte weit länger in die Zukunft als jemals zuvor in der Geschichte. Technik und Wissenschaft haben es möglich gemacht.

Dennoch haben die ökosozialen Nachhaltigkeits-Apologeten durchgesetzt, dass Europa heute „sozial“ und „ökologisch“ total überreguliert ist. Einziges kleines Problem: Niemand mehr will in einem solchen Europa investieren. Da fast die ganze Industrie für den Weltmarkt produziert, flüchtet sie immer schneller nach Amerika und Asien, wo es keine ökosoziale Planwirtschaft gibt.

Die „ökosozialen“ Regulierungsfanatiker haben weder soziale noch ökologisch positive Fußabdrücke hinterlassen. Die Sozialleistungen der Industrie sind ja außerhalb der EU viel niedriger (=unsozial). In Europa explodiert die Arbeitslosigkeit (=unsozial). Und die Emissionen sind anderswo dramatisch höher; etwa der CO2-Ausstoß erhöht sich bei der Verlagerung einer Papierfabrik von Österreich nach China um 30 Prozent. (=unökologisch, da ja CO2-Emissionen jedenfalls weltweit wirken).

Daher sollte man die „ökosozialen“ Propagandisten vom selbst errichteten Gutmensch-Podest herunterholen und diese Ideologie richtigerweise unter „unökologisch-unsoziale Planwirtschaft“ ablegen. Und die Politik sollte wieder mehr im Sinn von Ludwig Erhard und Reinhard Kamitz erkennen: Die freie Marktwirtschaft und die Leistungsfähigkeit der Bürger sind die einzig mögliche Basis für alle anderen wünschenswerten Dinge.

(Dieser Beitrag erscheint in ähnlichem Text auch in der neuesten Nummer der Zeitschrift "Academia".)

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