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SN-Kontroverse: Faymann-Rücktritt

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist Faymanns Inseratenaffäre ein Rücktrittsgrund?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Was und wer soll diffamiert werden?

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Hoppla. Was passiert denn da? Soll nach dem Begriff der Unschuldsvermutung auch jener der Verhältnismäßigkeit im öffentlichen Diskurs diffamiert werden? Wird plötzlich strukturelle Korruption, hervorgerufen durch das Virus der Privatisierung, das derzeit wieder einmal die ÖBB erfasst hat und dem schon Bundeswohnungen, die Post, die Tabakregie u. v. a. m. ohne Not zum Opfer gefallen sind, salonfähig? Reden wir über Schmiergeldzahlungen an Waffenhändler, Lobbyisten, an Strasser, Grasser & Co.? Oder reden wir über die Kärntner Hype Alpe Adria? Jene Bank, die nach Milliardenmiese notverstaatlicht werden musste und die im ersten Halbjahr wieder in die roten Zahlen gerutscht ist; im Vorjahr hingegen hatte es in den ersten sechs Monaten dank eines Sondereffekts 71,8 Millionen Euro Gewinn gegeben. Oder reden wir von den Rettungsschirmen für die Erste Bank und für Raiffeisen, die der Staat Österreich nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers bereitstellen musste? Oder geht es um die sogenannte Inseratenaffäre, in die Bundeskanzler Werner Faymann und sein Staatssekretär Josef Ostermayer - zuständig für Medienangelegenheiten - verwickelt sind? Geht es darum, dass der Kanzler nicht vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung der oben geschilderten Fälle von Hyperkorruption aussagen soll? Oder geht es darum, dass die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP in Tateinheit mit FPÖ und BZÖ die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses mobil machen, weil sie Gabriele Moser (Grüne), die einen hervorragenden Job macht, loswerden wollen? Dieser Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen und daher sollten Faymann und Ostermayer sich nicht scheuen auszusagen, wobei natürlich die Gefahr besteht, dass sie dann medial mit den Grassers, Strassers und Mensdorffs gleichgesetzt werden. Daher sollte überlegt werden, ob die Inseratenaffäre manchen Kopfgeldjägern höchst willkommen ist, um von ihren Machenschaften abzulenken.


Der Kanzler der "Schutzbehauptungen"

 

Andreas Unterberger

Der deutsche Bundespräsident trat sofort zurück, als Staatsanwälte - später wieder eingestellte - Erhebungen gegen ihn begannen. Der österreichische Bundeskanzler ist weiter im Amt, obwohl nach Jahr und Tag die Vorwürfe der Staatsanwälte gegen ihn noch an Schärfe gewonnen haben.

Aber auch auf einem offensichtlich relativ tiefen Niveau der politischen Kultur ist er rücktrittsfällig. Denn sogar die Faymann-freundliche Wiener Staatsanwaltschaft spricht von eindeutigen "Schutzbehauptungen" des SPÖ-Chefs. Und das ist die juristische Formulierung für Lügen eines Beschuldigten. Eines Bundeskanzlers.

Wem auch das harmlos erscheint, der sollte die Stellungnahme der vorgesetzten Oberstaatsanwaltschaft lesen. Dort ist sogar offen vom Delikt der Untreue die Rede. Faymann hat als Minister bei der "Kronen Zeitung" eine riesige Serie über die ÖBB bestellt, in der die Bahn schlecht, Faymann als Minister hingegen sehr gut weggekommen ist. Das Pech der Täter: Der ÖBB-Vorstand hat diese Serie und deren Bezahlung durch die ÖBB erst mehr als ein halbes Jahr nach Beginn genehmigt! Erst dann wurde die Serie auch ÖBB-freundlicher. Wenn das kein Untreueakt ist, dann kann künftig jeder Geschäftsführer mit dem Geld der ihm vorübergehend anvertrauten Firma tun und lassen, was er will. Der Vorstand tat das freilich unter der Bedrohung, sonst den Job zu verlieren, also auf "Bestimmung" (wie es das Strafgesetzbuch nennt) Faymanns.

Und selbst wenn Faymann ähnlich wie einige FPÖ-Politiker meinen sollte, erst eine rechtskräftige Verurteilung wäre ein Rücktrittsgrund, ist er als Bundeskanzler untragbar geworden. Denn ihm ist die Republik total egal geworden, nur um sich selbst zu retten: Seine Partei will in wirtschaftlich schwierigsten Zeiten lieber neu wählen, als dass Faymann vor einem U-Ausschuss aussagen muss. Wo er nämlich erstmals (!) unter gesetzlicher Wahrheitspflicht stünde.

 

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