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Erstaunlich, aber es kommt wirklich auf den Kanzler an. Mehr denn je

Ist es nicht egal, wer Bundeskanzler ist? In früheren Jahrzehnten hätte ich diese Frage sofort bejaht. Entscheidend war, welche Koalition regiert. Denn Gesetze und Beschlüsse kamen nur zustande, wenn es einen koalitionären Konsens gab. Aber in den letzten Jahren gab es - von der Öffentlichkeit fast unbemerkt - gleich drei gewichtige Entwicklungen, welche der Nummer eins in der Koalition massive Machtzuwächse beschert haben. Daher wird wohl genau diese Frage letztlich für meine Wahlentscheidung ausschlaggebend sein, um die ich lange gerungen habe.

Denn die Kanzlerentscheidung ist die einzige Frage, die ich mit meinem Stimmzettel in der gegenwärtigen Situation vielleicht noch ein wenig beeinflussen kann: Soll Werner Faymann mit seiner unsäglichen Performance in den letzten fünf Jahren weiter Regierungschef sein oder Michael Spindelegger, der zwar ziemlich farblos ist, aber sich wenigstens hie und da in die richtige Richtung äußert? Freilich: Auch der derzeitige europäische Superstar Angela Merkel war anfangs ziemlich farblos.

Alles, was ich mir sonst für dieses Land wünsche, ist leider außerhalb meines Einflussbereichs. Und natürlich weiß ich, dass auch mein Stimmzettel nur eine winzige Einflussmöglichkeit öffnet.

Verfassungsrechtler werden einwenden, dass der österreichische Bundeskanzler rechtlich viel ohnmächtiger ist als der deutsche. Hat er doch keinerlei Richtlinienkompetenz. Er kann einem Minister, sobald der einmal im Amt ist, keinerlei Weisungen oder Aufträge geben. Die Beschlüsse im Ministerrat müssen im Konsens aller Regierungsmitglieder fallen. Daher wäre es ja eigentlich egal, wer die Sitzung eröffnet und schließt oder das Mineralwasser kommen lässt. Daher kann die ÖVP auch als Nummer zwei wie versprochen klassenkämpferische Steuererhöhungen und die von Eltern wie Schülern abgelehnte Einheitsschule verhindern.

Das ist formal richtig, übersieht aber die Veränderung der Realität. Denn gleich auf drei Ebenen hat sich Gravierendes geändert. In drei ganz entscheidenden Politikbereichen braucht es nun nicht mehr den früher für alle Entscheidungen notwendigen Konsens im Ministerrat oder die Mehrheit im Parlament. In der Europapolitik, in der Währungspolitik und in der Medienpolitik.

Juristisch wäre es übrigens zweifellos interessant zu diskutieren, ob diese Entwicklungen in Summe nicht schon eine Gesamtänderung der Verfassung bedeuten, die ja volksabstimmungspflichtig ist. Aber für den Wähler ist das derzeit egal. Derzeit sind wir jedenfalls mit einem enormen Machtzuwachs für den Bundeskanzler und für den Nationalbank-Gouverneur konfrontiert. Und beide können ihre Macht auch als bloßer Chef einer 26-Prozent-Partei ohne irgendeine Mehrheit ausüben. Das hat es noch nie seit 1945 gegeben.

Was sind diese Entwicklungen konkret?

Der Europäische Rat

Erstens hat sich das Machtgefüge in der EU in den letzten Jahren, also lange nach dem Beitritt, entscheidend verändert. Heute sitzt aus jedem Land der Regierungschef allein im Europäischen Rat, ohne wie früher den Außenminister als Zwilling daneben sitzen zu haben. Und er entscheidet dort auch allein. Gleichzeitig ist dieser Europäische Rat vom einstigen Diskutierklub zum wichtigsten europäischen Entscheidungsgremium geworden.

