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Die roten Meinungsmacher (9): Die Repolitisierung des Rundfunks: Kreisky und die sozialistische Gegenreform

Am 1.Mai 1970 werden die Karten in Österreich neu gemischt. Die SPÖ gewinnt die Nationalratswahl. Sie ist mit 48,4 Prozent wieder die stärkste Kraft im Land. Die ÖVP unter Klaus sackt auf 44,7 Prozent ab. Klaus zieht die Konsequenzen und wirft das Handtuch. Bruno Kreisky wird Bundeskanzler, und das bleibt er bis zum Jahr 1983.

Den Grundstein zum Wahlsieg der Sozialisten und der Wahlniederlage der Volkspartei hatte die ÖVP mit der Rundfunkreform und der Installierung Bachers als Generalintendant selbst gelegt, so die verbreitete Meinung vieler politischer Kommentatoren. Das weiterhin von Sozialisten gelenkte Fernsehen hatte SPÖ-Chef Kreisky die ideale Bühne für seine Auftritte geboten. Die „Revolution" hat auch in diesem Fall ihre Kinder gefressen.

Kreisky bedankte sich sogar nach gewonnener Wahl bei Gerd Bacher für den fairen und objektiven Journalismus des öffentlichen Rundfunks[i]. Bacher antwortet darauf: „Nichts zu danken. Ist ohnehin ungern geschehen.“[ii]

Kreisky ist im Gegensatz zu Klaus ein für damalige Verhältnisse begnadeter Kommunikator und kennt den richtigen Umgang mit Journalisten. „Mit Bruno Kreisky ist auch der Archetypus des Medienkanzlers verbunden. Wie kein anderer vor ihm schaffte es der „Sonnenkönig“, die öffentliche Meinung im Diskurs mit Journalisten zu seinen Gunsten zu steuern und nutzte darüber hinaus das damals noch junge Medium Fernsehen als erster Berufspolitiker gekonnt“.[iii]

Erste Angriffe auf Bacher

Nach langwierigen Verhandlungen mit der ÖVP bildet die SPÖ mit Duldung der FPÖ, deren Chef damals der ehemalige SS-Obersturmführer Friedrich Peter ist, eine Minderheitsregierung. Politische Beobachter vermuten, dass die Gespräche mit der ÖVP aber ohnehin nur zum Schein geführt worden sind.

Kreisky muss vorerst mit Gerd Bacher leben. Das tut der frischgebackene Kanzler, trotz des Lobes nach der Wahl, aber nur sehr ungern. Er erwartet sich von Bacher sogleich Subordination. In einem ersten Protestanruf im Rundfunk warf Kreisky Bacher vor, er habe es verabsäumt dem neuen Bundeskanzler einen Antrittsbesuch abzustatten.[iv]

Was Kreisky an dem mächtigen Rundfunkchef wirklich stört, ist, dass er mit der nun in der Opposition befindlichen ÖVP genauso verfährt wie zuvor mit der oppositionellen SPÖ: Er lässt sie zu Wort kommen.

Der Hass der SPÖ bzw. von Kreisky auf Bacher geht sogar soweit, dass der Bundeskanzler dem Generalintendanten am Telefon droht: „Nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Bacher, dass unsere Auseinandersetzung bis zur letzten Konsequenz geführt wird.“[v]

Wie es sich für ein braves Parteiorgan gehört, startet die Arbeiterzeitung über Wochen eine Anti-Bacher-Kampagne. In dieser aufgeheizten Stimmung musste die SPÖ im Kampf um die Rückeroberung und die Repolitisierung des Rundfunks allerdings zwei schwere Niederlagen einstecken. Da bei der Neubestellung des Aufsichtsrates 1970 die Versuche der SPÖ misslingen, die Machtverhältnisse in ihre Richtung zu verschieben, wird Gerd Bacher im Frühjahr 1971 für weitere vier Jahre zum Generalintendanten bestellt.

Das konnten und wollten Kreisky und die SPÖ nicht hinnehmen. Unermüdlich sammelte man Munition gegen Bacher. Die Sozialisten warfen Bacher im Laufe der Monate unter anderem vor: Korruption, Verletzung des Betriebsratgesetzes, Bruch von Einzeldienstverträgen und sogar die Verletzung der Menschenrechtskonvention in zumindest elf Fällen.[vi]

Nur ein Jahr später änderten sich die politischen Verhältnisse erneut. Nach dem Beschluss eines neuen Wahlrechts, welches den Freiheitlichen entgegenkam, lösten SPÖ und FPÖ den Nationalrat auf. Bei der darauffolgenden Nationalratswahl am 10.Oktober erreicht die SPÖ mit 50 Prozent die absolute Mehrheit. Die SPÖ bildet eine Alleinregierung und kann nun – ausgestattet mit der Mandatsmehrheit im Nationalrat – die Medien- und Rundfunkpolitik im Alleingang gestalten. Gerd Bacher, der erst kurz zuvor für weitere vier Jahre gewählt worden war, wurde die SPÖ, trotz der neuen Machtverhältnisse, zumindest vorerst aber nicht los.

Verzweifelter Kreisky für Privatfernsehen

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet SPÖ-Chef Bruno Kreisky aus dieser Konstellation und Situation heraus, sozusagen als Trotzreaktion und als Gegengewicht zum Bacher-Rundfunk, ein privates Verlegerfernsehen vorschlägt. Kreisky wollte damit seinem Intimfeind Bacher mit Hilfe einer geköderten Presse den Krieg erklären. Eine echte Liberalsierung des Rundfunks hatte Kreisky aber definitiv nicht im Sinn.

Am Parteitag der SPÖ am 18. April 1972 in Villach präsentiert Kreisky den erstaunten Parteigenossen seine Privatfernsehpläne. Die Delegierten waren regelrecht „narkotisiert“, so die Salzburger Nachrichten.[vii] Die heimischen Zeitungsherausgeber sollen nach den Vorstellungen Kreiskys eine Genossenschaft gründen, welche dann neben dem ORF eine zweite Rundfunkgesellschaft betreiben darf. „Solch ein Privatfunk und -fernsehen könnte, laut Kreisky, durch Werbeeinschaltungen nicht nur die eigenen Betriebskosten decken, sondern mit dem Überschuss obendrein die defizitären Zeitungen erhalten.“[viii] Kreiskys Vorschlag sorgte innerhalb und außerhalb der SPÖ für großen Wirbel.

Gerd Bacher nahm den Fehdehandschuh auf und präsentierte wenige Tage später ein mehrseitiges Papier, in dem er das Monopol verteidigt und Kreiskys Pläne attackiert. Unter anderem schreibt Bacher: „Es existiert kein Meinungs-, sondern nur ein Sendemonopol des ORF. Der Mythos vom Meinungsmonopol ist eine gezielte Erfindung, sie ignoriert sowohl den Auftrag des Rundfunkgesetzes zur objektiven Wiedergabe aller gesellschaftlich relevanten Ereignisse als auch die Praxis in den ORF- Redaktionen.“[ix]

Doch Kreiskys medienpolitischer Schnellschuss war ohnehin zu unausgegoren, als dass er hätte umgesetzt werden können. „Nicht nur weil die Verleger nicht gleich darauf einstiegen, sondern weil es ihm (Kreisky A.d.V.) wichtiger schien, den ORF mit zwei Kanälen in die Hand zu bekommen, als sich mit Experimenten zu verzetteln.“[x] Somit ist der erste Vorstoß in Richtung Entmonopolisierung rasch wieder eingeschlafen, zumal die SPÖ dank ihrer absoluten Mehrheit ihre eigentlichen Ziele, ein von ihr kontrolliertes Rundfunkmonopol, ohnehin mittelfristig durchsetzen konnte.

Der ÖVP-Politiker Heribert Steinbauer analysiert in einem Aufsatz die sozialistische Medienpolitik der damaligen Zeit: „(…) wenn man als Marxist weiß – weil man ja die richtigen Ziele hat – wohin sich die Gesellschaft entwickeln soll, dann leitet sich daraus ab, dass die Medien der Gesellschaft bei dieser Entwicklung dienstbar sein müssen. Sind sie es nicht, dann sind sie hinderlich, denn sie schaden ja der Gesamtgesellschaft bei der Erreichung ihrer Ziele.“[xi]

Genau nach dieser Maxime agiert damals die SPÖ, Medien sind nichts anderes als Instrumente zur Verwirklichung linker Utopien. Unabhängige oder gar (SPÖ-)kritische Journalisten sind Kreisky ein Graus. Wer beim Bundeskanzler in Ungnade fällt, der musste mit ernsten Konsequenzen rechnen. Etwa jener Korrespondent einer Bundeslandzeitung, dem Kreisky wegen nicht genehmer Berichterstattung keine Interviews mehr gab.[xii]

