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Wenn man plötzlich glaubt, der ORF sei objektiv geworden

Plötzlich musste man ja glauben, der ORF sei über Nacht zum objektiven Medium geworden, das sich wieder wie vor langer Zeit um journalistische Standards bemüht: Die „Zeit im Bild“ berichtete ganz unerwartet über die Korruptionsvorwürfe gegen Werner Faymann, die sie bisher ja fast total totgeschwiegen hatte.

Doch bald war alles klar: Einen Tag, nachdem andere Medien – natürlich nicht der ORF – über Vernehmungsprotokolle zu peinlichen Inseratengesprächen Faymanns mit dem einstigen Krone-Chef Dichand berichtet hatten, musste der Parteisender ganz offensichtlich jetzt einen Entlastungszeugen präsentieren. Und der ORF fügte gleich eine Attacke auf die Justizministerin hinzu, weil es diese gewagt hatte, eine genauere Recherche der Faymann-Causa in Auftrag zu geben.

Dazu wurden als Illustration aus den damaligen pseudoredaktionellen Faymann-PR-Artikeln der Kronenzeitung solche Seiten gezeigt, auf denen die zur Bezahlung der Zeche gezwungene ÖBB noch gut weggekommen ist. Hingegen gab es keinen Blick auf jene Seiten, auf denen die Bahn -  beispielsweise wegen ihrer Verspätungen - lächerlich gemacht worden ist.

In der gleichen Sendung wurde pikanterweise groß über die Debatte berichtet, dass Politiker künftig schon beim Beginn staatsanwaltschaftlicher Erhebungen gegen sie zurücktreten sollen (was ich übrigens für einen rechtsstaatlichen Unnsinn halte, der die Opposition der Willkür von weisungsgebundenen Staatsanwälten preisgibt; aber das sei heute nur am Rande angemerkt). Dazu werden von der ZiB einige Namen genannt, die da zurücktreten müssten. Ganz, ganz zufällig fielen den ORF-Politruks da nur Personen aus der rechten Reichshälfte ein. Und nicht die Namen Faymann, Ostermayer, Schmied und Darabos.

Ganz zufällig wird auch der interessante Hintergrund des nun präsentierten Entlastungszeugen verschwiegen, der einst noch als Belastungszeuge gegen Faymann firmiert hatte. Dieser hatte nämlich nach seinem Hinauswurf massive finanzielle Auseinandersetzungen mit den ÖBB gehabt, von denen man aber seit einiger Zeit schlagartig nichts mehr hört. Sollten seine Forderungen vielleicht inzwischen gar in aller Vertraulichkeit erfüllt worden sein? Und gibt’s da vielleicht die üblichen Nebenabreden des Stillschweigens?

Eine ZiB später zeigte sich gleich noch eine Überraschung, die aber ebenfalls nur eine scheinbare war. Denn in dieser Sendung wurde ein ÖVP-Politiker völlig sachlich, geradezu hofjournalistisch interviewt. Er durfte ausreden und wurde kein einziges Mal unterbrochen. Diese Gunst war schwarzen oder blauen Politikern seit Jahren nicht mehr zuteil worden. Dann aber erinnerte man sich, dass der Interviewte schon mehrfach als Mehrheitsbeschaffer für die rote ORF-Führung bereitgestanden ist. Es war nämlich Erwin Pröll. Solche Pröll-Auftritte möchte wohl jeder Politiker im Fernsehen bekommen.

Hätte ich Geld, würde ich nun etliches darauf verwetten, dass die SPÖ für ihre Pläne, den ORF zu einer Übersiedlung zu zwingen, nun bald auch die Unterstützung aus Niederösterreich bekommen wird. Jedenfalls noch vor der Niederösterreich-Wahl.

Oh, du alte Journalisten-Unabhängigkeit, wohin bist zu entschwunden …

PS.: Immer öfter bekomme ich übrigens den Eindruck, dass bei Servus-TV der gute alte Qualitäts-Journalismus ein erfreuliches Comeback feiert. Ganz unspektakulär, damit in Wahrheit umso spektakulärer. Schauen wir mal. Es muss ja nicht immer alles schlechter in der Welt werden.

PPS.: Relativ unfassbar ist hingegen, dass Michael Spindelegger der Hetzschrift „News“ ein Interview gegeben hat. Hat doch das Heft in der Vorwoche in plakativer Manier das Begräbnis der ÖVP verkündet, wie wenn es schon direkt in der Löwelstraße produziert würde. Aber offenbar muss man der ÖVP nur kräftig genug auf den Kopf machen, damit sie einem dann die Schuhe küsst.

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