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Der Pluralismus hat ausgetanzt

Eine pluralistisch-rechtsstaatliche Demokratie muss ein zentrales Prinzip haben: Toleranz. Wer nicht andere gefährdet oder bedroht, muss in einer solchen Demokratie ein gleichberechtigtes Existenzrecht haben. Egal ob er den anderen gefällt oder nicht. Dieses Prinzip wird bei uns immer öfter durchbrochen. Ein markantes Beispiel dafür sind die Vorgänge rund um den in dieser Woche stattfindenden WKR-Ball.

Dieser Ball der Wiener Korporationen wird nach ungestörten Jahrzehnten seit einigen Jahren durch gewalttätige Demonstrationen grüner, roter und anarchistischer Gruppen bedroht. Was alljährlich breitgefächerte und teure Polizeiaktionen notwendig macht. Schon die Aggressivität dieser Demonstrationen zeigt ein bedenklich geringes Toleranz-Niveau von zwei heimischen Parlamentsparteien.

Der Ball darf aber ab nächstem Jahr überhaupt nicht mehr stattfinden. Zumindest nicht mehr in der Wiener Hofburg. Damit hat die Straße über Recht und Toleranz gesiegt. Was ein extrem bedenkliches Zeichen für den Zustand dieses Landes ist.

Die Entscheidung für diese Absage haben aber letztlich gar nicht die anonyme Straße und die dortigen Steinewerfer oder Brandstifter zu verantworten. Die Verantwortung liegt auch nicht bei der Geschäftsführung des Ball- und Konferenzzentrums, die sogar ausdrücklich für die weitere Durchführung des Balles ist, sondern bei deren Eigentümern, einer Anhäufung österreichischer Feigheit und landesüblichen Anpasslertums: Die Casinos Austria an der Spitze (ein parteipolitisch geschützter Privilegienbetrieb), das Verkehrsbüro, Ruefa und die Hotelketten Intercontinental, Sacher, Schick und Austria. Dass aus dem Hotel Sacher überdies noch persönliche Protestschreiben einer Linksaußen-Journalistin zur Veröffentlichung zugespielt worden sind, rundet nur das Bild ab.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich war nie auf jenem Ball und habe bis heute nicht verstanden, warum sich „schlagende“ Studenten (also die Träger des Balls) freiwillig Gesicht und Oberkörper beim sogenannten Mensurenfechten verunstalten lassen. Nur: Sie tun das freiwillig. Und ich habe seit Jahren nicht das geringste Indiz von Gewalttätigkeiten gesehen, die von diesen Gruppen gegen Dritte ausgingen. Oder von Aufrufen zu Gewalt oder ähnlichem.

Der einzig konkrete Vorwurf, den ich irgendwo fand, ist das Zusammenfallen des seit Jahren durch den Wochentag fixierte Balltermins mit einem Gedenktermin zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Wer aus diesem terminlichen Zusammenfallen eine von langer Hand vorbereitete antisemitische Provokation ableiten will, der muss freilich schon eine heftige genetische Veranlagung zu Verschwörungstheorien haben. Etwas, was man bisher primär am Rechtsaußen-Rand der politischen Arena daheim wähnte.

Wie ungefährlich der WKR-Ball in Wahrheit ist, zeigt die Tatsache, dass er bisher zusammen mit anderen Wiener Nobelbällen unkritisiert zum Unesco-Weltkulturerbe erhoben worden war. Hauptverantwortlich für diese Unesco-Liste ist eine langjährige sozialistische Spitzendiplomatin, die auch im Kabinett eines gewissen Franz Vranitzky eine Schlüsselfunktion gehabt hatte. Jetzt stottert sie herum, dass sie da etwas übersehen haben müsse.

Dennoch wird mit dem feigen Nachgeben gegen die Jäger des WKR-Balls keineswegs für Ruhe gesorgt. Denn die Linke bereitet sich schon zum Sturm auf die nächste bürgerliche Gruppe vor: Im linken Untergrund kursieren Aufrufe zum Sturm gegen den CV-Ball in Linz. Und bei der letzten Wiener ÖH-Wahl ist auf dem Geschichts-Institut ein Aufruf zur Vertreibung aller bürgerlichen Studenten und Professoren verteilt worden.

Wer den Anfängen nicht wehrt, der wird am Schluss selber zum Opfer des Mobs. Das haben wir ja im vorigen Jahrhundert in Europa schon mehrfach gesehen.

Viele glauben, dass diese gefährlichen Anfänge ohnedies immer nur „bloß die anderen“ treffen. Bis diese Anfänge dann aber immer mehr „andere“ treffen. Dann werden halt eines Tages die Fleischhauer nicht mehr tanzen dürfen, weil es demonstrierenden Tierschützern nicht gefällt. Oder ein Pfarrkränzchen wird bekämpft, weil das ja die Schuldigen an den Kreuzzügen seien. Und jedenfalls sind die pluralistische Demokratie und der Rechtsstaat die ersten Opfer, wenn die opportunistische Feigheit erste Bürgerpflicht geworden ist.

 

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