Kreisky startet deshalb die Reform der Rundfunkreform, die Repolitisierung des monopolistischen Rundfunks. Das ohnehin rotstichige ORF-Fernsehen soll wieder ganz zum ideologischen Machtinstrument, zum sozialistischen Propagandamedium umfunktioniert werden. Hugo Portisch: „Kreisky drängte darauf, das auf dem Volksbegehren beruhende Rundfunkgesetz zu ändern. Man sagte Rundfunk, aber man meinte Bacher.“[xiii]

Anfang der Repolitisierung

Bacher hat, wie Kreisky ja selbst eingestanden hat, die SPÖ auch zu Zeiten, als sie in Opposition war, journalistisch fair behandelt, trotzdem will Kreisky nicht vom Goodwill des ungeliebten Bacher abhängig sein, er will den Rundfunk ganz direkt kontrollieren, beeinflussen und lenken. „Während Klaus das Rundfunkvolksbegehren ernst nahm und den ORF unter Gerd Bacher in eine vorher ungeahnte Freiheit entließ, verkürzte Nachfolger Kreisky sehr rasch wieder die Zügel des Rundfunks auf ein parteigenehmes Maß.“[xiv]

Nachdem Kreisky zur Zeit seiner Minderheitsregierung und kurz nach der Wahl 1971 noch öfters betont hatte, den Rundfunk nicht reformieren zu wollen, gab am 2. Oktober 1972 ÖGB-Präsident Anton Benya den Startschuss zur ORF-Gegenreform. Er regte die Änderung des Rundfunkgesetzes an. Kreisky nahm den Ball von Benya an: „Jetzt liegen die Dinge anders. Wenn der Präsident der größten Organisation Wünsche anmeldet, kann man das nicht ignorieren.“[xv]

Und damit der Wunsch Benyas auch in Erfüllung geht, setzt Kreisky im Februar 1973 eine Rundfunkkommission aus verschiedensten Persönlichkeiten ein, die ein neues Rundfunkgesetz ausarbeiten soll. „Eine große Eigenständigkeit hat es für diese Kommission jedoch nicht gegeben.“[xvi] Im November 1973 legt die SPÖ dann den Entwurf für ein neues Rundfunkgesetz vor. „Zentrales  Element dieser Reformbestrebungen war allerdings die Entmachtung des Generalintendanten.“[xvii] Der ÖVP-nahe Akademikerbund sieht seine Befürchtungen bestätigt, „dass es sich bei dieser Gesetzesinitiative nicht um eine moderne Neuordnung des Rundfunk- und Fernsehwesens handelt, sondern um den Versuch der Regierungspartei, machtpolitische Vorstellungen durchzusetzen.“[xviii]

Zu dieser Zeit spitzt sich auch der Konflikt zwischen Bacher und Kreisky immer weiter zu. Der Bundeskanzler wirft dem Generalintendanten in der Arbeiterzeitung vor: „Herr Bacher hat offenbar völlig den Kopf verloren. Es gibt keine vernünftige Gesprächsbasis mehr.“[xix]  Bacher seinerseits bezeichnet Kreiskys Aussagen als „Psychoterror“.

Das neue Rundfunkgesetz

Neben der Beseitigung Bachers sind die Kernpunkte des geplanten Rundfunkgesetzes:

  • Der ORF wird von einer GmbH in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt,
  • Die Befugnisse und Rechte des Generalintendanten werden beschnitten,
  • Das bisher bestehende Rundfunkmonopol des ORF wird erstmals gesetzlich verankert,
  • Die öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Rundfunks werden in der Verfassung verankert. 

Die Opposition wehrt sich

Die SPÖ drückt den Gesetzesentwurf im Eilzugstempo durch. Am 9.7.1974 wird das Gesetz im Nationalrat debattiert. Für ÖVP und FPÖ ist die Linie klar erkennbar: Der Rundfunk soll zum Machtinstrument der roten Alleinregierung und der von Kreisky so gehasste Gerd Bacher endlich entmachtet werden. FPÖ-Chef Friedrich Peter: „Mit dem neuen Gesetz werde es einen roten Regierungsrundfunk als sozialistisches Machtinstrument geben. Der ORF werde das Korsett eines elektronischen Erfüllungsgehilfen der Regierung sein, letztlich sei es doch nur eine „lex Bacher“, weil sich der Generalintendant bisher weder dem Bundeskanzler noch dem ÖGB-Präsidenten gebeugt habe.“[xx]

