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Putin, Pussy Riot und die Kirche

Es ist absolut legitim, dass ein gegen den Willen der jeweiligen Kirchenführung erfolgender Missbrauch religiöser Stätten etwa für politische Demonstrationen bestraft wird. Ob dieser nun in Russland oder im Westen stattfindet. Aber dennoch ist das russische Urteil gegen die Aktionistinnen der „Pussy Riot“-Gruppe ungeheuerlich und keineswegs mit dem Schutz der Gotteshäuser erklärlich.

Denn bei deren Tat ging es um eine wenige Minuten dauernde Ordnungswidrigkeit, bei der weder Menschen noch Sachen zu Schaden kamen, die kaum Augenzeugen hatte. Für so etwas kann es in einem normalen Rechtsstaat nur Geldstrafen oder maximal eine kurze bedingte Freiheitsstrafe geben. Es wird der russischen Orthodoxie schwer schaden, dass sie gegen die Dimension dieses Urteils nicht protestiert. Eine Religion lebt nicht vom Wohlwollen der Mächtigen, sondern vom Vertrauen der Menschen in sie und die Menschlichkeit ihrer Exponenten.

Es kann keinen Zweifel geben: Wäre der Missbrauch der orthodoxen Kirche nicht durch eine Anti-Putin-Aktion erfolgt, sondern zur Unterstützung des russischen Machthabers, wäre die Angelegenheit niemals vor dem Richter gelandet.

Ebensowenig Zweifel kann es geben, dass solche Urteile im heutigen Russland wie im Kommunismus auf politischen Befehl dimensioniert werden, dass russische Richter nur die Funktion einer Marionette haben. Das zeigte sich bei allen russischen Prozessen mit der leisesten politischen Dimension. In Russland wie auch in etlichen anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion konnte sich in den letzten Jahrzehnten nichts entwickeln, was auch nur annähernd einer unabhängigen Richterschaft gleicht. Die Politik wollte das nicht, weil es auch ihr gefährlich werden könnte. In diesen Staaten gibt es auch keinerlei Tradition, auf der eine saubere Justiz aufbauen könnte. Das ist in Österreich anders: Hier reichen die Wurzeln einer unabhängigen Rechtsprechung nachweislich bis ins 18. Jahrhundert zurück.

Diese Verhöhnung jedes rechtsstaatlichen Prinzips in Russland sollte endlich auch den Europarat zu einem Erwachen bringen. Dieser hat sich eigentlich einst die Verteidigung des Rechtsstaates als Hauptzweck seiner Existenz auf die Fahnen geschrieben. Dieser müsste daher schon längst Staaten wie Russland oder die Ukraine mit ihrer Politjustiz ausschließen. Aber das wagt in Strassburg niemand auch nur auszusprechen. Der Europarat hätte auch längst schon Druck ausüben müssen, dass sich in Russland eine unabhängige Justiz entwickelt. Und zugleich hätte er Hilfe bei deren Aufbau anbieten sollen, wie es Österreich in einigen seiner Nachbarstaaten mit einigem Erfolg getan hat.

Immerhin hat in diesem Europarat einst auf Verlangen eines österreichischen Sozialdemokraten eine hochnotpeinliche Diskussion stattgefunden, ob man nicht Liechtenstein ausschließen müsse, weil dort der Fürst noch einige marginale Vetorechte hat. Aber offenbar ist man nur bei den Kleinen mutig, bei den Großen hat man die Hosen voll. Weshalb es umgekehrt Zeit wäre, hierzulande eine Diskussion über einen Austritt aus diesem sinnlos gewordenen Verein zu beginnen.

Die Europarats-Mitgliedschaft von Russland oder der Ukraine führt nämlich peinlicherweise auch dazu, dass diese Länder so wie Österreich oder Deutschland Richter in den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entsenden. Es darf eigentlich nicht wahr sein, dass russische und ukrainische Pseudo-Richter heimischen Gerichten durch ihre Urteile vorschreiben, was Menschenrechte sind. Irgendwann wird die Grenze zum absurden Theater überschritten.

Umgekehrt stünde es auch der westeuropäischen und österreichischen Kulturszene, die sich nun reihum medienwirksam mit „Pussy Riots“ solidarisiert, gut an, diesen berechtigten Protesten auch einen Satz der Kritik am Ort der Pussy-Riot-Aktion hinzuzufügen. Aber dazu schweigen sie alle. Offenbar wollen sie auch weiterhin ungestraft ihren Schabernack mit allen christlichen Symbolen treiben.

Zugleich machen diese Künstler – bis auf einige nordeuropäische Karikaturisten – einen weiten Bogen um jede kritische oder gar satirische Befassung mit dem Islam. Das unterlassen sie wohl auch aus linkspolitischer Korrektheit, aber vor allem, weil ihre Feigheit größer ist als die Lust an der Provokation. Über den Protest eines Bischofs kann man sich ja lustig machen. Wer hingegen einen Mullah oder Imam provoziert, muss um sein Leben bangen. Dass es am Islam und seiner Realität ohnedies nichts zu kritisieren gäbe, kann ja wohl niemand im Ernst behaupten. Nicht einmal der dümmste Künstler (auch wenn viele um den Superlativ dieses Adjektivs wetteifern).

 

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