Von der Unmoral der Politik und der der Moral der Krise
31. August 2011 00:25
2011-08-31 00:25:00
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 8:00
Selbst kluge Menschen fragen immer wieder verzweifelt nach den Ursachen der Krise der letzten drei Jahre. Selbst wissenschaftlich gebildete Menschen lassen sich leicht durch die Politik in die Irre führen, die mit ihren großen Propagandaapparaten ein Einziges noch immer sehr gut kann: Schuldzuweisungen an andere auszustreuen.Was sie in der Krise intensiv getan hat.
Dabei kann wenig Zweifel bestehen, die Politik selbst – und zwar die vieler Länder – ist einer der ganz großen Ursachen der Krise. Das kann man freilich auch positiver klingend formulieren: Die Weltwirtschaft war in den letzten drei Jahrzehnten in so guter Stimmung, dass man jedes ökonomische Problem für lösbar hielt, dass man nachlässig wurde, dass man sich nicht auf große Krisen vorbereitete, dass man die Staaten hemmungslos verschuldete, dass man glaubte, alles durch Wachstum finanzieren zu können.
Daher heute noch einmal Eindrücke von der großen Tagung der Wirtschafts-Nobelpreisträger in Lindau. Am Montag hatte ich ja von den Therapie-Vorschlägen der wichtigsten Wirtschaftsexperten der Welt berichtet. Heute tue ich das – zugegeben in etwas unüblicher Reihenfolge – von deren Diagnosen.
Über die Komplexität der Ursachen scheint sich der Großteil der Ökonomie-Laureaten weitgehend einig. Freilich wagen etliche von ihnen nicht den geschützten Bereich ihrer Spezialdisziplin zu verlassen (wie es etwa die Spieltheorie oder der Behaviorismus sind, die sich ganz auf das Verhalten einzelner Firmen oder Konsumenten konzentrieren, ohne die großen Probleme anzugehen). Dennoch zeigt sich ein großes Ursachenbündel, das in der Summe von den anderen Preisträgern genannt wird. Wobei gar nicht alle in der Krise eine Katastrophe sehen:
- Die amerikanische Notenbank Fed hat nach 2003 falsch reagiert. Damals lief nach Ende der sogenannten dot-com-Krise (also dem Platzen der Blase viel zu hoher Aktienpreise für Hunderte Internet-Firmen, die nie Gewinn gemacht haben) die Wirtschaft wieder auf Touren. Die Fed hat dennoch die Zinsen viel zu lange niedrig gelassen. So etwa wörtlich William White, der Chefökonom der OECD. Gleichzeitig bildeten sich in einigen Bereichen Blasen – ein allzu steiler Preisanstieg. Gleichzeitig haben die amerikanischen Haushalte nichts gespart, sondern sich in den Jahrzehnten des Booms verschuldet.
- Die Finanzkrise startete im amerikanischen Immobilienmarkt: Die US-Regierung hatte den Fehler begangen, die Finanz- und Währungspolitik einzusetzen, um mehr soziale Gleichheit zu erzielen, das war ein Fehler. So etwa die Diagnose des deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit der auch amerikanische Nobelpreisträger übereinstimmen. Mit den Worten des Nobelpreisträgers Myron Scholes: „Das amerikanische Immobilienfinanzierungssystem hat völlig versagt. Die staatlichen Hypothekenbanken gingen völlig unkontrolliert unkontrollierte Risken ein.“ Auch Robert Mundell, ein weiterer Laureat, sieht in der Hypothekenkrise den „ersten Akt“ der Rezession.
Alle meinen sie dasselbe: Um auch Minderheiten wie Schwarzen und lateinamerikanischen Zuwanderern ein Eigenheim zu ermöglichen, hat die Regierung erzwungen, dass Banken solchen Familien auch dann einen Hypothekarkredit geben, wenn diese weder Sicherheiten noch ein fixes Einkommen haben. Diese Hypotheken waren oft sogar höher als der Wert des Hauses. Das hat zwar kurzfristig einen Immobilienboom ausgelöst und die Unterschichten politisch befriedet. Das hat aber unweigerlich nach Platzen dieser Blase, also beim Sinken des Wertes der Häuser, reihenweise zum Platzen der Kredite und zu Zwangsversteigerungen führen müssen.
- Überaus oft sprachen die Nobelpreisträger vom „Moral hazard“ und seinen schädlichen Folgen. Moral hazard bedeutet, dass man bei Eingehen eines hohen Risiko viel gewinnen – aber praktisch nichts verlieren kann. Denn der Steuerzahler springt ein. „Moral Hazard ist allein imstande, große Krisen auszulösen.“ So etwa Nobelpreisträger Roger Myerson. Und sein Kollege William Sharpe: „Man konnte ein viel zu hohes Risiko eingehen und trotzdem sicher sein, von anderen gerettet zu werden.“ John Nash, Veteran unter den Preisträgern, nannte das gleiche Phänomen „Ehrlichkeitsfaktor“.
- Viele Kontroversen löste hingegen Robert Mundell aus: Er sieht Währungskriege als die Ursache aller Krisen – und will deswegen die großen Währungsblöcke fix aneinanderbinden. Was freilich bei den Europäern Kopfschütteln auslöst. Sind doch ihre Probleme nicht zuletzt dadurch entstanden, dass schon der Euro ein viel zu großer Währungsblock zu sein scheint.
- Durch einen künstlich zu niedrigen Kurs der chinesischen Währung ist ein Liquiditäts-Exzess entstanden, so nochmals White. Das heißt: Auch die Chinesen haben dafür gesorgt, dass zu viel Dollar und Euro im Umlauf waren und trotzdem die Industrieprodukte nicht teurer wurden. Was normalerweise bei zu großem Geldumlauf passiert.
- In den Boom-Phasen entstanden nationale Blasen. Das sind stark angestiegene Preise für bestimmte Werte. In diese Blasen sind aber auch viele globale Gelder hineingeflossen (Myerson).
- Die Geldpolitik der Europäischen Notenbank war für etliche Länder an der europäischen Peripherie „völlig falsch“ (White). Diese Länder kamen im ersten Euro-Jahrzehnt trotz überhöhter Lohn- und Preiszuwächse durch den Euro viel zu leicht zu Krediten, obwohl das Gegenteil richtig gewesen wäre.
- Die Regierungen in Europa und Amerika haben zu weitgehende Zusagen in Hinblick auf die Pensions- und Gesundheitsversorgung gegeben; was laut William Sharpe besonders im öffentlichen Dienst der Fall war.
- „Alle Länder hatten eine asymmetrische Fiskalpolitik. Sie glaubten an den ewigen Boom.“ (White). Das heißt übersetzt: Sie haben auch in Boom-Phasen Schulden gemacht, obwohl selbst nach dem als Schuldenpapst der Linken geltenden Keynes in diesen Phasen Überschüsse zu erzielen wären. Von diesen Schulden haben damals alle profitiert, aber nach dessen Ende wurden automatisch die Defizite hinaufgetrieben.
- Der zypriotische Nobelpreisträger Christopher Pissarides analysiert ein Detailproblem der Vorkrisenpolitik, nämlich die Fehler im Arbeitsmarkt: „In Griechenland ist die Teilzeit überreguliert, daher zu teuer. In den Niederlanden werden die Menschen hingegen zu Teilzeittätigkeit ermutigt.“
- Joseph Stiglitz hat seine eigene Erklärung für die Krise: „Die große Depression der 30er Jahre war am Übergang von der Landwirtschaft zur Industrie. Jetzt geht es um den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Man muss daher die Arbeitskräfte durch Strukturpolitik aus einem sterbenden Sektor herausführen. Dennoch wird es immer eine normale Arbeitslosigkeit geben und daher dürften die Versuche die Wirtschaft zu stimulieren, kontraproduktiv sein.“
- Die Eurokrise ist, so macht Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut klar, gar keine Währungskrise, sondern eine Mischung aus anderen Krisen (Bankenkrisen, Staatsschuldenkrise). Die Krisen in Griechenland und Portugal sind ohne Verbindung zur Finanzkrise entstanden (also nur durch ständig zu hohe Regierungsausgaben); jene in Irland und Spanien hingegen stehen in Verbindung mit den Aktionen der dortigen Regierungen, die viel zu großen Banken des Landes zu retten.
- Die impliziten Schulden der Staaten übersteigen die expliziten, also die offiziell angegebenen um ein Vielfaches. (Nobelpreisträger Edmund Phelps schätzt sie für die USA auf 70 bis 80 Billionen Dollar). Dabei geht es um versteckte oder ausgelagerte Schulden, Haftungen und Zahlungsverpflichtungen (In Österreich wären das etwa die Pensionszusagen, das Gesundheitssystem, die ÖBB, die Asfinag, die Haftungen der Bundesländer und Gemeinden).
- Manche Banken haben, wie wenn sie ein Hedgefonds wären, mit viel zu vielen Krediten gearbeitet (Scholes).
- Die Ratingagenturen hatten mit falschen Modellen bewertet (ebenfalls Scholes).
