Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der Tod einer Verschwörungstheorie

Griechenland ist noch lange nicht gerettet – aber wieder einmal ist eine Verschwörungstheorie zusammengebrochen. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Dass 95 Prozent der privaten Gläubiger Griechenlands auf einen Gutteil ihre Forderungen verzichten, überrascht. Haben doch alle „Insider“ seit Wochen von einer großen Verschwörung der Hedgefonds berichtet. Diese Fonds hätten sehr viele Forderungen günstig aufgekauft, würden auf keinen Euro davon freiwillig verzichten, und für den Fall einer zwangsweisen Beschneidung die von ihnen gekauften Kreditausfallversicherungen (CDS) aktivieren. Solche CDS seien außerdem von den wilden Spekulanten auch in Form von Wetten ganz ohne zugrundeliegenden Kredit in großem Umfang gekauft worden.

Es gab zwar offensichtlich keine Beweise, aber man wusste das einfach alles. Seit drei Jahren wird ja jedes Gerücht geglaubt, wenn es nur irgendwelche düstere Spekulanten zum Bösewicht stempelt. Die Vermutung ist groß, dass solche Gerüchte besonders von der Politik gestreut werden, damit nur möglichst wenige Menschen erkennen, dass die schuldensüchtigen Regierungen die eigentlichen Hauptschuldigen an der Krise sind. Aber wieder einmal hat all das Böse, was man da so über die Finanzwelt zusammenreimte, nicht gestimmt. Seltsam. Und wenn jemand wie behauptet wirklich massenweise die behaupteten Spekulations-Wetten abgeschlossen hätte, stünde er nun mit blutiger Nase da. Aber man sieht keinerlei Blutspur.

Die einzigen, von denen zumindest griechische Medien konkret berichten, dass sie dem Schuldenschnitt nicht zugestimmt haben, sind ausgerechnet griechische Pensionsfonds. Das wäre noch viel seltsamer. Wenn diese Meldungen oder auch jene über gewaltige Rüstungskäufe Griechenlands stimmen sollten, dann bestätigt das freilich nur eines, was jeder Lokalaugenschein in Griechenland auch zeigt: Das eigentliche Problem Griechenlands ist nicht die Schuldenmenge, sondern der Reformunwille des Landes und seiner Menschen. Man tut ständig nur so, als ob man harte Schnitte setzt – ­ nämlich solange irgendein Ausländer Druck macht. Aber kaum ist der wieder abgezogen, geht der alte Schlendrian weiter.

Wirklich grundlegende Änderungen finden dort einfach nicht statt. Während Irland oder Portugal sehr harte Sanierungsmaßnahmen durchziehen, erscheint es den Griechen offenbar viel praktischer, wenn halt auf das nunmehrige zweite Hilfspaket in einiger Zeit ein drittes folgt. Und so weiter.

Das bestätigt aber nur die absolute Überzeugung: Schon das erste Paket war ein schwerer Fehler gewesen. Und die europäischen Steuerzahler wären viel billiger weggekommen, hätten sie nicht Griechenland dauerretten, sondern nur den Dominoeffekt wegsubventionieren müssen, falls ausländische Banken mit vielen griechischen Staatsanleihen im Tresor zu kollabieren gedroht hätten.

Aber diesen historischen Fehler wird nie jemand zugeben. Weder eine Regierung noch EU noch die EZB noch eine Notenbank. Wer ist schon bereit zu sagen: Wir haben einen Riesenfehler begangen? Lediglich der Internationale Währungsfonds wendet sich immer stärker von der bisherigen Griechenland-Politik ab. Vielleicht weil dort keine Europäer sitzen?

(Am nächsten Morgen waren es dann zwar doch nur 84 Prozent. Was aber am Geschriebenen nichts ändert).

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung