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Amerika, Russland: Gibt’s noch einen Unterschied?

Amerika wie Russland setzen ihre Justiz in schockierendem Umfang als machtpolitisches Instrument ein. Aber dennoch bestehen zwischen den den beiden Staaten signifikante Unterschiede: Russland unter Putin hat die von Gorbatschow und Jelzin errungene Qualifikation als demokratischer Rechtsstaat (im Anfangsstadium) bereits total verspielt. Was von den USA sicher nicht gesagt werden kann, auch wenn dort die Geheimdienste einen erstaunlich rechtsfreien Raum genießen. Und im Vergleich zu beiden Staaten, aber vor allem zu Russland ist das, was sich in der österreichischen Strafjustiz abspielt, wenigstens noch irgendwie mit dem Grundgedanken des Rechtsstaats verwandt. Trotz allem.

Zur Verteidigung Amerikas muss man sich bewußt machen: Im Falle Snowden prallen zwei wichtige Rechtsgüter aufeinander, die beide wichtig sind. Das eine ist der Schutz der Bürger vor Terroristen. Das andere ist der Schutz der Privatsphäre und des Briefgeheimnisses in allen elektronischen Varianten der Kommunikation.

Ich würde dabei sogar – so wie ja viele andere Menschen abseits der Medien auch – den Schutz vor Terroristen für eindeutig wichtiger ansehen. Zum einen ist das die größere Bedrohung. Zum anderen ist eine echte Abschirmung elektronischer Kommunikation gegenüber unerwünschten Mitlesern sowieso technisch illusorisch.

Den Missbrauch solcherart erlauschter Informationen kann man nur ganz anders bekämpfen: durch strenge Bestrafung von Beamten, die das dabei erworbene Wissen unerlaubt verwenden (ob gegen Geld oder aus anderen Motiven); und vor allem durch einen extrem hohen Schutz der Meinungsfreiheit. Mich macht mehr besorgt, dass in Europa diese Meinungsfreiheit durch EU und nationale Gesetze immer stärker eingeengt wird, als das Wissen um die Geheimnislosigkeit des Internet und dessen auch von Geheimdiensten genutzten elektronischen Möglichkeiten.

Wenn man alles frei sagen kann, dann reduziert sich auch die Bedrohung durch Lauschprogramme.

Freilich: Mit absoluter Sicherheit haben die amerikanischen Lauscher ihr Wissen auch im Interesse großer amerikanischer Konzerne genutzt. In dieser Perspektive schwindet auch wieder rasch ein Großteil der Sympathie für Lauscher, den man noch hätte, wenn es nur um die Abwehr von Terroristen, Islamisten & Co gegangen wäre.

Die Dienste erstrecken aber ihre Aktivität auch auf Industriespionage, die Beobachtung neuer Technologien und die Konditionen von Angeboten bei internationalen Ausschreibungen. Noch mehr geht es um die Denunziation von Wettbewerbern: Es gibt schon viel zu viele Fälle, wo europäische Konzerne gegenüber amerikanischen Konkurrenten ins Hintertreffen geraten sind, weil sie (angeblich oder nur behaupteterweise) Auftraggeber in Drittländern bestochen haben. Nichts ist beispielsweise leichter, als die nationalen Strafbehörden etwa in Deutschland durch anonyme Anzeigen über Bestechungsvorgänge auf Exportmärkten zu informieren. Diese Strafbehörden arbeiten in ihrer bürokratischen Korrektheit dann ganz alleine den Rest ab und zertrümmern die Exportchancen der deutschen Firmen, während sich die Amerikaner ins Fäustchen lachen können.

Wer mehr weiß, wird das Wissen auch einsetzen. Punkt. Und niemand kann verhindern, dass die Amerikaner mehr wissen.

Da geht es um Riesenaufträge, um Arbeitsplätze, also national gesehen um edle und hehre Ziele. Warum sollte Amerika Skrupel haben, diesen zu dienen?

Was aber kann das ausspionierte Opfer tun, also insbesondere Europa?

  • Es kann Versuche der individuellen Abschirmung gegen Hacker&Co unternehmen. Die haben aber wohl nur begrenzte Chancen.
  • Es kann den Amerikanern sagen: Das geht nicht, bitte kein Spionage auf unserem Boden, bitte beachtet unsere Gesetze. Die Szene wird kurz auflachen und nach außen Besserung geloben, während natürlich im Wesentlichen alles weitergeht.
  • Es kann Gleiches mit Gleichem vergelten. Das heißt, dass auch Europa gegen amerikanische Konzerne massive elektronische Wirtschaftsspionage beginnt und dortige Bestechungsfälle dann vor die Justiz bringt. Europa wird sich dabei freilich schwerer tun als die Amerikaner, an die notwendigen Informationen zu kommen: Sind doch fast alle relevanten Player in der Internet-Welt amerikanische Firmen, die zwangsläufig an einer recht kurzen Leine der US-Regierung hängen und die daher immer primär mit dieser kooperieren werden.
  • Und Europa kann schließlich auch sagen: Da in Sachen Korruption Waffengleichheit nicht herstellbar ist, und da auch Europa auf seine eigenen Überlebens-Interessen schauen muss, wird es europäischen Firmen wieder erlaubt, Empfänger in anderen Ländern zu bestechen. So wie es in der Vergangenheit immer der Fall war. Die Korruption außerhalb Europas zu bekämpfen, ist schließlich Aufgabe der dortigen Behörden und nicht jene der Exporteurländer.

