Die Wahrheit werden wir wohl erst in ferner Zukunft wissen: Hat der Westen wirklich erreicht, dass der Iran dauerhaft auf die nukleare Bewaffnung verzichtet? Oder haben sich die Iraner in den letzten Wochen durch geschicktes Taktieren erst recht den Weg dorthin eröffnet? Selbst heute sind noch viele Details rund um den Deal der Großmächte mit dem Iran unklar. Aber selbst diese Details können nicht die wahren Intentionen Teherans offenlegen.
Am klarsten und aufschlussreichsten ist die Beobachtung, wer NICHT am Verhandlungstisch gesessen ist: Israel, Saudiarabien und die EU.
Das Fehlen der EU wurde nicht einmal bemerkt, geschweige denn bedauert. Dabei reden EU-Politiker ständig davon, dass man eine 500-Millionen-Union geschaffen habe, die nun ebenbürtig mit den ganz Großen dieser Welt wäre. Dabei hat die EU heute schon zwei Präsidenten, eine eigene Außenministerin und Tausende eigene Diplomaten. Aber wenn es wirklich ans Eingemachte geht, gibt es diese EU nicht. Nicht einmal am Katzentisch.
Statt der EU wird Deutschland wichtiger
Am Verhandlungstisch mit Iran sowie den USA, Russland und China saßen hingegen die EU-Länder Frankreich (das sich dort zum Unterschied von seinem wirtschaftspolitischen Kollaps außenpolitisch positiv profilieren konnte), Großbritannien und Deutschland. Dieses ist als einziger der Gesprächspartner Teherans kein ständiges Sicherheitsratsmitglied. Berlin ist gerade durch die Teilnahme an den Iran-Gesprächen zum Unterschied eben von der EU der endgültige Aufstieg in den Kreis der Großen dieser Welt geglückt.
Auch Israel und Saudiarabien sind keine Sicherheitsratsmitglieder. Und sie sind für den Nahostfrieden noch viel wichtiger. Aber wenn man sie beigezogen hätte, hätte es dieses Abkommen nicht gegeben. Dann wären viel schärfere Bedingungen gestellt worden. Ja, dann hätte Iran wohl nicht einmal verhandelt.
Beide Staaten fühlen sich aber durch die Perspektive einer iranischen Atomwaffe existenziell bedroht. Israel hat schon längst eine solche Waffe, wenn auch nie offiziell zugegeben. Und Saudiarabien hat nach etlichen Anzeichen aus Angst vor Iran mit ihrer Beschaffung begonnen. Was Israel interessanterweise viel weniger zu stören scheint.
Die Saudis sind (zusammen mit den kleinen, aber reichen Scheichtümern) der große Rivale Irans am Golf. Sie sind die finanzstarke Schutzmacht der Sunniten, die ja mit den von Teheran unterstützten Schiiten in vielen Staaten des Nahen Ostens, insbesondere Syrien, Irak und Libanon, in blutige Kämpfe verstrickt sind. Werden sie den – vor allem amerikanischen – Zusicherungen trauen, dass man Irans Ambitionen jetzt gestoppt habe? Wohl eher nicht, auch wenn die Saudis viel ruhiger reagieren als Israel, das empört und besorgt aufschreit.
Was bewirkt globaler Druck?
Die Vergangenheit ist zwar leichter zu analysieren als die Zukunft. Aber auch die gibt keine eindeutige Antwort, ob die israelischen Ängste berechtigt sind. Es gibt positive wie negative Beispiele und Antworten auf die Frage, ob sich aufstrebende Mächte durch internationalen Druck von atomarer Bewaffnung abhalten lassen.
Auf der positiven Seite finden sich interessanterweise die gestürzten Diktatoren des Iraks und Libyens. Sowohl Saddam wie Gadhafi hatten eindeutig schon Massenvernichtungswaffen, aber beide hatten schon vor ihrem Sturz unter westlichem Druck darauf verzichtet. Was die Amerikaner aber im Fall Irak erst nach Saddams Sturz erfahren haben wollten.
Auf der anderen Seite hat sich Pakistan unbemerkt in den Besitz von Atomwaffen gebracht (was dann wieder Indien aktiviert hat). Noch dramatischeres Exempel ist Nordkorea. Dieses betreibt ein ähnliches Zuckerbrot-und-Peitsche-Spiel wie Iran in den letzten Jahren: verhandeln, Verhandlungen unter einem Vorwand abbrechen, lügen, schmuggeln, geheime Anlagen betreiben, Zugeständnisse gegen materielle Gegenleistungen machen, diese Zugeständnisse wieder zurückziehen.
Israel hat sicher recht: Es ist durchaus möglich, dass auch Iran dasselbe Spiel spielt wie Nordkorea. Iran erlaubt vorerst keineswegs unabhängige Inspektionen an allen unter Verdacht geratenen Plätzen. Es zerstört auch keine suspekten Anlagen.
Die iranische Bevölkerung wurde unruhig
Das Land ist aber dringend daran interessiert, wieder an seine vor allem in den USA eingefrorenen Konten heranzukommen und von Handelsrestriktionen befreit zu werden. Die wirtschaftlichen Schäden der Sanktionen sind schon enorm. Und das droht die Stimmung in Iran immer regimefeindlicher zu machen.
Extrem schwer ist freilich die Einschätzung, ob sich die iranische Führung jetzt in der sechsmonatigen Phase der Zurücknahme etlicher Sanktionen so gut mit Geld und strategischen Gütern eindecken kann, dass sie dann viel gelassener auf neuerlichen Druck zu reagieren imstande wäre. Bemerkenswerte Tatsache ist jedenfalls, dass die Wirtschaftssanktionen (an denen Österreich übrigens erst nach etlichen „freundlichen“ Hinweisen der USA mitgewirkt hat) im Gegensatz zu einer lange verbreitet gewesenen Meinung sehr wirksam gewesen sind.
Tatsache ist auch, dass Teheran es sich nicht so wie das steinzeitliche Nordkorea leisten kann, seine politischen Ziele ohne Rücksicht auf die darbende Bevölkerung zu verfolgen. Iran ist eine – auch im regionalen Vergleich mit arabischen und zentralasiatischen Nachbarn – hochentwickelte Nation. Daher hat der Terror der Revolutionsgarden und der noch im Mittelalter steckenden Mullahs viel engere Grenzen. Die Bevölkerung macht durchaus das Khamenei-Regime für die spürbare Verschlechterung ihrer Lage immer direkter verantwortlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Mehrheit der Menschen in Iran keine Einwände gegen eine atomare Bewaffnung ihres Landes hat.
Da geht es um nationalen Stolz – und der ist gerade in dieser Weltgegend ganz wichtig. Von den Indern bis zu den alten Griechen haben viele oft weit weg beheimatete Völker ja im Lauf der Geschichte schon einmal unerquicklichen Kontakt mit persischen Großmachtstrategien gehabt. Und diese imperiale Vergangenheit steckt heute noch in vielen iranischen Köpfen. Da bräuchte es gar nicht den kollektiven Hass auf die bösen "Zionisten".
Zumindest die Elite Irans weiß überdies auch: Im Weltkonzert sind nur atomare Mächte wirklich relevant.
Atomwaffen bringen Macht und Respekt
Das kann man etwa an Hand der Ukraine exzellent zeigen: Diese ist heute fast willenlos Erpressungen eines mächtigen Nachbarn ausgesetzt. In Washington oder Peking, in Paris oder London interessiert man sich hingegen herzlich wenig für das Land. Noch dazu da dieses von einer diktatorischen Clique der Oligarchen regiert wird.
Das war noch in den 90er Jahren ganz anders. Da wurde die damals genauso autoritäre Ukraine von allen genannten Mächten hofiert und respektiert. Aus einem einzigen Grund: In der Ukraine lagerten nach dem Zerfall der UdSSR viele Atomwaffen. Kiew zögerte zwar etliche Jahre, bis es schließlich dann doch alle an Russland überstellte. Es merkte aber sehr rasch: Nach dem Abzug der letzten Atomrakete waren viele der vorherigen Versprechungen vergessen. Und die Ukraine ein trotz ihrer Größe unbedeutendes Land.
Das haben viele Regierungen dieser Welt sehr genau registriert. Atommächte sind einfach mächtiger. Das macht die israelische Skepsis gegenüber der Ehrlichkeit Irans durchaus nachvollziehbar.
