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Wenn der Schmerz (ein wenig) nachlässt

Es ist anerkennenswert, wenn die Koalition auf ernsthaft vorgetragene Kritik reagiert. Eine solche hatte insbesondere dieses Tagebuch in Hinblick auf die Verschärfung des Verhetzungs-Paragraphen geäußert. Diese Verschärfung wurde zwar dennoch am Donnerstag im Parlament beschlossen, erfuhr aber im allerletzten Augenblick wenigstens einige Abschwächungen. Das ist im Prinzip lobenswert. Viel weniger Lob kann man aber dafür finden, wie die Koalition das getan hat.

Denn sie tat das zum Teil nur mit verwaschenen Formulierungskompromissen, die extrem auslegungsbedürftig sind. Und diese Kompromisse beseitigen vor allem nur einen Teil der ursprünglich geplanten Einschränkungen des Grund- und Freiheitsrechte.

Dank gilt dennoch den vielen Persönlichkeiten und Institutionen, die sich dem Alarmruf des Tagebuchs angeschlossen haben. Dank gilt jedenfalls auch jenen Parlamentariern, die daraufhin wenigstens mit dem Ohrwaschel gewackelt haben. Das ist man ja als Bürger kaum mehr gewöhnt. Vor allem nach der undemokratischen Dampfwalzenmethode des Justizministeriums.

Was haben die schwarz-roten Abgeordneten Donnerbauer und Jarolim namens der Koalitionsabgeordneten nun fixiert und zum – vorerst – endgültigen parlamentarischen Beschluss geführt?

1. Die erste halbwegs positive Änderung findet man mehr in der beigelegten Begründung als im Gesetzestext selbst. In der Begründung schreiben die beiden Abgeordneten, dass „der Begriff ,Weltanschauung‘ strikt als Gegensatz zu jenem der ,Religion‘ verstanden werden und daher z.B. politische Einstellungen oder Prägungen nicht erfassen“ soll.

Das taten sie im Gesetzestext dadurch, dass es in der Auflistung der gegen „Verhetzung“ geschützten Gruppen nicht mehr um nach den Kriterien „der Religion oder der Weltanschauung“ definierte Gruppen geht, sondern um die Kriterien „Religion oder Weltanschauung“.

Aha. Hätte einer der Leser aus dem bloßen Wegfall des Wortes „der“ erkannt, was die beiden wackeren Juristen laut ihrer Begründung damit beabsichtigt haben? Ich war dazu nicht imstande. Aber ich kann halt sicher nicht so gut deutsch wie die beiden. Und für dumme Menschen wie mich soll ja ein Gesetzestext nicht verständlich sein. Sie werden nur wegen seiner Verletzung bestraft.

Aber bitte. Immerhin wollten die beiden irgendwie auf die im Tagebuch geäußerte Kritik reagieren, dass mit der Novelle auch Neonazis, Islamisten oder Kommunisten gegen die ominöse „Verhetzung“ geschützt seien. Ob aber auch Gerichte diesen feinen semantischen Unterschied aus dem Strafgesetzbuch herauslesen werden? Und was ist, wenn sich all diese totalitären Ideologien nun als „Religion“ deklarieren?

Jedenfalls aber stellt auch die nunmehrige Fassung des Gesetzes eine Verletzung des Gleichheitsprinzips dar. Gegen Pfarrer, Freimaurer, Cartell-Studenten, Unternehmer, Reiche und viele andere mehr darf man weiterhin „hetzen“, wie es etwa gegen diese Gruppen in letzter Beit oft genug geschehen ist. Gegen Gruppen, die ethnisch, religiös, durch Sprache, Herkunft, Geschlecht, Alter oder „sexuelle Orientierung“(=Homosexualität) definiert sind, jedoch nicht.

2. Lobenswert ist jedenfalls, dass die Aufreizung zu einer „feindseligen Handlung“ aus dem Gesetz gestrichen wird. In letzter Minute haben die beiden Abgeordneten erkannt, was all den Obrigkeits-Juristen des Justizministeriums nicht aufgefallen ist, dass das ein „unklarer und einer näheren Definition nicht zugänglicher Begriff“ ist, wie sie in ihrer nunmehrigen Begründung schreiben.

Wie recht sie damit haben. Nicht aufgefallen ist ihnen freilich, dass das Wort „hetzen“ weiterhin einen strafbaren Tatbestand bildet. Und dieses Wort ist noch in viel stärkerem Ausmaß unklar und einer näheren Definition unzugänglich. Es ist nicht einmal klar, ob „Hetzen“ auch in bloßen Worten bestehen kann. Es ist nicht klar, ob sogar das Aussprechen der reinen Wahrheit ein „Hetzen“ sein kann. Dabei wird der Vorwurf des „Hetzens“ im politischen Alltags-Jargon immer häufiger als gegenseitige Anschuldigung zwischen Politikern verwendet.

3. Die dritte lobenswerte Verbesserung ist, dass „Hetzen“ nur dann vorliegen kann, wenn es gegen eine ganze der privilegierten Gruppen erfolgt und nicht schon gegen einen einzelnen Angehörigen dieser Gruppe.

4. Abgeschwächt wurde die Sache auch dadurch, dass aus dem Adjektiv „öffentlich“ ein „für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar“ geworden ist. Damit sind sicher einige Fälle des „Hetzens“ nicht mehr strafbar, die es beim bloß „öffentlichen“ Begehen schon gewesen wären. Auch das eine kleine Zurücknahme der geradezu sadistischen Strafeslust des ursprünglichen Ministeriums-Textes.

5. Schließlich wurde auch das „Verächtlich machen“ als strafbarer Tatbestand abgeschwächt. Jetzt heißt es in dem entscheidenden Absatz 2 des neuen Paragraphen: „Ebenso (Anmerkung: mit zwei Jahren Haft!) ist zu bestrafen, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine in Abs. 1 bezeichnete Gruppe hetzt oder in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen versucht.“

Wieder sind es winzige Änderungen, die in diesem Fall aber eine gewisse Bedeutung haben dürften: denn statt des „und dadurch“ stand im bisherigen Text ein „oder“. Das völlig undefinierte Verächtlichmachen ist also nicht mehr alleine für die Strafbarkeit ausreichend und muss mit einem „Hetzen“ oder einer „die Menschenwürde verletztenden Beschimpfung“ verbunden sein. "Hetzen" ist zwar ebenfalls undefiniert, aber in der Geheimsprache unserer Gesetzgeber offenbar etwas anderes als "Verächtlich machen".

Ende gut, alles gut?

Gilt also jetzt: Ende gut alles gut? Keineswegs. Wenn man zuerst die Daumenschrauben anzieht und diese dann ein wenig nachlässt, wird das zwar vielleicht kurzfristig als schmerzlindernd empfunden. Trotzdem bleiben die Daumenschrauben angelegt.

Und zwar in mehrfacher Form:

  1. Es geht nach wie vor bei der Verhetzung nicht nur um Tatdelikte (gegen deren Bestrafung niemand etwas haben kann), sondern auch um mit Haft bestrafte Meinungsdelikte. Und solche sollten in einem liberalen Rechtsstaat im Geiste unserer Verfassung und der Menschenrechtskonvention nichts verloren haben. Diese Strafen verkörpern vielmehr nur die Diktatur der Political Correctness.
  2. Es finden sich nach wie vor extrem unklare Gesetzesbegriffe, die von einer politisch in manchen Regionen schwer schlagseitigen Staatsanwaltschaft nach Belieben als Waffe eingesetzt werden können. Natürlich kann man mit gutem Grund hoffen, dass die Höchstgerichte am Ende doch für die Grundrechte entscheiden werden. Und dass sie nicht solche, eher in Diktaturen übliche Gummiparagraphen stehen lassen werden. Aber sicher kann man da jetzt jahrelang nicht sein.
  3. Es werden im Gegensatz zur alten Rechtslage „Religionen“ jeder Art geschützt, damit auch die obskursten Sekten und nicht bloß wie bisher die in Österreich „bestehenden“, also anerkannten Religionen.
  4. Der Verhetzungsparagraph stellt schließlich auch in seiner abgeschwächten Form eine massive Verletzung des Gleichheitsprinzips dar. Dann manche Gruppen sind geschützt, andere weniger, obwohl es bei den nichtgeschützten viele konkrete Beispiele gibt, wie sie von manchen ebenso hasserfüllt verfolgt werden wie die geschützten.
    So hat ein Gericht einen kirchenhassenden Fanatiker, der durch ein Schild jedem „Pfarrer“ das Betreten seines Grundstückes verboten hat, vom Vorwurf der Verhetzung freigesprochen. Denn die Pfarrer würden ja angeblich damit „nur“ als Berufsgruppe und nicht wegen ihrer Religion beleidigt. (Nach dieser Logik steht es nun jedem frei, Beamte und Politiker der Gemeinde Wien wegen des Wilhelminenberg-Skandals am Betreten seines Grundstückes zu hindern).

In der Summe kann man auch bei einem solchen Teilerfolg alles andere als froh sein. Bei Grundrechten darf es nämlich nicht einmal den kleinsten faulen Kompromiss geben. Zumindest dann nicht, wenn einem Demokratie und Rechtsstaat noch etwas wert sind.

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