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Zu spät, zu wenig rechtsverbindlich aber immerhin

Immer wieder wurde in den vergangenen zwei Jahren das große Versäumnis beklagt, dass bei Einführung des Euro keine Regelungen für den Fall der Disziplinlosigkeit oder gar Insolvenz eines Euro-Landes geschaffen worden sind. Diese Klagen waren durchaus berechtigt – scheinen aber neuerdings zum Teil überholt. Was sogar ein wenig Hoffnung in trüben Zeiten machen kann.

Denn in Wahrheit passiert jetzt in der europäischen Realität ziemlich genau das, was eine solche Insolvenzordnung vorsehen müsste: Es wird ein Insolvenz- oder Masseverwalter eingesetzt, der ein von der Gläubigerversammlung vorgegebenes Sanierungsprogramm umzusetzen hat. Genau das hätte im Grund schon von Anfang an in den EU- und Euro-Verträgen stehen müssen.

Die EU hat in den letzten Wochen und Monaten Italien, Griechenland, Irland und Portugal ein solches Programm mehr oder weniger von außen vorgegeben. Und in Italien wie Griechenland wird darüber hinaus sogar ein von Europa erwünschter Insolvenzverwalter als Regierungschef inthronisiert. Das sind zwar in beiden Fällen nationale Persönlichkeiten, aber keiner der beiden ist durch eine demokratische Wahl oder eine gewählte Partei an die Macht gekommen, sondern auf ausdrücklichen Wunsch, um nicht zu sagen massiven Druck von außen.

Also alles in Butter? In Wahrheit nicht. Man kann nie befriedigt sein, wenn sich die Dinge außerhalb der demokratischen Verfassungen und völkerrechtlichen Verträge entwickeln, wenn sich die Macht (in diesem Fall zum Glück nicht die der Gewehre, sondern nur die der Gläubiger) als stärker erweist als das Recht.

Diese Kritik hat freilich gar nichts zu tun mit jener von gewaltaffinen Organisationen wie „Attac“ gegen die "bösen" Märkte. Denn Attac&Genossen wollen ja ein totales Chaos herbeiführen, in dem de facto niemand mehr Schulden zurückzahlt, und in dem Geld ganz nach Bedarf gedruckt wird. Das Attac-Szenario führt mit Sicherheit in die gesamteuropäische Verarmung samt bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Zurück zur europäischen Realität: Zweifellos wäre es besser gewesen – und wäre auch heute noch besser –, würde bei Insolvenz eines Schuldnerstaates nach einem ordentlichen, rechtlich festgelegten Insolvenzrecht vorgegangen. Selbstverständlich kann ein solches Recht aber nur funktionieren, wenn es immer auch die ökonomischen Zusammenhänge und Grundrechnungsarten berücksichtigt. Es ist daher immerhin ein Fortschritt, wenn diese ökonomischen Gesetze nun zumindest de facto auf politischem Weg und zumindest teilweise Anwendung finden.

Freilich bleibt der Weg des politischen Druckes im rechtlich ungeregelten Raum immer einer ins Ungewisse. Es ist beispielsweise recht unklar, wieweit dieser Druck im notwendigen Ausmaß dauerhaft aufrechterhalten werden kann, haben doch Italien und Griechenland die Sanierungspakete bisher immer nur teilweise, halbherzig bis gar nicht umgesetzt. Und offen bleibt auch, wie lange umgekehrt die entmachteten Bürger und Wähler diese Diktatur des Auslandes hinnehmen werden. Umso klarer ist, dass es viel besser gewesen wäre, wenn Europa schon im Winter/Frühjahr 2010 Griechenland zu ganz konkreten Maßnahmen gezwungen hätte, statt sich dort eineinhalb Jahre lang am Schmäh führen zu lassen.

Dabei ist schon damals zweifelhaft gewesen, was heute noch viel ungewisser ist: Kann die Insolvenz Griechenlands und die einiger anderer Staaten (egal, ob diese nun im Einzelfall eher einem Ausgleich oder einem Konkurs nahe sind) überhaupt noch so weit aufgefangen werden, dass diese Staaten nicht über einen Dominoeffekt noch andere mit sich reißen? Dieser Dominoeffekt droht ja immer auch bei der Pleite eines Unternehmens. Bei Ausfall von Forderungen können auch an sich gesunde Gläubiger und Lieferanten plötzlich in Konkursgefahr geraten.

Gewiss ist jedenfalls, dass diese Gefahr durch die lange Zeit der Verschleppung viel größer geworden ist. Und dafür tragen Europas Regierungschefs mit Angela Merkel an der Spitze die Hauptverantwortung. Woran die kleine Erleichterung nichts ändert, dass sie wenigstens jetzt und wenigstens mit politischem Druck das zu erreichen versuchen, was schon längst rechtlich wasserdicht geregelt gehört hätte.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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