Die ÖVP lehnt den Kern des Gesetzes ebenfalls entschieden ab. ÖVP-Generalsekretär Herbert Kohlmaier:

  1. Die Ersetzung der unabhängigen Rundfunkgesellschaft durch eine staatliche Anstalt mit hohem Regierungseinfluss und mit einer gesicherten Mehrheit für die Regierungspartei.
  2. Die Aushöhlung der Funktion des Generalintendanten, die diesen vom Garanten der Unabhängigkeit des Rundfunks zur Marionette der Regierungsmehrheit degradiert.
  3. Die Schaffung zweier selbständiger Fernsehintendanten, die dem Generalintendanten in Programmangelegenheiten nicht unterstehen. Es ist zu erwarten, dass damit ein Rückfall in den vor acht Jahren überwundenen Proporzrundfunk erfolgt.“[xxi]

Täuschungsmanöver der SPÖ

Dass sich die SPÖ in der Parlamentsdebatte immer wieder auf das Rundfunkvolksbegehren von 1964 beruft, zeigt einmal mehr, mit welchem Zynismus die Sozialisten die Repolitisierung des ORF und die Einzementierung des Rundfunkmonopols betreiben. Heinz Fischer, der spätere Bundespräsident, schwingt sich nach einer zehn Jahre andauernden Schrecksekunde sogar zum Anwalt jener 832.353 Österreicher auf, die 1964, das Rundfunkvolksbegehren unterzeichnet hatten:

„Ich habe Ihnen kurz die politischen Veränderungen geschildert, die Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, 1966 am Volksbegehren vorgenommen haben, die Ihnen meiner Meinung nach den moralischen und auch den rechtlichen Anspruch nehmen, sich auf dieses Volksbegehren zu berufen.“[xxii]

Fischer, seinerzeit scharfer Gegner des Volksbegehrens und der „präpotenten Journaille“, jetzt „Vorkämpfer“ für die Ziele des Rundfunkvolksbegehrens, eine wundersame Metamorphose. Doch Fischers Wandlung zum Rundfunk-Paulus ist natürlich nicht mehr als Taktik, Camouflage und eine Verhöhnung jener hunderttausenden Österreicher, die seinerzeit für einen unabhängigen Rundfunk eingetreten sind, zumal die „Volksbegehrensveranstalter in einer Abschlusserklärung das bestehende Gesetz ausdrücklich als Erfüllung des Volksbegehrens bezeichneten.“[xxiii]

Heinz Fischer und seinen Genossen geht es, wie auch 1964 und 1966 um nicht mehr und nicht weniger als um die Kontrolle des wichtigsten Massenmediums des Landes. Jetzt haben sich allerdings die Machtverhältnisse geändert und der relativ unabhängige Rundfunk soll wieder – so wie auch schon in der Nachkriegszeit von den Sozialisten propagiert – zum sozialistischen Volksfunk, zum Instrument des Klassenkampfes werden. Das lässt sich sehr gut an Karl Blechas Wortspende im Nationalrat ablesen, soferne man ihn von den vielen Allgemeinplätzen und Lippenbekenntnisse zu Pluralität und Meinungsfreiheit befreit.

So ist für Blecha das Rundfunkmonopol nach wie vor sakrosankt: „Das in Osterreich bestehende Sendemonopol, das nicht in Frage gestellt werden soll (warum eigentlich? A.d.V.), ist historisch begründet durch einen relativen Mangel zur Verfügung stehender Frequenzen.“[xxiv] Dieser angebliche Frequenzmangel war allerdings nie mehr als eine billige Ausrede, um ein Monopol zu installieren und den Rundfunk zu kontrollieren, denn in den USA – wo es von Anfang an ein liberales Rundfunksystem mit vielen verschiedenen Sendern und Stationen gibt – gelten, nach allgemeiner Ansicht der Naturwissenschafter, die selben physikalischen Gesetze wie in Österreich.

Und obwohl (oder gerade weil) dieses Scheinargument Mitte der 70er angesichts des aufkommenden Kabel- und Satellitenfernsehens  nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, soll das Monopol, quasi als Gewohnheitsrecht der Parteien, der Regierung und des Staates gesetzlich geschützt und weitergeführt werden.

Karl Blecha: „Hörfunk und Fernsehen werden überregional oder, wenn das Kabelfernsehen einmal hinzukommt, auch regional immer Monopolunternehmen sein (… ) Um hier von allem Anfang an dem in der österreichischen Medienlandschaft herrschenden Faustrecht jener, die über Geld und Macht verfügen, einen Riegel vorzuschieben, werden wir heute als Hohes Haus ein eigenes Bundesverfassungsgesetz zur Sicherung der Rundfunkunabhängigkeit beschließen.“[xxv]

Soll im Klartext heißen: Bevor der technische Fortschritt neue Tatsachen schafft, wird das ORF-Monopol noch rasch – und mit sozialistischer Mehrheit – gesetzlich festgeschrieben. So sieht die neue „Rundfunkfreiheit“, für die sich Kreisky, Fischer, Blecha und Genossen ganz im „Sinne“ des Rundfunkvolksbegehrens einsetzen also aus.

Kreisky-Funk: Ein klarer Rückschritt

Dr. Karl Korinek, einer der bedeutendsten Verfassungsrechtler, konstatiert: „Das Rundfunkgesetz 1974 habe aus dem faktisch existierenden Rundfunkmonopol ein rechtliches Rundfunkmonopol gemacht und damit den ORF auch ausschließlich zur Verbreitung von Programmen über Kabel ermächtigt.“[xxvi]

Auch die Zeitungen, die seinerzeit das Volksbegehren initiiert hatten, sind mit der roten Rundfunkreform alles andere als glücklich. Sie schreiben unter anderem in einer im Juli 1974 veröffentlichten Erklärung: „Das im Parlament beschlossene neue Rundfunkgesetz ist geeignet, einen elementaren Grundsatz des Volksbegehrens, die weitgehende Ausschließung direkten und indirekten parteipolitischen Einflusses auf Hörfunk und Fernsehen, unwirksam zu machen. (…) dass dieses Rundfunkgesetz als Ganzes den Rundfunk unausweichlich in größere Abhängigkeit vom Staat und der jeweiligen Regierung bringt.“[xxvii]

Unterzeichnet haben diese Erklärung: Kleine Zeitung, Die Presse, Kurier, Oberösterreichische Nachrichten, Salzburger Nachrichten, Vorarlberger Nachrichten und die Wochenpresse.

Die wahren Absichten und Ziele der Sozialisten bleiben natürlich auch der Opposition nicht verborgen. Einen Tag nach dem Beschluss schreibt die ÖVP in einer Aussendung: „nach der Umwandlung des unabhängigen Rundfunks in einen Staatsrundfunk durch die knappe SP-Parlaments-Mehrheit wird ein Generalangriff der Sozialisten auf die unabhängigen Medien in Österreich befürchtetet“.[xxviii] Auch die Kleine Zeitung schlägt in die selbe Kerbe: „die harte Welle der Sozialisten gegenüber dem Massenmedium ORF war gestern sicher kein Zufall (…) der Krieg der Sozialisten gegen die unabhängigen Massenmedien des Landes soll nach dem Willen von Kreiskys Zentralsekretär Fritz Marsch offenbar weitergehen“[xxix].

Die SPÖ hat ihre medien- und machtpolitischen Ziele mit einer solchen Konsequenz und Unerbittlichkeit umgesetzt, dass das sogar der ÖVP Bewunderung abringt. Heribert Steinbauer: „Ich glaube, bei einer historischen Betrachtung des Rundfunkgesetzes 1974 muss man zweifellos dieses Erzeugen einer breitflächigen Drucksituation gegenüber dem zentralen und einzigen Radio- und Fernsehunternehmen einmal als politische Leistung nüchtern konstatieren.“[xxx]

Für Gerd Bacher hat die Rundfunkreform von Kreisky „die Parteipolitik wieder massiv hereingebracht“[xxxi].

