Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Noch nie war ein Kanzler-Rücktritt so angebracht wie jetzt

Ja, Jörg Haider war schuld. Ja, Josef Pröll war schuld. Ja, Maria Fekter war schuld. Aber auch Werner Faymann war schuld. Aber auch Ewald Nowotny war schuld. Die Hypo-Untersuchungskommission unter der renommierten Spitzenjuristin Irmgard Griss hat einen erfreulich klaren Bericht vorgelegt. Aus dem nun dringend Konsequenzen gezogen werden müssten.

Auch wenn die ganze Strategie der Regierungsparteien weiterhin darauf abzielt, alle Schuld auf das System Kärnten (also die Epoche Jörg Haiders, der sich freilich immer abwechselnd neben Blau/Orange auch auf Rot oder Schwarz stützen konnte) abzuschieben, so macht Griss klar: Es gab „Fehlentwicklungen und Fehlleistungen auf Landes- und Bundesebene“. Also eben ausdrücklich auch auf „Bundesebene“!

Das aber heißt klar: Es gibt noch zwei der Hauptverantwortlichen, die weiterhin im gleichen Amt wie damals sitzen. Der eine Mittäter hat sich hingegen – unter Vorschützung einer Krankheit – ins Raiffeisen-Ruhekissen zurückgezogen. Der zweite hat sich schwer alkoholisiert in den Tod gefahren. Und die dritte ist zur Hinterbänklerin degradiert worden.

Aber Faymann ist noch da. Er ist weiterhin Bundeskanzler. Und er war Bundeskanzler, als sich die Bundesregierung von Bayern die marode Hypo Alpe-Adria andrehen hat lassen. Wenn es politische Verantwortung gibt, die einen Rücktritt auslösen müsste, dann liegt sie hier vor. Und nicht in der Frage, ob Faymann 83 oder 99 Prozent der Parteitagsdelegierten hinter sich gehabt hat.

Und Nowotny ist noch immer da. Obwohl die Nationalbank viel zu spät Klartext zur Hypo geredet hat und sich davor hinter kryptischen Formulierungen versteckt hatte, wie: Die Hypo sei „not distressed“.

Das heißt übrigens nicht, dass nicht auch noch andere Mittäter in unteren Rängen weiter aktiv wären. In politischen und beamteten. In Kärnten, im Finanzministerium, im Bundeskanzleramt, in der Nationalbank. Dort haben viele eindeutig falsche Ratschläge gegeben. Dort haben sich einige heute noch amtierende Beamte total als Ratgeber disqualifiziert. Dennoch ist unbestreitbar: Die genannten Politiker sind selbst hauptverantwortlich dafür, auf welche Ratgeber sie hören.

Eigentlich dürfte niemand mehr redlicherweise an der Grunderkenntnis der Griss-Kommission zweifeln, die sich monatelange mit der Hypo-Affäre befasst hat. Und diese Grunderkenntnis lautet: Ja, es hat Alternativen zu den Entscheidungen der Politik gegeben. Aber die hat man nicht ergriffen, weil Politiker – so arbeitet es Griss glasklar heraus – sich immer davon leiten lassen, wie eine Sache in der Öffentlichkeit ankommt, wie sie selber dabei dastehen.

Unter den vielen aufgelisteten Fehlern und Versäumnissen wiegt eindeutig das Jahr 2009 am schwersten. Österreich hat sich damals nach Strich und Faden von Bayern – der dortigen Landesregierung und der BayernLB – über den Tisch ziehen lassen. Die Bayern haben Österreich mit der Drohung erpresst, die Hypo in Insolvenz gehen zu lassen. Und daraufhin agierten das Finanzministerium und das immer voll mitentscheidende Kanzleramt unvorbereitet, ohne Durchblick, ohne wirtschaftliche Kompetenz. Sie begriffen nicht, dass eine Insolvenz der Hypo für Bayern mindestens genauso unangenehm wie für Österreich gewesen wäre. Deshalb hätten sie sich bei einer besseren Verhandlungsstrategie Wiens zweifellos auch an den Kosten einer Insolvenzvermeidung beteiligt, meint die Kommission (die eine direkte Insolvenz übrigens nicht als richtig angesehen hätte). Die Bayern hingegen waren juristisch und strategisch damals viel besser aufgestellt.

Aber auch nach 2009 passierten schwere Fehler. Vor allem wurde die Gründung einer Bad bank jahrelang hinausgeschoben. Offenbar weil man das staatliche Defizit nicht noch weiter erhöhen wollte. Dadurch aber seien zusätzliche Kosten entstanden.

Diese juristische Expertenkommission hat saubere und bessere Arbeit geleistet, als es jemals parlamentarische Untersuchungskommissionen könnten. Dort wird nur Parteipropaganda gemacht. Dort werden nur Schmutzkübel geschüttet oder die Täter zu Richtern gemacht.

Auch über Raiffeisen kann man übrigens nur den Kopf schütteln. Denn für einen großen Finanzkonzern ist es absolut blamabel, jemanden wie Josef Pröll in Führungsfunktionen zu hieven, der davor in der wichtigsten Finanzentscheidung seines Lebens so versagt hatte. Aber Raiffeisen muss selber mit seinem längst nicht mehr glänzenden Image fertig werden. Das geht die Steuerzahler nichts mehr an.

Es ist für Pröll wie für Faymann sicher persönlich tragisch, wenn sie beide jetzt ihre Ämter verlieren sollten. Beide haben sich ja nicht persönlich bereichert. Aber beide haben 2009 nur die parteipolitische Optik und nicht die Interessen der Republik im Auge gehabt. Und das ist ebenso katastrophal und disqualifizierend.

Wenn jemals das Tragen von „Verantwortung“ am Platz ist, dann jedenfalls in diesen beiden Fällen.

PS.: Es beruhigt besonders, dass sich die ehemalige OGH-Präsidentin als so souverän gezeigt hat. Das beruhigt vor allem in Zeiten einer schweren Krise des Verfassungsgerichtshofs. Und das beruhigt auch ein wenig in Tagen, da die Staatsanwaltschaft einen anderen ehemaligen OGH-Chef unter einem lächerlichen Vorwurf vor Gericht zerrt - in Wahrheit aber, weil es dieser gewagt hat, so wie Griss offen und ehrlich im Interesse des Landes Kritik an schweren Fehlern und Versäumnissen zu üben.

PPS.: Die tollen Frauen sind die, die sich als kompetent erweisen. Und nicht die durch eine Quote avancierten.

 

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung