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Österreich, der Neid, die Diplomatenpässe, und die Dienstpässe

Österreich steht vor der historischen Weichenstellung zwischen dem Weg nach Griechenland und dem Weg nach Deutschland. Der eine ist kurzfristig verführerisch bequem, der andere anfangs sehr hart. Auf diesem Weg verliert Österreich sein Triple-A-Rating, es drohen schwere Regierungskrisen oder gar Neuwahlen. Und was debattieren da die Medien dieses Landes am heftigsten? Die Diplomatenpässe für Bischöfe und Altpolitiker! Die Medien schweigen dabei jedoch fast total zu den damit eng verwandten Dienstpässen. Ein Sittenbild.

Weil sich die Medien so an Kleinigkeiten festkrallen – wahrscheinlich weil sie durch Großigkeiten ja auch geistig überfordert wären – ist das Ergebnis der jüngsten Meinungsumfrage zwar deprimierend, aber kein Wunder: Eine Mehrheit der Österreicher ist gegen ein Sparpaket. Wie OGM (allerdings im Auftrag einer Gratiszeitung) erhoben hat, sind nur 42 Prozent für ein Sparpaket, während 53 Prozent dagegen sind.

Freilich: Wenn niemand den Menschen die dringende Notwendigkeit eines Schuldenabbaus – oder zumindest keines weiteren Anstiegs der Schulden – vermittelt, woher sollen sie dann überhaupt um diese Notwendigkeit wissen? Was die Dinge noch schlimmer macht: Sobald die konkreten Maßnahmen feststehen, wird die Zahl der Zustimmenden mit Sicherheit noch deutlich geringer werden. Nach dem Motto: Ihr könnt ja überall sparen, aber doch nicht bei mir!

Aber zurück zum Aufreger der Medien, den Diplomatenpässen: Es ist ganz gewiss schwer zu begründen, wenn jemand nach Ausscheiden aus einem öffentlichen Amt noch so wie ein aktiver Amtsträger behandelt werden will. Dass sich jetzt vor allem die Herren Blecha und Vranitzky über den geplanten Entzug ihres Diplomatenpasses so aufregen, rundet überdies so manches Vorurteil über diese Herren ab.

Dabei sollte mit der Forcierung des Diplomatenthemas ja eigentlich nur der Fall Grasser am Kochen gehalten werden, nachdem nach wie vor die konkreten Beweise gegen den Ex-Finanzminister Mangelware sind. Vranitzky ist so etwas wie ein Kollateralschaden (seinen dubiosen Geschäften ist ja nie ein Staatsanwalt nachgegangen, wie etwa der berühmten Million für die Information, dass der Euro eingeführt wird).

Sollte man vielleicht den Diplomatenpass lediglich im Fall strafrechtlicher Erhebungen entziehen? Das wäre witzig. Denn das müsste dann ja auch für Werner Faymann oder Claudia Schmied gelten. Gegen die läuft nämlich genauso ein Strafverfahren wie gegen Grasser (auch wenn es da keine Staatsanwälte gibt, die ständig Aktendetails hinausspielen).

In Wahrheit gibt es aber außer blankem Neid (der freilich gerade in Österreich sehr verbreitet ist) so und so keinen Grund, das Thema für wichtig zu halten: Denn kein Österreicher, keine Institution des Landes erleidet durch die großzügige Vergabe dieser Pässe einen Schaden. Opfer sind höchstens ausländische Grenzbehörden, die bei Besitzern von Diplomatenpässen nicht so genau hinschauen. Da manche Länder – von der Dritten Welt über Russland bis zu den USA – die Passkontrollen sehr langwierig und schikanös gestalten, würde ich ja am liebsten jedem Österreicher ein solches Ticket für die zeitsparende Überholspur geben.

Amüsant ist freilich ein eng verwandtes Thema, nämlich die „Dienstpässe“. Diese verschaffen ähnliche Express-Abfertigungen auf Flughäfen, sie sind sogar viel zahlreicher ausgegeben worden als Diplomatenpässe. Und dennoch redet niemand darüber.

Beim langen Nachgrübeln ob dieser Diskrepanz in der medialen Reaktion erinnerte ich mich an meine langen Jahre als außenpolitischer Journalist. Da sah ich mit Erstaunen, dass auch etliche Kollegen mit solchen Dienstpässen reisten. Und dass sie auf Nachfrage nach dem Wieso nur sehr verschwommen antworteten. Die erste solche Beobachtung machte ich übrigens noch in der Ära Kreisky. Worauf ich die Berichterstattung der Kollegen vor allem aus massenstarken Medien ein wenig genauer zu beobachten begann: Vorsichtig ausgedrückt, habe ich da keine sonderlich starken regierungskritischen Akzente bemerken können.

Ich bin natürlich – fast – sicher, dass sie inzwischen alle ihre Dienstpässe längst fein säuberlich zurückgegeben haben. Nur: Warum erwähnen sie das denn alle gar nicht? Lassen sie sich aus Bescheidenheit eine so einfache Selbstberühmung entgehen – oder…

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