Das bedeutet sowohl für Europa wie auch Österreich eine dramatische Verschiebung der Machtbalance. Auch wenn das in Österreich noch kaum jemand begriffen hat. Der Außenminister ist weitgehend unbedeutend geworden. Wenn sich die Außenminister untereinander treffen, geht es fast nur noch um reine Außenpolitik, also etwa die EU-Uneinigkeit in Sachen Syrien oder Libyen. Und auch da können die Außenminister nur agieren, sofern nicht schon die Regierungschefs einen Beschluss gefasst haben. Bei den heute Europa dominierenden finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen sind die Außenminister ganz weg vom Fenster. Dort stehen die Regierungschefs und eventuell die Finanzminister.

Letztlich können die Regierungschefs alles entscheiden, was sie wollen und wie sie wollen. Zwar könnte in Österreich der Nationalrat dem Bundeskanzler theoretisch bindende Aufträge für sein Verhalten in den Ratssitzungen mitgeben. Nur tut er das nie, das ist daher totes Recht.

Der ORF

Zweitens: Das ORF-Gesetz gibt dem Bundeskanzler ganz persönlich die entscheidende Macht im ORF. Er bestimmt so stark die Zusammensetzung des Stiftungsrates, dass er damit auch dessen Mehrheit bestimmt. Folge: Heute ist der ORF-Generaldirektor deshalb de facto fast schon ein direkter Untergebener des Bundeskanzlers. Und die direkten Anrufe, Wünsche und Vetos aus der SPÖ-Zentrale bei den inhaltlich wichtigsten ORF-Kommandanten, die alle aus dem SPÖ-Lager kommen, sind Legion.

Der ORF ist aber immer noch das wichtigste Medium des Landes. Und es ist demokratiepolitisch absolut unerträglich, dass ein von einem Fünftel der Wahlberechtigten gewählter Bundeskanzler dort wie über sein Privateigentum verfügt.

Angesichts der schweren Linkslastigkeit des ORF (von der Fernsehredaktion bis zu Ö1) ist die Notwendigkeit eines Gegengewichts noch viel größer. Da man ja die Redaktionen schwer austauschen kann, muss diese Linkslastigkeit zumindest durch einen Machtwechsel an der Spitze ein wenig neutralisiert werden. Da es ja in der Bevölkerung und auch bei Wahlen gesellschaftspolitisch zumindest seit 1983 eine Mehrheit rechts der Mitte gibt, wäre das umso logischer. Natürlich wäre es besser, wenn überhaupt der gesamte Filz Gebühren-Staatseinfluss-Private-Objektivität-Qualität komplett neu geregelt würde. Aber realistisch ist das vorerst leider nicht, solange es nicht die direkte Demokratie erzwingen kann.

Die Nationalbank

Drittens: In der Schuldenkrise ist der Gouverneur der Nationalbank nach langen Jahren des Schattendaseins zu einer Schlüsselfigur geworden. Der Gouverneur wird zwar nicht automatisch von der Kanzler-Partei gestellt, aber in der Praxis der letzten Jahre schon. Und er ist bei allen Abstimmungen in der Europäischen Zentralbank völlig souverän und an keine Regierungsbeschlüsse gebunden.

In Krisenzeiten ist daher ganz entscheidend, wer das ist, welche Währungspolitik er verfolgt, und wie er abstimmt. Aus Deutschland hat man viele bittere Klagen gehört, dass sich der schuldenfreudige Keynesianer Ewald Nowotny in der EZB nicht an die Seite der stabilitätsbewussten Deutschen Bundesbank gestellt hat, sondern an jene der italienisch-französischen Freunde von billigem Geld. Und das war dann ganz zufällig immer auch die Linie jener SPÖ-Hintermänner, die Bundeskanzler Faymann seine jeweilige Linie einsagten.

Es kann nicht schlechter werden – und sonst hilft auch nichts

Diese drei Gründe machen die Bundeskanzlerfrage zur wichtigsten, die am Wahltag noch offen ist, wo der einzelne Wähler noch Einfluss nehmen kann. Damit sehe ich auch nur diese Möglichkeit, durch meine Stimmabgabe die Zukunft dieses Landes wenigsten irgendwie sinnvoll zu beeinflussen.