- Griechenland macht heute noch ein Primärdefizit. Es gibt also, auch wenn man Zinsen- und Schuldenzahlungen abrechnet, trotz Sparpaketen noch immer mehr aus, als es jedes Jahr einnimmt. Das erinnert an die Weimarer Republik der deutschen Zwischenkriegszeit, wo auch dann, wenn man die oft genannten Reparationszahlungen an die Siegermächte abzieht, jedes Jahr mehr ausgegeben als eingenommen worden ist (Hellwig).
- „Die vielfach beklagten hohen Lebensmittelpreise haben auch eine positive Seite“, so James Mirrlees, ein weiterer Preisträger. „Denn sie haben viele Menschen aus der Armut herausgebracht.“ Womit er vor allem die in den Dörfern der Dritten Welt lebenden Lebensmittelproduzenten meint. Unser Blick sei zu stark von den städtischen Protesten gegen teurere Lebensmittel geprägt. Außerdem haben die höheren Preise die Lebensmittelproduktion gesteigert.
- Sein Kollege Edward Prescott fand sehr viel Zustimmung, zumindest unter den marktwirtschaftlichen Ökonomen, als er die Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit von Krisen sogar verteidigte. „Die Konjunkturzyklen sind die beste Antwort auf Schocks für das Wirtschaftssystem zu reagieren. Daher gehen alle Versuche, die Wirtschaft zu stabilisieren, in die Irre.“ Das war – für mich – wohl der grundlegendste Analyseansatz. Denn er bedeutet im Klartext: Die Konjunkturpakete helfen nichts, verzerren nur die Entwicklung – und hinterlassen immer größere Schulden.
Fazit: Viele der genannten Punkte haben den giftigen Krisencocktail gemischt. Manche Experten sehen freilich auch durchaus Positives in einer Krise. Andere Ursachenforscher vertreten hingegen wieder eher eine originelle Einzelmeinung. Und wenn man sich Prescotts Sichtweise anschließt, dann lag der wirkliche Fehler gar nicht vor der Krise, sondern in den falschen Reaktionen auf die Krise.
Letztlich gibt es jedenfalls ganz sicher nicht „den“ Hauptschuldigen. Letztlich ist aber auch fast niemand nur ein unschuldiges Opfer der Krise. Zumindest sind die Bürger als Wähler dafür verantwortlich, dass sie die Parteien für ihr verantwortungsloses Verhalten nicht bestraft haben.
Diesen vielen Analysen darf man freilich auch eine Erkenntnis des normalen Lebens hinzufügen. Dort gilt wie in der Wirtschaftswissenschaft das gleiche Prinzip: Nachher ist man immer viel schlauer.
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Der wie immer trefflichen Analyse unseres Dr. Unterberger ist kaum etwas hinzuzufügen; auch der letzte Satz trifft ziemlich genau den Punkt, den manche kluge Kritikaster ein wenig auf sich selbst beziehen sollten.
Nun, das war's: dies ist - wie bereits angekündigt und da und dort auch begründet - mein unwiderruflich letzter Beitrag hier im Unterberger-Forum; Leute wie XRatio, Knaller, auch Renneberg & Co, haben mir den Spaß an der Sache gründlich und nachhaltig verleidet! Reife Leistung, Herrschaften!
Ein herzliches Dankeschön Herrn Dr. Unterberger für sein wichtiges und unverzichtbares Tagebuch, das ich auch weiterhin verfolgen, jedoch eben keinesfalls mehr kommentieren werde!
Meinen wohlmeinenden Forumsfreunden danke ich für oftmals erteilte Zustimmung!
Mein Wunsch und meine Hoffnung: möge unser schönes Land und seine guten Leute in Wohlstand und Frieden inmitten der europäischen Völkergemeinschaft auch weiterhin eine zufriedenstellende Zukunft haben!
Adieu!
gerhard@michler.at
Man kann das alles viel einfacher, wenn auch etwas drastisch ausdrücken:
1) ein Volk, daß seiner Natur gemäß nur an Fressen, Saufen, Huren und Scheißen interessiert ist
2)Politiker mit den gleichen Interessen, jedoch gepaart mit einer amtemberaubenden Verantwortungslosigkeit. Daß sie dabei noch durch das " one Trottel one vote" Prinzip getrieben werden sei ihnen als Milderungsgrund anerkannt.
3) Banker ( nicht Bankiers!),die das alles ohne Scham und Hausverstand ausnützen.
Und fertig ist der Cocktail !
Anders als in der Medizin wurde vom Autor zuerst die Therapie und dann erst die Diagnose der weltweiten Finanzkrise sehr treffend erstellt.
