Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:
Ist die Hilfe Europas für Griechenland richtig?
In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.
Was kostet der Frieden?
Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).
Vor zwanzig Jahren tobte in Südosteuropa ein Bürgerkrieg. Unendlich grausam wie jeder Krieg. Mit Opfern, deren Namen keiner mehr nennt. Wie es dazu gekommen ist wenige Monate nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, die Eigendynamik der geschürten Nationalismen und der sich aufschaukelnden Grausamkeiten, die tief sitzende Menschenverachtung der Kriegstreiber - egal auf welcher Seite sie zu finden sind - hat jetzt der seinerzeitige Kriegsberichterstatter auf dem Balkan, Friederich Orter, in seinem hervorragenden Dokufilm „Waffenruhe" in der ORF-Reihe Menschen und Mächte nachgezeichnet. Ohne großartige Schuldzuweisungen an eine der nationalistischen Seiten. Der Film zeigt was Krieg ist: Für jede Frau, für jeden Mann, für jedes Kind; selbst viele, viele Jahre danach.
Mitursachen für diesen Krieg in Europa am Ende des 20. Jahrhunderts, der viele geistige Väter und Mütter auch in der EU hatte, waren das ökonomische Desaster und der mangelnde politische Wille zum Zusammenhalt in Ex-Jugoslawien. Große ökonomische Misswirtschaft erzeugt Korruption, nährt Privilegienritter und Ungerechtigkeiten, diese wiederum ist Nährboden für extrem ungleiche Gesellschaften mit wenigen Superreichen und vielen Darbenden. Das ist und war und wird es immer bleiben: Der Sumpf in dem Nationalisten, Faschisten, linke und rechte Diktatoren, Revolutionäre und Reaktionäre mit stumpfsinnigen Parolen Gehör bei den Massen finden. Und der Schlachtruf mit denen diese dann ins Gemetzel geschickt werden ist stets der gleiche: Seht her, Dein Nachbar, Deine Nachbarin hat mehr und lebt besser! Nehmt es ihnen weg! Griechenland brennt. In der Nacht auf Donnerstag gab es 150 Verletzte. Diesen Brand zu löschen ist JETZT Aufgabe Europas. Damit es kein Flächenbrand wird. Noch geht es hoffentlich mit Geld.
Die Pleite kommt – je später umso ärger
Andreas Unterberger
Bei einer Pleite Griechenland gibt es einen Schock, der uns alle teuer kommt." Ein an sich richtiger Satz. An ihn glaubend lässt Europa zur weitere 120 Milliarden Euro springen - und mehr: Auch die freiwillige Beteiligung privater Gläubiger wird dadurch erkauft, dass diese für Teile ihrer Forderungen an Athen nun europäische Garantien bekommen.
Dieser erste Satz braucht freilich dringend auch noch den zweiten Teil, damit er zur ganzen Wahrheit wird: „Griechenland ist schon im Zustand der Pleite, sodaß der Schock jedenfalls eintreten muss - je später umso ärger." