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Es geht ja doch: Wenn einem Österreicher Gutes widerfährt

Die neue Wiener WU lässt jubeln. Sie lehrt uns und die Politik vieles. Und das meiste davon ist extrem erfreulich.

Man weiß fast nicht, wo man mit der Freude über den Universitäts-Neubau beginnen soll, der von der Fläche (90.000 Quadratmeter) bis zu den Kosten (eine halbe Milliarde) der weitaus größte Europas ist.

Die Moderne ist in Wien angekommen

Am wichtigsten ist wohl, dass endlich auch in Wien moderne Architektur auf Weltspitzenniveau Einzug gefunden hat. Endlich gibt es auch aus dem Nach-Habsburg-Jahrhundert ein Großprojekt, das man voll Stolz ausländischen Besuchern zeigen kann. Es ist eine Universitätslandschaft, die nicht durch plumpe Höhe (wie etwa bei den Donauplatten-Hochhäusern der letzten Jahrzehnte) oder Länge (wie beim Karl-Marx-Hof oder den dumpfen Plattenbau-Siedlungen am Stadtrand) aufzutrumpfen versucht. Vielmehr besticht sie durch erstaunliche Kreativität und Vielfalt sowie – zumindest nach Aussage der Nutzer – auch Funktionalität. Und der Campus wirkt auch trotz seiner Größe überhaupt nicht groß.

Erstmals fällt einem in Wien bei moderner Architektur das Wort Schönheit ein. Wer das für übertrieben hält, sollte einfach in den Prater fahren und sich‘s anschauen (von der WU geht man dann übrigens auch gleich direkt in den Wurstelprater, ohne sich den jammervollen, von den RaushausgenossInnen verbrochenen Kitsch-Eingang am Praterstern antun zu müssen).

Keinen Cent Zusatzkosten

Für den Steuerzahler – und wohl auch jeden privaten Hausbauer – ebenso sensationell: Die Sache hat keinen Cent mehr gekostet als von Beginn an geplant gewesen war. Und zugleich ist der Campus auch völlig termingemäß fertiggeworden. Beides ist gerade in dieser Stadt absolut unglaublich.

Beides hat – neben den handelnden und offensichtlich sehr fähigen Personen – eine klare Hauptursache, die aber niemandem mehr richtig bewusst wird. Das war die komplette Ausgliederung der Universitäten wie auch der Bundesimmobiliengesellschaft BIG aus der Bundesverwaltung. Die BIG wurde der Politik weggenommen und auf den Markt und auf kapitalistische Verhaltensweisen hingelenkt. Das heißt natürlich auch, dass dort selbstverständlich kein Beamter mehr aufgenommen wird.

Ältere Österreicher werden sich noch erinnern, wie viele und wie schlimme Korruptionsskandale mit der einstigen Bundesgebäudeverwaltung verbunden gewesen sind. Auch der Bundespräsident erinnerte sich in seiner Eröffnungsrede schmerzhaft an den Bau des Wiener AKH, der ihn in seiner Ministerzeit enorm belastet hatte. Wohl nicht nur wegen der üblen Korruptionsskandale, sondern auch wegen der Hässlichkeit des Baus und seiner unmenschlichen Dimensionen.

Wenn kein Politiker etwas mitzureden hat

Bei der neuen WU hingegen ist mit Sicherheit kein Professor mehr auf die Idee gekommen, wie in den dunklen AKH-Zeiten ständig beim Minister oder einem Sektionschef zu antichambrieren. Beispielsweise mit dem Ansinnen, dass er doch unbedingt ein größeres oder ein zusätzliches Zimmer oder ein bestimmtes Gerät brauche.

Ganz klare Erkenntnis: Je weiter die Politik von jeder Entscheidung weg ist, umso besser wird diese. Seltener ist das so klar bewiesen worden wie hier. Ästhetisch, sparsam, funktionell. Das heißt natürlich nicht, dass die Politik beim Neubau einer staatlichen Universität überflüssig ist. Denn immer noch hatte sie bei der WU eines zu tun: den Finanzierungsbeschluss zu fassen.

Dank dem Bürger

Aber auch in diesem Zusammenhang macht die neue WU aber vor Begeisterung sprachlos. In einer großen Inschrift im zentralen Eingangsbereich des zentralen Bibliotheksbaus wird nämlich gedankt. Aber wohl erstmals in der österreichischen Geschichte nicht der Politik, einem Minister, einem Stadtrat, einem Bürgermeister. Sondern dem einzigen wahren Wohltäter und Financier der Wirtschaftsuniversität: dem Bürger.

Dieser liest das und freut sich. Und ist ungemein stolz. Und dankt für den Dank der WUler.

Manche Tagebuch-Leser werden sich fragen, ob es denn diesmal gar nichts zu kritisieren gibt. Nun freilich gibt es das. Aber dimensionsmäßig tritt hier die Kritik weit hinter das Lob für den Beweis zurück, dass all das in Österreich ja doch geht.

Was einen doch nicht so ganz freuen kann

Aber dennoch seien die kritischen Punkte auch angeführt, obwohl sie gar nicht direkt etwas mit dem Bau zu tun haben:

  1. Da stößt etwa relativ sauer auf, dass die bisherige, die „alte“ WU schon nach 30 Jahren Nutzungszeit praktisch ein Totalschaden ist. Sie muss wohl in absehbarer Zeit abgerissen werden (vielleicht kann sie davor noch als Ausweichquartier während der Parlamentsrenovierung dienen). Was die meisten vergessen haben: Dieses WU-Gebäude in der Spittelau ist ja gar nicht die wirklich „alte“. Es gibt ja noch die ganz alte „Hochschule für Welthandel“. Diese aber ist noch keineswegs ein Abrisskandidat. Sie war nur in den 70er Jahren viel zu klein geworden.
    Diese Diskrepanz zwischen den beiden „alten“ WUs ist schon recht seltsam. Haben die modernen Architekten generationenlang verlernt, nachhaltig und für dauerhafte Nutzungen zu bauen? Sie hatten offenbar nur eines beherrscht, aber das perfekt: soziologische, ökonomische, politische, feministische und sonstige Schwachsinnigkeiten von sich zu geben. Und natürlich: fett zu kassieren.
  2. Ebenso bedenklich ist, dass die Politik weder der WU noch sonst einer Uni jemals gesagt hat, für wie viele Studenten sie eigentlich da zu sein hat. Darüber gab es nie einen koalitionären Konsens. Daher könnte auch der Praterbau eines Tages aus allen Nähten platzen, weil die Politik, vor allem die SPÖ, in den Unis ja offenbar nur eine Wärmestube mit unbegrenzter Kapazität für sonst arbeitslose Jugendliche sieht.
  3. Ärgerlich ist aber auch, dass es an der WU – den offiziellen Formulierungen zufolge – gar keine Studenten, Professoren und Assistenten mehr gibt. Es gibt nur noch die undeutschen Zungenbrecher „Studierende“ und „Lehrende“. Sind die Wissenschaft und ihre Lehre eigentlich wirklich frei, wenn sich ihre Amtsträger so duckmäuserisch der Political correctness einiger Radikalfeministinnen beugen? Wenn sie nicht einmal mehr die deutsche Sprache beherrschen? Wissenschaft braucht nämlich immer auch gute, korrekte und präzise Sprache. Jeder ordentliche Germanist könnte den WUlern erklären, dass solche Partizip-Konstruktionen das sind, was sie sind: einfach schlechtes Deutsch.
  4. Und last not least fiel der Rektor Christoph Badelt – der sich sonst wirklich brillante Verdienste um seine neue WU erworben hat – in seiner Eröffnungsrede unangenehm auf. Er machte wider alle faktische Evidenz auf die Schlechtgewissens-Tour und sagte, es würde immer mehr Arme auf der Welt geben. Deswegen bräuchte es eine ganz neue, eine andere Wirtschaft (da es außer den Menschen, also dem Markt nur den Staat gibt, kann er nur mehr Staatseinfluss wollen). Wahr ist aber, dass gerade wegen der globalen Marktwirtschaft, die Badelt so viel Kopfzerbrechen macht, einen dramatischen Rückgang des Hungers in der Welt, und eine dramatische Zunahme der Lebenserwartung und Lebensqualität gegeben hat. Elend gibt es nicht wegen der Marktwirtschaft, sondern wegen des Sozialismus (Nordkorea bis Venezuela) und des Islam (Syrien bis Somalia). Unverständlich, warum gerade ein Wirtschaftsrektor den großen Erfolg der Menschheit und der Marktwirtschaft wegzuleugnen versucht.
  5. In einstigen Zeiten hat man so einen Neubau übrigens auch eingeweiht. Aber das kommt ja sowieso außer Mode.

PS: Zum Schluss noch ein kleines, ganz anders Positivum am Rande der WU-Eröffnung: Es ist immer wieder erstaunlich, wie Karlheinz Töchterle mit kurzen, eigentlich bescheidenen Antworten alle Sympathien für sich erringt. Denn er zeigt dabei einfach das, was fast allen anderen in der Politik so bitter fehlt: Bildung.

 

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