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Telekomitis oder: Die Dummheit des kleinen Aktionärs

Irgendwie hätte ich es ja wissen müssen. Dennoch habe ich mir vor Jahren ein paar Telekom-Aktien zugelegt. Es brauchte aber eigentlich keine Insiderinformation, um zu wissen: Je teurer eine Marketing-Kampagne ist, umso weniger bleibt für die Aktionäre. Und es braucht erst recht keine Insiderinformation, um zu erkennen, dass man als kleiner Aktionär immer der blöde ist, wenn der Staat der dominierende Eigentümer ist.

Dieser kann ja nur durch Politiker handeln. Und die haben nie die Interessen eines kleinen Shareholders im Auge, der damit für sein Alter vorsorgen will. Sie haben nur eines im Kopf: Sie wollen bei der nächsten Wahl wiedergewählt werden. Die aber liegt in der Regel immer knapp bevor. Ihnen geht es nicht um eine langfristige Wertsicherung. Ihnen geht es auch nie um den kurzfristigen Ertrag. Es geht entweder um Wählerstimmen, etwa jene der Belegschaft. Oder es geht um Geld, mit dem man sich Wähler kaufen kann.

Was ich damals freilich nicht wissen konnte, war die Unfähigkeit und kriminelle Energie der Telekom-Führung. Die Unfähigkeit zeigte sich etwa im ständigen Umtaufen des Markennamens, von dem nur die jeweils aktiven Werbe- und PR-Agenturen profitierten: Einmal hat man einen, ein andermal zwei unterschiedliche Marken im gleichen Markt; dann tauft man sich wieder besonders grotesk um, in „Bummelzug-ins-Internet“ oder so ähnlich. Geldverbrennende Unfähigkeit zeigt sich auch daran, dass man bei fast jedem Event für die Cocktail-Klasse auf die Telekom als Sponsor stößt.

Unglaublich ist auch, dass aus den Computern der Telekom 200.000 Mails den Weg ins Freie zu Medien und Politikern finden konnten. Da fragt man sich schon, was die gegenwärtige Aufregung um die Rufdatenerfassung soll, bei der sechs Monate lang nur die Tatsache eines Gesprächs oder Mails gespeichert werden darf, aber nicht der Inhalt. Gleichzeitig können aber bei einer Firma, die Zugang zu allen Kundenmails und -telefonaten hat, auch noch nach Jahren Mails mit dem gesamten Inhalt (und eben nicht nur die angewählte Adresse) illegal an die Öffentlichkeit dringen.

Ein strategischer Privateigentümer wäre auch sofort mit viel mehr Energie der gigantischen Kursmanipulation nachgegangen, mit der sich eine Führungsmannschaft bereichert hat. Und völlig fassungslos ist man als Aktionär über das, was da zuletzt bekannt geworden ist: Ein (zum Glück) nervenschwacher Spitzenmanager, der selber besonders dick im Dreck steckt, lässt sich von den Staatsanwälten zum Auspacken bewegen. Er versucht sich, obwohl selbst Haupttäter, als Kronzeuge gegen seine Mittäter in die Straffreiheit zu retten. Die Telekom ist seither als Selbstbedienungsladen für alle Parteien entlarvt, insbesondere die jeweils regierenden. Sie ist ein Unternehmen, dessen rote Führung sich nach dem Machtwechsel durch hemmungslose Bestechung das Wohlwollen der blau-orangen Ressortführung kaufen wollte.

Alles ziemlich grauslich.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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