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Die Bürger als Bürgen und die Kärntner als Griechen

Feigheit und Orientierungslosigkeit der europäischen Politiker sind die Hauptursachen, weshalb die Schuldenkrise zu einem Schrecken ohne Ende ausartet. Die Politik verwirrt die Bürger Europas zugleich auch bewusst mit ständig neuen technischen Konstruktionen und Ideen: Ausdrücke wie Bailout, EFSF, EMS, Luxemburger Zweckgesellschaft, Troika, Hebeln, Haircut schwirren durch die Medien und Politikeraussagen. Dabei können keine drei Prozent der Wähler und höchstens zehn Prozent der darüber abstimmenden Abgeordneten mit diesen Ausdrücken wirklich etwas anfangen.

Es geht jedoch immer um dasselbe: um die exzessive Schuldenmacherei der Politik, um deren Unwillen und Unfähigkeit, damit Schluss zu machen, und damit zwangsläufig um ständig neue Gelder für die Schuldenstaaten.

Dieser Unwille und diese Unfähigkeit der europäischen Politik und Diplomatie haben schon bei Gründung des Euro einen besonders schweren Fehler ausgelöst:  Sie haben in ihrer Ignoranz auf funktionierende Regeln für den Fall der Insolvenz eines Staates verzichtet. Das aber wurde mit der Einführung des Euro zur Katastrophe. Daran hätte freilich in einer interdependenten und globalen Welt und besonders in einer Union auch schon vorher großer Bedarf gestanden. Der gleiche Bedarf besteht im übrigen auch in Hinblick auf die Insolvenz großer Banken, die ja angeblich „too big to fail“ seien.

Freilich hat man einen solchen Insolvenzmechanismus auch innerösterreichisch nicht zustandegebracht. Es gibt ihn zwar für Gemeinden, aber nicht für Bundesländer. Es ist – auch wenn das keine einzige Partei thematisiert – ein unglaublicher Skandal, dass die Kärntner Landesregierung heimlich, still und leise Haftungen von fast 20 Milliarden Euro für eine einzige Bank eingegangen ist, und dass dann in der Stunde der Not der gesamtösterreichische Steuerzahler dafür gerade stehen musste. Genauer gesagt: Er ist von der Bundesregierung dazu gezwungen worden.

Um sich die Größenordnungen in Erinnerung zu rufen: Kärntens gesamtes Budget weist Einnahmen von weniger als zwei Milliarden auf. Das ist also genau ein Zehntel der Haftungen für die Hypo Alpen-Adria! Das Land könnte allein diesen Haftungen (zu denen ja auch noch die „normalen“ Schulden kommen!) nur dann nachkommen, wenn es zehn Jahre lang keinen einzigen Beamten, Straßenarbeiter oder Krankenhausbediensteten zahlen würde, wenn es so lange weder Gas- noch Stromrechnungen begleicht, wenn es keine einzige Schule renoviert , wenn es keinerlei Sozialhilfe auszahlt, wenn es die Politiker sowieso leer ausgehen lässt, und wenn auch sonst alle Ausgaben gestrichen werden.

Gegen dieses Kärnten nehmen sich in der Relation sogar die Griechen als Meister der Haushaltsdisziplin aus.

Der einzige Unterschied: Während der griechische Ministerpräsident wenigstens die Schuld auf Vorgängerregierungen schieben kann (sofern er seine einstige Beteiligung als Minister an einer solchen Vorgängerregierung ignoriert), ist in Kärnten abgesehen vom Unfallselbstmord des Jörg Haider die schuldige Regierungsmannschaft unverändert im Amt geblieben. Ja, die Kärntner zeigen nicht einmal eine Spur von Schuldbewusstsein, sondern sie schieben Gott und der Welt die Schuld für ihr eigenes Handeln zu. Und den Restösterreichern die finanziellen Konsequenzen.

Jeden Firmengeschäftsführer würde ein solches Verhalten als vorsätzliche Krida vor den Strafrichter bringen. Die Politik ist jedoch immun dagegen, weil sie immer den Bürger zum Bürgen für die politisch entstandenen Bürden machen kann.

Was die Kärntner zwar nicht entlastet, sondern den Beobachter noch zusätzlich besorgt macht: Möglicherweise haben auch andere Bundesländer in ähnlichen Dimensionen hasardiert. Nur weiß man es dort (noch) nicht, weil es ja nicht einmal ein Register gibt, in dem jede Haftung einer öffentlichen Körperschaft kundgemacht ist. Auch bei den Kärntner hat man die Dimensionen der Haftungen ja erst nach dem Crash der Bank erfahren – und da nur zitzerlweise.

Zurück nach Europa: Auch dort wird bis heute kein ernsthafter Mechanismus aufgebaut, wie eine Staatsinsolvenz abgewickelt werden könnte.