Bereits am 21. Juli wird der Posten des Generalintendanten neu ausgeschrieben. Als klar wurde, dass Bacher abserviert werden sollte, formierten sich Prominente aus Kunst und Kultur, die ja gemeinhin eher dem linken politischen Lager zuzurechnen sind, um Gerd Bacher zu retten. Den Brief an Kreisky unterschrieben unter anderem: Arik Brauer, Franz Antel, Axel Corti, Milo Dor, Gottfried von Einem, Paul Flora, Ernst Fuchs, Andre Heller oder Manes Sperber.[xxxii]

Kreiskys Reaktion: er setzte die „Österreicher für Bacher“ ganz offen unter Druck. Die Unterzeichner erhielten folgendes Telegramm:

„im zusammenhang mit einem in der oeffentlichkeit bekanntgewordenen irrtum bitte ich sie mir mitzuteilen ob es den tatschen entspricht dass sie eine erklaerung fuer den weiterverbleib von orf-generalintendant gerd bacher unterzeichnet haben. Mit besten gruessen johannes kunz pressesekretaer des bundeskanzlers.“[xxxiii]

Trotz der äußerst fragwürdigen Staatstelegrammaktion wurde Kreisky nicht müde zu betonen, keinen Einfluss auf Personalentscheidungen im Rundfunk auszuüben.

(Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs. Nächstes Kapitel: Die Gefahr aus dem All: Der Beginn der Satelliten- und Kabelrundfunk Ära)

Literatur

Dieman, Kurt: ORF – Hintergründe und Abgründe. Graz 1978

Magenschab, Hans: Demokratie und Rundfunk – Hörfunk und Fernsehen im politischen Prozess Österreichs. Wien 1973

Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei (Hg.): Der Griff nach dem Rundfunk. Wien 1974

Steinbauer, Heribert: Die „Reform“ der Rundfunkreform 1974 durch die SPÖ-Alleinregierung unter Bundeskanzler Kreisky und deren politische Konsequenzen. In: Christliche Demokratie 4/87

Vodopivec, Alexander: Die Quadratur des Kreisky – Österreich zwischen parlamentarischer Demokratie und Gewerkschaftsstaat.  Wien 1975

Weinek, Andreas: Geschichte der Rundfunkgesetzgebung – Rechtshistorische Betrachtung des Rundfunks in Deutschland und Österreich, Saarbrücken 2008

Endnoten

[i] Siehe Kleine Zeitung; 11.1.2011.

[ii] Der Spiegel; Nr.18/1972 Seite 101.

[iii] Kleine Zeitung; 11.1.2011.

[iv] Siehe Der Spiegel; Nr.18/1972 Seite 101.

[v] Der Spiegel; Nr. 18/1972 Seite 101.

[vi] Siehe Der Spiegel; Nr. 18/1972 Seite 101.

[vii] Siehe Der Spiegel; Nr. 18/1972 Seite 100.

[viii] Der Spiegel;  Nr. 18/1972 Seite 100

[ix] „Ein Diskussionsbeitrag des ORF“ vorgelegt von Generalintendant Gerd Bacher in der Pressekonferenz vom 27. April 1972

[x] Dieman. 1978,  Seite 42

[xi] Steinbauer. 1987, Seite 241f.

[xii] Siehe Steinbauer. 1987, Seite 242f.

[xiii] Siehe Gerd Bacher zu Ehren, Seite 67.

[xiv] Andreas Unterberger: Der Fall Bruno Kreisky auf www.ortneronline.at  (29.06.2011)

[xv] ÖVP Parlamentsklub (Hg.). 1974, Seite 21.

[xvi] Steinbauer. 1987, Seite 242.

[xvii] Weinek. 2008, Seite 96

[xviii] Austria Presse Agentur; 18.8.1973

[xix] Arbeiterzeitung zitiert nach ÖVP Parlamentsklub (Hg.).1974, Seite 33.

[xx] Austria Presse Agentur; 9.7.1974

[xxi] ÖVP Pressedienst; 9.7.1974.

[xxii] Stenographisches Protokoll der 111 Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich XIII Gesetzgebungsperiode 9/10. 7.1974.

[xxiii] ÖVP Parlamentsklub (Hg.). 1974, Seite 25.

[xxiv] Stenographisches Protokoll der 111 Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich XIII Gesetzgebungsperiode 9/10. 7.1974.

[xxv] Ebenda.

[xxvi] Austria Presse Agentur 6.5.1977.

[xxvii] ÖVP Parlamentsklub (Hg.). 1974, Seite 102f.

[xxviii] ÖVP Pressedienst; 11.4.1974.

[xxix] Kleine Zeitung; 11.4.1974.

[xxx] Steinbauer. 1985, Seite 241.

[xxxi] Gerd Bacher Interview. In:  Der Standard; 12./13.11.2005

[xxxii] Siehe Dieman. 1978, Seite 45

[xxxiii] Dieman. 1978, Seite 45

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