Ich frage immer wieder: Welche Konseequenzen ziehen die führenden europäischen Politiker, die EZB und andere "Macher" aus allen diesen Erkenntnisse? Von Österreich erwarte ich mir da gar nichts, denn erst gestern hat unsere Finanzministerien eine sofort gesetzlich eingebaute Schuldenbremse abgelehnt. Aber international betrachtet hat unser Land ohnehin nichts zu vermelden, denn da werden wir "nicht einmal ignoriert". Oder haben Sie, werte Mitposter, in letzter Zeit schon einen vernünftigen Vorschlag unserer Leute bei der EU bzw. in der Eurozone gehört? Ich nicht, denn Faymann, Spindelegger & Co sind zu sehr mit sich selbst und anderen Kleinigkeiten beschäftigt. Ich wünsche mir im kommenden Herbst einen saftigen Koalitionskrach, welcher in Neuwahlen endet. Vielleicht werden dann die Karten neu gemischt, denn schlechter kann es ja nicht mehr werden.
Einer der Hauptursachen für die Krise ist nicht zuletzt die GIER.
Ob das jetzt die Bürger sind, weil sie Politiker wählen, die ihnen mühelosen Wohlstand für alle versprechen und damit die Staatsverschuldung in schwindelnde Höhen treiben.
Ob das die Wirtschaft ist, die rücksichtslos nach immer mehr Wachstum mit immer höheren Milliardengewinnen strebt.
Ob das die Finanzwelt ist, die sich auf immer riskantere Geldgeschäfte und deren schnelle Profit einläßt.
Und solange diesen offensichtlichen Urtrieb des Menschen Moral und Ethik nicht eindämmen können, wird er immer wieder in diverse Krisen ausufern.
Bereits Horaz wußte in seinen Oden: "Doch Sorge folgt und nimmersatte Gier dem wachsenden Gewinn"!
Die amerikanische Hypothekenkrise, die Geldausschüttung der FED, die allgemeine Schuldenpolitik, die Demokratie, in welcher die Nettoempfänger die Wahlen entscheiden, die Geldwirtschaft, welche völlig irrational ist - das alles musste einmal zusammenbrechen. Die Schulden fallen ja nicht nur den europäischen PIIGS-Staaten auf den Kopf, sondern nun krachen schon fast alle "westlichen Demokratien".
Was die EU betrifft, so müsste man die maroden Länder sofort aus der Eurozone ausschließen, sodass sie sich durch Abwertung selbst sanieren können. Die Banken können pleite gehen, die Bankkunden muss der Staat auffangen. Ihre Konten sind einfach auf gesunde Banken (soferne es solche noch gibt) zu transferieren.
Radikale Reformen:
Geld sollte nur noch als Tauschmittel eingesetzt werden.
Zensuswahlrecht - nur noch die Nettozahler dürfen wählen.
Die Krise.
Die Krise ist nicht erst 2008 entstanden, da ist sie ausgebrochen.
Wer 40 Jahre lang massiv auf Schulden lebt, auf Luftgeld spekuliert wird in Kauf nehmen müssen, dass er diese zurückzahlen muss und das Luftgeld nichts wert ist, wer 4 Jahrzehnte die Gesetze ignoriert, die ökonomischen (Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns, Schuldenpolitik, etc.), die zwischenstaatlichen (Konvergenzkriterien, etc.), die eigenen (Budgetgesetze, Verfassungsgesetze, etc.), der darf sich nicht wundern, dass er mit jeder neuen Schuldverschreibung einen Ziegelstein für die Krise gesetzt hat. Alle haben das getan nach dem Motto (ausser die Schweizer), wenn ein Affe ins Wasser springt, müssen alle anderen Affen auch nachspringen. Denken ist offenbar 40 Jahre lang verboten gewesen, jetzt geht es ans Schuld zuweisen und Lügen.
Darüber kommen alle klugen Eierköpfe nicht hinweg, über die Physik, dass man aus einem Krug nur herausgiessen kann, was man hineingegeben hat, und dass man mit neuen Schulden, nicht alte Schulden beheben kann.
An der Krise wurde 40 Jahre lang eifrig gebastelt, damit sie nur ja genug Schaden anrichten möge.
Ich habe diese schon in den Siebziger Jahren gesehen, als mein Vater, der damals noch arbeitete, gesagt hat, 'es ist eigentlich wie in den 30-er Jahren, der Unterschied ist, dass es heute Kredit gibt', aber wie lange geht das so ?
Richtig, bis zum Ausbruch der Krise, die immer schneller und immer öfter anklopfen wird.
Von der Unmoral der Politik:
"Künstler" gefördert vom Land NÖ, Bundesministerium f. Unterricht und Kunst, u.a.
Man glaubt es nicht:
http://sosheimat.wordpress.com/2011/08/31/kunstpreis-fur-osterreich-ist-scheise/