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Ein Prozessende erzeugt Übelkeit

Helmut Elsner zeigt sich „schockiert“: Im zweiten Bawag-Prozess hat es – fast – nur Freisprüche gegeben. Damit hängen sämtliche Vorgänge bei der damaligen Gewerkschaftsbank einzig Elsner und seinem Nachfolger Johann Zwettler als Verbrechen am Hals. Wir jedoch bleiben mit mehr Zweifeln und üblen Gefühlen als Gewissheiten zurück. Gewiss scheint nur, dass Elsner selbst die Hauptschuld an seinem „Schock“ trägt.

Denn der einstige Bawag-Chef hat sich von Anfang bis Ende mit nicht ganz überzeugenden Argumenten dem Prozess entzogen. Dabei wäre gerade dieser seine große und letzte Chance gewesen, seinen immer wieder geäußerten Verdacht gegen Wolfgang Flöttl, aber auch seine wiederholten Andeutungen in Richtung einer heimlichen Finanzierung für die SPÖ mit konkreten Be- und Hinweisen zu unterfüttern. Auch viele von uns staunenden Steuerzahlern hätten wahnsinnig gerne gewusst, ob das verlorene Geld nicht vielleicht zum Teil doch einem sehr konkreten Nutzen zugeführt worden ist. Einem Nutzen, der nun wohl für ewig ins Kapitel der ungelösten Welträtsel eingehen wird. Oder wird irgendwann doch einer plaudern?

Es kann jedenfalls nur ein übles Gefühl auslösen, wenn jemand einfach sagen kann und damit bei Gericht durchkommt, alle entscheidenden Unterlagen über karibische Geschäfte im Ausmaß von Hunderten Millionen wären bei einem Computer-Crash verloren gegangen. Leider, leider.

Ist nicht allein diese angeblich unterlassene Absicherung von Daten und das Fehlen jedes Papierausdrucks eine grobe Pflichtverletzung? Warum wurde nicht diese (mit)angeklagt? Oder ist Flöttl etwa gar nur aus Rache der Justiz an Elsner für dessen Fernbleiben freigegangen?

Besonders übel ist das Gefühl auch angesichts der Tatsache, dass der offizielle Prozess-Gutachter von der Staatsanwaltschaft nicht einmal den Auftrag bekommen hatte, eine Spur des verlorenen Geldes zu suchen. Er hatte nur über die Erlaubtheit der Geldflüsse an Flöttl zu befinden, aber nicht darüber, was dann dort geschah. Da stinkt doch etwas in der Staatsanwaltschaft, wenn sie nur ein so selektives Interesse hat.

Übel ist auch, dass sich die Anklagebehörde offenbar nie ernstlich dafür interessiert hat, welche Rolle Fritz Verzetnitsch bei den Deals des Herrn Elsner gespielt hatte. Immerhin war Verzetnitsch damals der oberste Eigentümervertreter (nicht Eigentümer! Das waren ja die einfachen Gewerkschaftsmitglieder). Viele Menschen würden jedenfalls viel Geld darauf verwetten, dass Verzetnitsch viel mehr gewusst hat. Aber alle Verfahren, die er am Hals hat, sind nur Zivilverfahren durch die (neue) Bawag-Führung.

Ein übles Gefühl hinterlässt auch die Tatsache, wer da auf der Anklagebank gelandet ist und wer nicht. Nehmen wir einmal an, es gibt jetzt keine weitere Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwälte: Dann sind wir bei den jahrelang angeklagt Gewesenen mit Menschen konfrontiert, denen sechs Jahre ihres Lebens geraubt worden sind. In dieser Zeit konnten sie nichts verdienen, mussten aber Beträge für ihre Verteidiger ausgeben, die in die Hunderttausende gehen. Ohne eine Chance auf Refundierung. Und sie werden auch jetzt nicht mehr an die berufliche Vergangenheit anknüpfen können.

Das kann doch kein Rechtsstaat sein, der mit unschuldigen Menschen so umspringt! Auch Menschen, die einmal weit oben waren, dürfen nicht so behandelt werden (selbst wenn die Stimmen aus der Gosse automatisch jeden, der einmal irgendwo „oben“ war, für einen Verbrecher erklären). Wo bleibt die Debatte über eine ordentliche Entschädigung für zu Unrecht Beschuldigte oder Angeklagte? Warum sträubt sich die Justizministerin so sehr dagegen, dass man gezielte Gesetzesänderungen versucht, um wenigstens künftige Verfahren zu beschleunigen?

Kein Widerspruch zu diesem Blick auf die Freigesprochenen ist es, wenn man sich zugleich aber schon auch fragen muss, ob wirklich alle Freisprüche berechtigt waren. Kann für alle Vorgänge tatsächlich nur ein einziges Vorstandsmitglied die Verantwortung getragen haben? Gewiss war Elsner ein sehr autoritärer Mann. Aber ist es nicht für die Generalprävention mehr als bedenklich, wenn die kollektive Verantwortung aller Vorstandsmitglieder einfach beiseitegeschoben wird?

Diese Frage heißt nun wiederum keineswegs, dass in Wahrheit ja doch alle schuldig wären. Aber es hat sehr wohl Unterschiede gegeben zwischen jenen, die sich total gefügt haben, und jenen, die Elsner zumindest zarten Widerstand geleistet haben.

PS.: Nur eine kleine Anmerkung aus einem anderen, aber ähnlichen Zusammenhang zum Thema Verantwortungslosigkeit der Staatsanwaltschaft und seltsamer Konsequenzen: Bei der gecrashten Kommunalkredit sind auch Mitarbeiter der zweiten Ebene seit Jahren Beschuldigte. Sie können daher in der auf Sauberkeit penibel bedachten Finanzwelt keinerlei Job mehr finden (höchstens als Autowäscher). Ein jahrelanges Vorstandsmitglied der gleichen Bank aber – also jedenfalls jemand mit weit höherer Verantwortung! – wird zwar ebenfalls seit Jahren von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, ist aber dennoch weiterhin ungehindert im Amt: nämlich im nicht ganz unbedeutenden Job einer Unterrichtsministerin. Aber wahrscheinlich erklärt der SPÖ-Vorsitzende auch diesen Hinweis in seiner gereizten Art für „unanständig“. Noch übler und skandalöser ist freilich, welchen Megaschaden diese Claudia Schmied seither im österreichischen Bildungssystem anrichten konnte.

Konklusion: Unsere Justiz hat zweifellos mit vielem zu tun, aber sicher nicht Gerechtigkeit, sondern mit selektiver Verfolgung unliebsamer Menschen und mit Zweiklassenjustiz.

 

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