Das alles sollte ohne jeden geheuchelten Moralismus europaweit ausdiskutiert werden. Der Versuch etwa von Rotgrün in Deutschland, daraus ein Wahlkampfthema zu machen, ist lächerlich. Denn auch rotgrüne Regierungen haben – im Interesse des notwendigen Antiterrorkampfes – mit amerikanischen Diensten exzellent und vertraulichst kooperiert.

Es bleibt also Nüchternheit am Platz: elektronische Spionage kann nicht verhindert werden; Geheimdienstarbeit ist im Kampf gegen den Terror unverzichtbar. Es kann nur um eine Schadensminimierung gehen.

Im internationalen Vergleich ist aber auch ganz klar: Große Länder wie Russland und China spionieren genauso hemmungslos wie Amerikaner oder Briten, auch wenn es dort derzeit keinen auspackenden Überläufer wie Snowden gibt. Bei Russen und Chinesen würden irgendwelche Aufdeckungsaktionen ein weit geringeres Echo auslösen. Denn sowohl chinesische wie russische Aktionen (siehe etwa die elektronischen Großangriffe auf die baltischen Staaten) werden von den westlichen Medien als irgendwie selbstverständlich behandelt.

Vor allem aber sollte man sich bewusst machen: So übel der amerikanische Druck ist, der rund um den auspackenden Spion Snowden ausgeübt wird, mit der Zertrümmerung der Demokratie durch Putin ist das alles nicht vergleichbar. Niemand wird in den USA unter fadenscheinigsten Vorwänden weggesperrt, sobald er zu einer politischen Gefahr für Präsident Obama wird. In Russland hingegen ist eine politische Herausforderung an Präsident Putin eine sicherer Weg ins Gefängnis.

In Russland gibt es nicht einmal einen Hauch einer Tradition richterlicher Unabhängigkeit. Hier werden Oppositionspolitiker, Rechtsanwälte und Journalisten nicht nur um ihren Job gebracht, sondern reihenweise bedroht, eingesperrt oder umgebracht, wenn sie dem System Putin gefährlich werden könnten. Der Unrechtscharakter Russlands zeigt sich auch an seiner Spitzenreiterrolle bei Beschwerden vor dem Menschenrechtsgerichtshof (28.000 waren allein im Vorjahr anhängig!).

Und jetzt muss eben auch Alexej Nawalny so wie viele andere ins Lager. Trotz seiner vorübergehenden Freilassung nach der ersten Instanz eines absurden Prozesses gibt es keine Zweifel an Nawalnys Schicksal. Der Mann ist eine Bedrohung Putins und gehört daher weg. Der Mann ist charismatisch, beredt und jung – konnte aber zuletzt meist nur noch als Blogger oder auf offener Straße seine Kritik äußern, weil fast alle Medien auf Regierungslinie liegen.

Das scheint zwar oberflächlich der Situation in Österreich zu ähneln. Da gibt es aber noch immer gewaltige Unterschiede. Hierzulande geht es "nur" um die Bestechlichkeit der Medien und ihre Selbstbeschädigung durch einen fast geschlossenen Linkskurs; hierzulande gibt es hingegen (noch?) keinerlei Aktionen der Justiz gegen unabhängige Blogger.

Dass Russland jetzt die Härte verschärft, hat aber noch einen anderen aktuellen Grund: die Energiepreise. Wirtschaftlich hat das Land in den letzten Jahren von deren Höhe profitiert. Putin konnte die Massen mit den im Westen erzielten Einnahmen ruhig stellen. Jetzt aber gehen die Gaspreise steil nach unten, weshalb die Einnahmen schrumpfen werden. Daher wird die Partei der Macht nichts mehr verteilen können. Was sie wieder „zwingt“, auf autoritären Kurs zu wechseln.

Was genau „zwingt“ aber Putin? Nun, das tut vor allem die totale Ablehnung der Möglichkeit eines demokratischen Wechsels. Ein solcher ist für die herrschenden Geheimdienstoffiziere schlicht undenkbar. Wer einen Wechsel will, ist eo ipso ein Verbrecher. Im Kommunismus war er zuletzt prinzipiell ein Geistesgestörter. Das ist Putin zwar bisher noch nicht eingefallen, könnte aber auch noch kommen.

In Russland war Jelzin der einzige, der jemals in der ganzen Geschichte wirklich halbwegs freiwillig zurückgetreten ist. Man denke nur an die vielen ermordeten Zaren, die noch viel unsanfter geendet haben.

Und noch etwas „zwingt“ die herrschende Clique an der Macht zu klammern: Bei deren Verlust müssten sie nämlich fürchten, dass ihre Korruption aufgedeckt würde. Und Putin ganz besonders.

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