Dennoch sagen auch in Israel zumindest außerhalb der Regierung viele Experten ähnlich wie die Großmächte: Man müsse trotz berechtigter Skepsis alles versuchen. Man müsse den kleinsten Hoffnungsschimmer nutzen. Denn die Alternative wäre letztlich wohl ein Präventivkrieg. Einen solchen hat Israel durch – sehr gezielte – Leaks den Iraner auch immer wieder angedroht. Internationale Medien mit (scheinbar) unklaren Quellen haben detailliert berichtet, wie Israel den Mullahstaat durch einige überraschende Luftschläge entmannen könnte.
Mitteleuropäern, die einem Explosionsherd in Nahost geographisch viel näher liegen als die sechs Unterhändler, bleibt daher nur die Hoffnung: Dass Iran diesmal wirklich ehrlich spielt. Wissen können sie es nicht. Sie wissen nur: Nach wie vor ist für ihre Region keine Kriegsgefahr so relevant und bedrohlich wie die nahöstliche wie vor allem Israel vs. Iran.
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.
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Erstaunlich, wie eine Atombombe, die es noch gar nicht gibt, seit Jahrzehnten derart fürchterlich den Weltfrieden bedroht. Und dies so akut, daß das Problem permanent ganz oben auf der europäischen und weltpolitischen Agenda steht.
Und es ist erstaunlich, daß 200 israelische Atomsprengköpfe, die es seit Jahrzehnten gibt, dies nicht im mindesten tun. Im Gegenteil, diese sichern den Weltfrieden.
Und interessant ist, wie sich viele ansonsten kritische Geister einreihen in die affirmative Schar jener, die nichts anderes tun, als die amerikanische Hegemonie im Nahen Osten um jeden Preis zu verteidigen. Denn nichts anderes verbirgt sich hinter der angeblichen Bedrohung Israels.
Klar hat Israel ein Problem, wenn auch der Iran die Bombe besitzt: denn dann erübrigt sich das Drohen mit der eigenen, dann herrscht nämlich Patt.
Doch hat nicht gerade dieses Patt jahrzehntelang im Kalten Krieg den Frieden gesichert?
Die wirkliche Bombe, die Israel bedroht, ist eine demografische: hält das exorbitante Bevölkerungswachstum in den angrenzenden arabischen Ländern an, so wird Israel irgendwann tatsächlich von der Landkarte verschwinden. Einfach demografisch, biologisch, auf "natürlichem", evolutionärem Weg.
Dann kommen nämlich auf einen Israeli 50 junge, hungrige, immer besser ausgebildete und damit selbstbewußte Araber. So viele Juden können gar nicht aus aller Herren Länder eingebürgert werden, so viele illegale und sämtlichem internationalen Recht Hohn sprechende Siedlungen können gar nicht errichtet werden. Auch mit noch so viel westlichem Geld nicht.
So wie übrigens auch das überaltete und zeugungsunwillige Europa verschwinden wird, zumindest jenes, das wir kennen: Spätestens 2040 sind die weißen Europäer, Christen sowieso, in der Minderheit.
Wie wäre es daher der selben Logik folgend mit einem europäischen Atomarsenal, das sich explizit gegen anbrandende arabische und afrikanische Menschenmassen richtet, die wir in den nächsten Jahrzehnten zu gewärtigen haben und denen wir sonst nichts mehr entgegenzusetzen haben?
Nicht einmal mehr ansatzweise den Überlebenswillen der Israelis und ihr unbedingtes und stolzes Bekenntnis zur eigenen Nation.
"Berlin ist gerade durch die Teilnahme an den Iran-Gesprächen zum Unterschied eben von der EU der endgültige Aufstieg in den Kreis der Großen dieser Welt geglückt."
Also, das glaube ich nicht. Eine solche Stellung muss man sich im Weltenkonzert erkämpfen, und davon ist Deutschland weit entfernt. Außerdem ist Deutschland immer noch am Gängelband der Sieger des WK II, die seine Souveränität völkerrechtlich einschränken.
Ich glaube eher, die Großen dieser Welt brauchen ein Zahler, wer weiß, was man dem Iran alles versprochen hat.
