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Vieles ist Hoffnung, nur die Katastrophen sind fix

Es ist fast rührend: Maria Fekter meint, mit diesem Sparpaket werde Österreich demnächst wieder sein Triple A bekommen. Ganz abgesehen von der Labilität der EU und der Weltwirtschaft; ganz abgesehen davon, dass Experten seit längerem eher eine weitere Herabstufung des Landes für am Platze sehen: Schon in den ersten Stunden wachsen auch die Indizien, dass Österreich mit diesem Sparpaket keineswegs an das versprochene Nulldefizit herankommt. Dazu ist allzu vieles bloß auf das Prinzip Hoffnung+Ankündigung aufgebaut. Ganz unabhängig davon sei aber heute einmal ganz nüchtern analysiert, wo die Pluspunkte und wo die Negativpunkte dieses Pakets liegen.

Beginnen wir mit dem Positiven:

  1. Positiv ist sicher, dass die Koalition alle Mächtigen dieses Landes eingefangen zu haben scheint. Niemand wagt öffentlich zu widersprechen. Und der versteckte Dissens über das viele noch ungeklärte Kleingedruckte ist zumindest vorerst einmal unter den Tisch gekehrt.
  2. Zu loben ist das Aus für die Parallelrechnung bei der Pensionsberechnung. Freilich: Auch der neue Berechnungsmodus ist alles andere als leicht verständlich. Womit es wieder nichts ist mit einer auch für Laien nachvollziehbaren und versicherungsmathematisch klaren Pensions-Berechnung. Diese bleibt eine totale Geheimwissenschaft.
  3. Erfreulich ist auch, dass es weiterhin keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Natürlich stellt das keine Verbesserung, sondern nur eine Nichtverschlechterung dar. Mit der gleichen Logik müsste man es ja eigentlich auch loben, dass weder Folter noch Todesstrafe eingeführt worden sind.
  4. Zu loben ist die Ankündigung – freilich eben nur: Ankündigung –, dass die provozierenden ÖBB-Frühpensionen schlagartig aufhören werden. Damit scheint etwas, was lange unmöglich war, plötzlich möglich geworden zu sein. Es sei denn, das Gefühl in meiner Magengegend hat recht. Es signalisiert nämlich, dass die ÖBB-Gewerkschaft noch jede Menge Tricks in der Hinterhand hat, um zu verhindern, dass ihre Mitglieder wirklich bis deutlich nach dem 60. Geburtstag arbeiten. Eine von meinem Magen erwartete Gegenmaßnahme wäre etwa eine Sammelklage beim Verfassungsgericht, in der es von Vokabeln wie „wohlerworbene Rechte“, „Eingriff in die Vertragsautonomie“, „Vertrauensschutz“ nur so wimmelt. Haben doch schon in vielen Ländern weltferne Richter Sparpakete demoliert. Aber bleiben wir dennoch vorerst dabei, den Punkt ÖBB-Frühpension in der Lobesliste zu belassen.
  5. Die Besteuerung von Immobilienverkäufen auch nach einer zehnjährigen Behaltefrist ist vertretbar, und die Besteuerung von Gewinnen bei Widmungsänderungen zur Reduktion von Korruption sogar sinnvoll.
  6. Strukturpolitisch sinnvoll ist auch die Abschaffung des billigen Agrardiesels.
  7. Auch wenn es einer der Punkte ist, die mich selber besonders treffen: Die Erhöhung der Pensionsbeiträge für Selbständige bedeutet ein sinnvolles Mehr an Gerechtigkeit. Denn der höhere Prozentsatz, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer (zusammen) als Pensionsbeitrag für jeden Unselbständigen zahlen, ist eigentlich nicht zu rechtfertigen.

Damit ist das Positive aber schon weitgehend am Ende. Und nun beginnt die – leider viel längere – Liste der Minuspunkte.

