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Sieben historische Lektionen eines einzigen Gerichtsurteils

Ziemlich heftig, diese Urteile im Klagenfurter Prozess gegen vier lebendige und einen toten Täter. Aber sie sind wohl eine berechtigte Generalprävention, und in viele Richtungen sogar eine exzellente Lektion.

Strafen von zwei bis fünfeinhalb Jahren (für Ex-VP-Obmann Josef Martinz): Die Mega-Schiebereien rund um ein Pseudo-Gutachten beim Verkauf der Hypo-Alpen haben im sogenannten Birnbacher-Prozess zu schweren Strafen geführt. Trotz Unbescholtenheit und teilweisen Geständnissen der Angeklagten.

Natürlich wird es jetzt noch vielerlei an sich lange hinziehenden Berufungen geben. Diese könnten auch noch durchaus das eine oder andere ändern und mildern. Aber die Lektion ist dramatisch und wichtig. Und sie hat gleich mehrere Kapitel.

Die erste Lektion ist eindeutig eine Warnung an alle Politiker. Ihr geht mit fremdem Geld um, das den Menschen noch dazu oft mit dem Exekutor abgepresst worden ist. Das müsst ihr tausendmal sorgfältiger als mit eigenem Geld tun. Und nicht umgekehrt. Das gilt insbesondere auch für die Politik in den Bundesländern. Denn auf Bundesebene sind die Dinge ohnedies immer viel heikler gewesen (nur hat man in der SPÖ vergessen, das Werner Faymann und seinem Mann fürs Schmutzige bei der Job description rechtzeitig zu sagen). Die Frechheit, mit der sich die regierenden Landesparteien oft bei den scheinbar rein wirtschaftlichen Tätigkeiten ihres Bundeslandes bedienen, hat dringend ein solches Schock-Urteil gebraucht.

Die Frage an die Zukunft und damit die zweite Lektion ist aber noch offen und unbeantwortet: Wird die Staatsanwaltschaft den Mut haben, auch anderswo ebenso energisch durchzugreifen? Also nicht nur in Kärnten, sondern etwa auch in den viel mächtigeren Bundesländern Ostösterreichs oder gar bei amtierenden Regierungsmitgliedern – und nicht nur bei ehemaligen. Das Durchgreifen ist beispielsweise dort besonders notwendig, wo mit überteuren Aufträgen an parteieigene oder parteinahe Verlage sowie mit gezielten Inseratenvergaben brutalster Amtsmissbrauch betrieben wird. Erst dann wird die generalpräventive Wirkung dieses Urteils wirklich relevant werden, wenn nicht nur in Kärnten durchgegriffen wird. Denn dieses Bundesland ist ja immer schon ein wenig als Sonderfall verachtet worden.

Dritte Lektion: Auch wenn ursprünglich die zuständigen Kärntner Staatsanwälte für die Einstellung des Verfahrens eingetreten sind, war dann die Umkehrung dieser Entscheidung durch Wien (in diesem Fall die Korruptionsstaatsanwaltschaft) richtig und notwendig. Das sollte jenen SPÖ-Agitatoren, auch denen im ORF, bei ihrer jüngsten Agitation den Mund stopfen. Sie regen sich ja genau über einen parallelen Vorgang auf, also darüber, dass das Justizministerium den Plan der Wiener Staatsanwaltschaft gestoppt hat, das Verfahren gegen Bundeskanzler und Staatssekretär unter den Teppich zu kehren. Wobei es im übrigen bis heute nicht nachvollziehbar ist, warum auch nach diesem ministeriellen Eingriff nur noch der Untreue-Tatbestand (freilich auch kein Lercherl) und nicht mehr der Erpressungs-Tatbestand (Sieben Millionen für den Werner oder du bist deinen Job los!) verfolgt wird. Zumindest vorerst. Ebensowenig ist nachvollziehbar, warum die Staatsanwälte nicht auch in der Freistellung von Vorstandsmitgliedern und Chefredakteuren bei vollen Bezügen die Untreue zu erkennen verstehen, wenn den Betroffenen kein einziger konkreter Vorwurf gemacht werden kann.

Die vierte Lektion darf ebenfalls nicht untergehen: Das sind die ebenfalls geschmalzenen Strafen für die Chefs der Kärntner Landesholding. Auch wenn jeder in Österreich weiß, dass man seinen Job verliert, wenn man sich als Vorstand oder Geschäftsführer einem Politiker als Eigentums-Vertreter an der eigenen Firma widersetzt (ob das nun eine Landesholding, eine Hypo, die ÖBB, die Asfinag oder die Wiener Zeitung betrifft), darf man dennoch inkorrekten Ansinnen der Politik keinen Millimeter nachgeben. Weil es das Gesetz verbietet – und der Charakter, sofern vorhanden. Das alles sollte künftig für viele Vorstände und Geschäftsführer von staatseigenen Betrieben eine ganz zentrale Lehre sein: Sie können sich nicht mehr hinter dem Politiker verstecken.

Auch die fünfte Lektion ist nicht mehr wegzuwischen, auch wenn es immer wieder versucht wird: Der oberste Hauptangeklagte saß gar nicht im Gerichtssaal; er hat sich rechtzeitig selbst ins Jenseits befördert. Jörg Haider ist dennoch nun endgültig entzaubert. Die Freiheitlichen – ob blau, ob orange, ob gestreift – gewinnen daher nicht gerade an Glaubwürdigkeit, wenn sie weiterhin den Eindruck zu erwecken versuchen, dass ihr Lager mit dem Kriminalfall Hypo nichts zu tun hätte. Haider hat ganz eindeutig die von ihm attackierten Schweinereien der anderen Parteien noch zu übertreffen verstanden, als er selbst am Futtertrog angekommen war.

Die sechste Lektion beantwortet die Frage, wie man die Wahrscheinlichkeit solcher Vorfälle über die generalpräventive Wirkung strenger Urteile hinaus reduzieren kann. Da gibt es nur eine Antwort: Nehmt der Politik nicht nur möglichst viel Steuergeld weg, sondern noch dringender jeden Einfluss in Unternehmungen. Ob das nun Elektrizitätsfirmen, Müllentsorger, Flughäfen oder Banken sind. Nirgendwo braucht‘s die Politik. Nur die Politik braucht diese Unternehmen, um sich bedienen zu können. Um an Geld heranzukommen. Um sich Macht zu verschaffen. Daher ist das allerwichtigste Gebot der Stunde: Privatisierung, fast um jeden Preis.

Die siebente und letzte Lektion gebührt den Gutachtern. Die Leichtfertigkeit, mit der da bisweilen für gigantische Beträge oberflächliche Texte abgeliefert werden, hätte schon lange kritisch beleuchtet gehört. Dazu gehören freilich nicht nur bestellte Privatgutachten von Prozessparteien, Tätern und Politikern, die ihre Entscheidungen damit gegen öffentliche Kritik abschirmen wollen. Sondern auch die von der Staatsanwaltschaft beauftragten. Es ist nämlich ziemlich ungeheuerlich, dass die Gutachten des Staatsanwalts fast immer automatisch zu jenen des Gerichts werden, während die Gutachten eines Angeklagten meist ignoriert werden. Die völlig einseitige Strafprozessordnung gehört da dringend novelliert: Gerichtliche Gutachter gehören in jedem Fall ausschließlich durch einen (Untersuchungs-)Richter bestellt, geführt und gebrieft. Sonst kann der menschenrechtliche Anspruch auf Waffengleichheit vor Gericht nicht gewahrt werden. Sonst sind wir noch immer bei der Inquisition, bei der eben Anklage und Urteil vom gleichen Menschen kamen. Denn jeder weiß: Die Pflicht der Staatsanwälte, objektiv zu sein, steht nur auf dem Papier. In Wahrheit will auch ein Staatsanwalt keinesfalls verlieren – was menschlich verständlich ist, aber eben dringenden Handlungsbedarf in Sachen Strafprozessordnung hervorruft.

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