Ja, als gutmütiger Zahler ist Deutschland der Größte! ;-)
Letztlich geht es bei diesen Aggressionen bzw. Drohungen oder Scheinverhandlungen immer nur um den Kampf um die Erhaltung des US-Dollars als Weltleitwährung und die Absicherung von Rohstoffquellen.
Der Iran ist noch ein Hort der Stabilität in Nahost und wird bewohnt von sehr stolzen und traditionsbewussten Menschen. Der wird noch eine harte Nuss für den hegemonialen Papiergeld-Tiger.
Der Kampf gegen den Euro wird auf noch perfidere Art geführt, unblutig zwar, aber äußerst effektiv!
Der Staat Israel hat ein riesiges Problem:
Er wurde auf geraubtem Gebiet gegründet, und die Millionen von Beraubten leben ärmlichst in Israel und um Israel herum und haben nur eines im Sinn: Ihr Land zurückzuerobern (Israel nennt das "Terrorismus").
Israel ist sich dieses Geburtsfehlers voll bewusst. Es fühlt sich bedroht (Kreisky nannte es das "Masada-Syndrom") und versucht daher mit allen Mitteln, seine Nachbarstaaten zu schwächen und seine Verbündeten zu mobilisieren.
Die Folge: Ein "weltpolitisches Chaos im Nahen Osten" (siehe heutiger Kommentar von Haider). Aber die "demographische Zeitbombe" (siehe oberösi) tickt unaufhaltsam weiter, der Ausgang dieses Problems ist angesichts der israelischen Atomwaffen nicht vorherzusagen. Er kann apokalyptisch werden.
Da geht es doch vorwiegend um die Lockerung der Sanktionen des Westens, welche die iranische Bevölkerung bereits kräftig zu spüren bekommt. Natürlich auch um eine Stärkung der Schiiten gegenüber den Sunniten, welche von den Golfstaaten stark unterstützt werden. Langfristig denkt die iranische Führung aber weiterhin an den Bau von Atomwaffen und die derzeitigen "friedlichen" Verhandlungen sind nur ein Spiel, wo der Iran scheinbar besser bluffen kann.
Herr Dr. AU schreibt (etwas versteckt mitten im Artikel): "Israel hat sicher recht: Es ist durchaus möglich, dass auch Iran dasselbe Spiel spielt wie Nordkorea. Iran erlaubt vorerst keineswegs unabhängige Inspektionen an allen unter Verdacht geratenen Plätzen. Es zerstört auch keine suspekten Anlagen.
Nur: Zwei der erwähnten Staaten haben Nuklearwaffen (wenn auch ein Staat beharrlich lügt): Israel und Nordkorea!. Keine Atomwaffen hat der Iran: Und was lügen die USA/Israel/Frankreich/Großbritannien herbei? Dabei sind es genau diese Staaten, die für das weltpolitische Chaos im Nahen Osten allein verantwortlich sind (sie haben religiösen Fanatikern und Fundis z.B. den Iran zugeschanzt!)
Abschließend noch eine politisch nicht korrekte Frage: Welche unabhängigen Inspektoren kontrollieren die Zentrifugen der Israelis; oder bekommen diese bereits waffenfähiges Material direkt aus den USA [sehr wahrscheinlich].
Einen schönen Sonntag Ihnen allen!
Mit Außenpolitik (obwohl für uns alle "lebenswichtig"), habe ich wissens- und gefühlsmäßig "nicht viel am Hut".
So möchte ich auch heute wieder mein Zitatenschatz-Kisterl bemühen, um "Hoffnung", auf die wir arme Menschen uns im Hinblick auf die vielen Gefahren, die unsere Spezies bedrohen, setzen, ein wenig vor den Vorhang zu holen:
"Man muss das Beste hoffen, das Schlimme kommt von selbst".
"Ich hoffe noch, und zweifle doch!"
"Hoffnung lässt nicht zuschanden werden!"
Hoffen wir also, dass alles weiterhin gut gehen wird, mit unserem Land und mit unserer Welt!
Ich bin und bleibe Optimist (auch wenn ich darob hier vielfach gescholten werde)!
(mail to: gerhard@michler.)-