Weil sie keinen solchen Mechanismus gebaut haben, haben die EU-Politiker heute sogar teilweise recht, wenn sie davon reden, dass eine Insolvenz Griechenlands ein teures Chaos anrichten würde. Daher findet sich – allen Warnungen vieler Experten zum Trotz – so wie dieser Tage in Deutschland und Österreich letztlich immer eine Mehrheit, die dann doch wieder den Großschuldenstaaten neues Geld zukommen lässt. Und die Sprüche, dass das nun wirklich die allerletzte Hilfe gewesen sei, glauben ja nicht einmal mehr die Parlamentsstenografen.

Was die europäischen Entscheidungsträger freilich ignorieren: Durch diese Hunderten Milliarden Euro ist das Ende mit Schrecken nicht abgewendet worden. Dabei belasten sie schon heute jeden Deutschen, Niederländer und Österreicher vom Baby bis zum Greis über Nacht mit Tausenden Euro zusätzlicher Schulden pro Kopf. Der scheinbar abgewendete Schrecken wird am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit noch viel größer werden. Denn dann droht nicht nur Griechenland & Co die Insolvenz, sondern auch Deutschland und Österreich. Mitgegangen, mitgefangen.

Aber die Politik in ihrer Feigheit will das Chaos einer Pleite in einem der Euro-Länder möglichst hinausschieben. Zumindest über die nächsten Wahlen. Und Wahlen gibt es ja ständig irgendwo. Sie handelt dabei ähnlich wie dumme Aktionäre, die nur auf die Quartalsergebnisse eines Unternehmens schauen und nicht auf dessen  langfristigen Perspektiven. Oder wie ein Patient, der eine sicher schmerzhafte und riskante, aber notwendige Operation so lange hinausschiebt, bis es zu spät ist.

Die Politik handelt dabei entweder zynisch oder ahnungslos. Oder sie klammert sich irgendwie an die gesundbeterische Hoffnung, dass eine solche Pleite durch das viele Geld doch noch abgewendet werden könnte. Und dass dann – irgendwann – Griechenland, Irland, Portugal, Italien ihre Schulden zurückzahlen können.

Das erscheint aber schon aus folgendem Grund extrem unwahrscheinlich: Während Irland wirklich schon mit großer Effizienz spart, produzieren die anderen Schuldenländer trotz teilweise durchaus versuchter Sparmaßnahmen bis heute noch immer ein Primärdefizit. Das heißt: Sie verschulden sich auch dann noch ständig weiter, wenn man einmal – theoretisch – alle Zinsen, Annuitäten und Rückzahlungen alter Schulden außer acht lässt.

Wie kann man es da eigentlich von den viel ärmeren Bürgern der Slowakei verlangen,  gewaltige Summen für viel reichere Länder spenden zu müssen?

Glauben wir einmal für einen Moment den deutschen, österreichischen und niederländischen Politikern ihre Beteuerungen, dass die Griechen schon zurückzahlen werden. Wenn man ernsthaft daran glaubt, dann müsste man jedoch unbedingt auch den zweiten Schritt setzen.

Dieser wäre eine befristete Entmündigung von Regierungen und Parlamenten der Schuldenstaaten. Das bedeutet: Bevor ein Euro fließt, müsste eine Schuldenkommission der Gläubiger im betroffenen Land die Macht übertragen bekommen. Diese müsste über alle eher unwohl "wohlerworbenen" Rechte hinweg Beamte abbauen, Gehälter kürzen und Gesetze eliminieren können, die davon abhalten, dass jemand in Griechenland investiert und Jobs  schafft.

Das wäre gewiss eine Rosskur, aber sie wäre die einzige wirksame Hilfe, wenn man schon keine Insolvenzordnung hat. Die von Populisten und Linken daraufhin zu erwartenden Proteste müssten hingegen ignoriert werden. Nach 1945 haben in Mitteleuropa die Menschen auch nicht dadurch den Wiederaufstieg geschafft,dass sie gegen den Lebensstandard nahe dem Nullpunkt demonstriert oder gar unter Anleitung der Gewerkschaften gestreikt hätten. Die Gewerkschaften sind ja durch ihre überzogenen Lohnforderungen während des letzten Jahrzehnts von Griechenland bis Portugal die Hauptschuldigen an der Katastrophe geworden.

Natürlich werden die europäischen Regierungen zu feig sein, um diese Rosskur wirklich ernsthaft zu versuchen. Denn eine solche befristete Entmündigung kann natürlich auch in anderen Ländern passieren, wenn diese Schulden machen. Und dieses Risiko will natürlich kein Politiker eingehen. Dabei wäre es etwa auch für Österreich ein gewaltiger Segen, würde ein solcher Sparkommissar bisweilen eingreifen.

PS.: In Deutschland wird über all diese Fragen auf politischer, juristischer wie auch wirtschaftswissenschaftlicher Ebene wenigstens auf höchstem Niveau diskutiert. In Österreich hingegen nirgendwo.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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