Gewiss, es gibt keine Garantie, dass es die ÖVP viel besser machen wird als die SPÖ. Gewiss hat die ÖVP in den letzten Jahren allzu oft der SPÖ knieweich nachgegeben, vor allem bei Erstellung des Regierungsprogramms Faymann-Pröll. Aber ein ÖVP-Bundeskanzler macht mit Sicherheit in allen drei Ebenen zumindest Hoffnung auf eine bessere Politik, die bei einem SPÖ-Regierungschef absolut undenkbar ist.

Diese Kanzlerfrage wird für die Wahlentscheidung umso gravierender,

  • da es leider bei den bürgerlichen Parteien nirgendwo den Willen zu einer SPÖ-losen Alternative gibt, geschweige denn einen Koalitionskonsens wie in anderen Ländern,
  • da BZÖ und Neos höchstwahrscheinlich nicht in den Nationalrat kommen werden (ganz abgesehen davon, dass die Neos seit den Auftritten des Herrn Haselsteiner in vielen Fragen ohnedies links stehen und dass BZÖ-Chef Bucher bis knapp vor den Wahlkampf keineswegs ein wirklicher Liberaler gewesen ist),
  • da sich die FPÖ in einer dramatischen Wende vom Wirtschaftsliberalismus früherer Jahre verabschiedet hat,
  • da man bei Stronach keine Ahnung hat, was er eigentlich genau will, und ob er auch nur ein einziges politisches Problem über Lesebuch-Phrasen hinaus wirklich verstanden hat.

"Das ist eine Anti-SPÖ-Stimme"

Am liebsten wäre es mir freilich, ich könnte, statt die ÖVP anzukreuzen, auf den Stimmzettel schreiben: „Das ist keine ÖVP-Stimme, sondern eine Anti-SPÖ-Stimme.“ Nur: Das wäre leider ungültig und in jeder Hinsicht unwirksam. Außer drei oder vier Funktionären in der Wahlkommission würde auch niemand diesen Satz lesen.

Nach der Wahl hat die ÖVP – egal ob als Erster oder Zweiter – die allerletzte Chance, täglich in jeder auch noch so unbedeutenden Entscheidung zu demonstrieren, dass sie SOWOHL wirtschaftsliberal WIE AUCH wertkonservativ ist. Dass also der von einem Josef Pröll unterschriebene linke Koalitionspakt ein einmaliger Ausreißer gewesen ist. Dass die ÖVP keinem einzigen neuen angeblich „sozialen“ Geldhinausschmeiß-Gesetz zustimmt. Dass sie keiner einzigen weiteren Verschlechterung des Bildungssystems, der Lage von Familien und Kindern, der Meinungsfreiheit zustimmt. Dass ihr klar ist: Wer von Entfesselung der Wirtschaft spricht, kann nicht zugleich in Sachen Quoten neue üble Zwänge für die Unternehmen beschließen. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Ein erster Hoffnungsschimmer für eine Rückkehr zur bürgerlichen Vernunft ist jedenfalls, dass Wissenschaftsminister Töchterle angekündigt hat, das neue Lehrerdienstrecht werde so nicht kommen wie von der Regierung vorgelegt. Und dass Parteichef Spindelegger der EU wieder die Kompetenz für die Festlegung von Naturschutzgebieten entziehen will. Und dass die ÖVP sich getraut hat, der linken Propaganda-Illustrierten „News“ endlich sämtliche Parteiinserate zu entziehen.

Über diese sehr zarten Hoffnungsschimmer hinaus muss sich die ÖVP im Klaren sein: Noch einmal wird sie nicht das Glück der gegenwärtigen Parteienlandschaft haben, wo kein Konkurrent das Erfolgsrezept „wirtschaftsliberal plus wertkonservativ“ glaubhaft verkörpert.

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