  1. Das schlimmste Versagen ist es zweifellos, dass die Regierung sowohl Hacklerpension (ein vor allem von Beamten genutztes Institut!) wie auch Frauenpension unangetastet gelassen hat. Sie hat auch – trotz einer leichten Erhöhung – noch immer nicht die versicherungsmathematisch gerechten Abschläge für einen Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr eingeführt. Statt dessen werden die wehrlosen Pensionisten in den nächsten Jahren durch weit unter der Inflation liegende Pensionserhöhungen zur Kassa gebeten. Mit anderen Worten: Weil SPÖ und Arbeiterkammer ideologische Kühe für heilig erklärt haben, müssen die Alten bluten, während durchaus noch arbeitsfähige Menschen das Privileg eines frühen Pensionsantritts behalten. Das ist nur noch krank. Und das totale Gegenteil von dem ständigen Gerechtigkeits-Gewäsch vieler SPÖ-Politiker.
  2. In die Minusliste gehört insbesondere auch die Tatsache, dass viele Möglichkeiten zu einer wirklich grundlegenden Reform ausgelassen worden sind. Ohne Verwaltungsreform wird aber auch der Beamtenabbau schwierig. Eine echte und mutige Reform hätte etwa eine ganze Verwaltungsebene im Beziehungsgeflecht Gemeinde-Bezirk-Land abgeschafft. Sie hätte den Bundesländern die Steuerverantwortung für all ihre Ausgaben übertragen. Sie hätte den Bundesrat abgeschafft. Sie hätte die teuren „Neuen Mittelschulen“ zugunsten der billigeren und viel besser leistungsorientierten Hauptschulen abgeschafft. Sie hätte an den Universitäten Studienzugangsregelungen eingeführt. Sie würde dem Verwaltungsgerichtshof erlauben, selbst meritorische Entscheidungen zu treffen, statt mit jedem aufgehobenen Bescheid einen neuen riesigen Verwaltungszirkus auszulösen. Sie würde noch viel mehr Staatsausgaben verpflichtend unter die Regeln des Vergabegesetzes stellen (statt dessen hat dieselbe Regierung auf Wunsch der Wirtschaftskammer das Vergaberecht gelockert und damit der Verschwendung und Korruption eine viel größere Gasse geöffnet!). Und und und.
  3. Statt solcher sinnvoller Reformen erhöht man wie wild die Einkommensteuer für Spitzenverdiener. Diese steigt gleich um sieben Prozentpunkte! Das wird gerade die für die Wertschöpfung in Österreich besonders wichtigen Leistungs- und Arbeitsplatzträger abschrecken beziehungsweise vertreiben. Das ist eine absolute Idiotie, auch wenn das angeblich nur eine vorübergehende „Solidarmaßnahme“ ist. Wer‘s glaubt, wird ein unseliges Wunder erleben. Ganz abgesehen davon, dass auch die Etikettierung eine Frechheit ist. Mit wem soll man denn „solidarisch“ sein? In Deutschland wurde eine solche Solidarabgabe zugunsten der Wiedervereinigung eingeführt. Die hat in Österreich meines Wissens nicht stattgefunden. Wir müssen hingegen mit refomunwilligen Politikern solidarisch sein.
  4. Ein peinlicher Jammer ist das späte Wirksamwerden des Sparpakets. Im heurigen Jahr wird noch fast gar nichts gespart. Hat man doch erst vor Weihnachten ein üppiges Budgetdefizit beschlossen, so als ob man damals noch keine Ahnung von der Finanzmisere hätte. Man gab zugleich den Pensionisten und Beamten üppige Erhöhungen, als ob überhaupt das ganze Jahr Weihnachten wäre.
  5. Eine weitere Katastrophe wird langfristig das erhöhte Mitspracherecht der Länder, insbesondere bei jeder Steuerreform werden. Im Gegenzug versprechen zwar die Länder auch signifikante Einsparungen – nur hat der Bund absolut keine Mittel, diese auch wirklich durchzusetzen. Die Länder haben ja auch schon in der Vergangenheit die meisten Sparsamkeitszusagen rasch wieder vergessen (Lobenswerte Ausnahme Oberösterreich und Vorarlberg). Man erinnere sich nur an die frechen Töne aus dem Wiener Rathaus, dass man sich keine Vorschriften machen lasse.
  6. Eine Dummheit ist es, die drei großen Bahntunnels alle mit deutlicher Verzögerung zu bauen, statt sich beispielsweise vorerst auf einen zu konzentrieren. Damit wenigstens einer fertig wird und Nutzen bringt. Das wäre logisch, aber das hätten die jeweils nicht mit Bohrlöchern beglückten anderen Landeshauptleute nicht erlaubt.
  7. Ebenso amüsant wie gefährlich ist, dass die Regierung schon fix Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer einplant: Erstens verteilt sie dabei das Fell, bevor der Bär erlegt ist. Denn in Europa gibt es einen tiefen Dissens über die Einführung einer solchen Steuer, die jedoch nur im internationalen Gleichklang eingeführt werden soll. Zweitens aber ist diese Steuer mit Sicherheit massiv schädlich fürs Wachstum. Drittens will auch die EU selber die Erträge dieser Steuer haben. Womit das Fell des noch durchaus lebenden Bären gleich zweimal verkauft wird.
  8. Indirekt schon selbst eingestanden haben die Koalitionsparteien ihr Scheitern beim Thema Gesundheit. Sie haben in ihre Listen zwar einen satten Sparbeitrag des alljährlich teuerer werden Gesundheitsbereichs hingeschrieben. Über das Wie schweigen sie aber total. Was ja nun wirklich ein Dejavu ist. Denn bei der Gesundheit ist noch jede Regierung gescheitert (siehe auch den amerikanischen Heiland außer Dienst namens Obama). Wer die Gesundheit reformieren will, müsste sich nämlich gleichzeitig mit den Ärzten, mit den Bundesländern und Gemeinden, mit den Sozialpartnern anlegen. Und alle benutzen die Angst der Menschen um ihre Gesundheit als Geisel für ihre eigenen Macht- und/oder Geldinteressen.
  9. Eine absolute Geldverschwendung ist eine zusätzliche Ausgabe von 750 Millionen als Lohnsubvention für ältere Arbeitnehmer. So etwas steht wirklich in einem „Sparpaket“! Das ist eine völlig perverse Regelung, die in Wahrheit nur die schwere politische Schuld der Gewerkschaften kompensieren soll. Diese weigern sich nämlich, die Kollektivverträge zu ändern, welche ältere Arbeitnehmer allein auf Grund ihres Alters teuer machen. Da muss jetzt also der Steuerzahler einspringen, weil eine Altersgruppe Tariflöhne bekommt, die über ihrer Leistung liegen. In Wahrheit gibt es ja überhaupt keinen Grund, ab dem 50. Lebensjahr nur auf Grund des Alters Gehaltserhöhungen festzuschreiben.
  10. Eine Schikane, die aber nichts bringen wird, ist das Verbot, die Altersteilzeit künftig zu blocken. Man erspart sich dabei aber nichts von den hohen Subventionen dieser Altersteilzeit. Jedoch wird die für Menschen und Wirtschaft praktische Methode abgeschafft, an Stelle jahrelanger Teilzeit zuerst voll zu arbeiten und dann trotz weiterem Lohnbezug gar nicht mehr. Cui bono?
  11. Was die Schaffung einer neuen Verwaltungshochschule als Teil eines Sparpakets zu suchen hat, ist überhaupt rätselhaft.
  12. Die Reduktion der Bausparprämie ist unsinnig. Die Finanzierung des dringend benötigten Wohnbaus wird dadurch noch schwieriger werden.
  13. Auch die private Altersvorsorge wird künftig weniger gefördert. Dabei ist die individuelle Altersvorsorge der Österreicher im internationalen Vergleich ohnedies schon blamabel gering. Diese Einsparung ist ein weiterer Schritt hin zum real existierenden Sozialismus und ein Weg vom „Mehr privat!“

Diese Listen des Guten und des Bösen sind keineswegs vollständig. Zum einen habe ich die reinen Abkassiermaßnahmen gar nicht eigens aufgezählt, wenn sie nicht zusätzlich negative Strukturwirkungen haben. Viele Maßnahmen sind auf Grund der relativ knappen Darstellung des Sparpakets auch noch gar nicht endgültig bewertbar. Viele Punkte müssen erst ausgefeilt und mit den Betroffenen verhandelt werden (oder glaubt jemand wirklich, dass die Exekutive künftig freiwillig am Wochenende billiger arbeiten wird, nur weil es in einem Koalitionskonzept steht?). Vieles bedeutet nur eine Verschiebung von einer Tasche in eine andere – wie etwa der Transfer der unter-50-jährigen Invaliden von der Pensionskasse in die AMS-Kasse.

Wenigstens eines wissen wir aber jetzt fürs nächste Sparpaket, das ja zweifellos in absehbarer Zeit ins Haus steht: Wirkliche Reformen bringt keine Koalition, sondern nur noch ein parteiunabhängiger Regierungschef durch, der die gesamte Drohkraft der EU und der internationalen Finanzwelt hinter sich hat. Nur ein solcher Regierungschef braucht keine Rücksicht auf Landeshauptleute, auf Gewerkschaften, auf Kammern, auf Ärzte, auf ideologische Wunschprojekte und auf den nächsten Wahltermin zu nehmen.

Demokratie haben wir uns freilich einst anders vorgestellt . . .

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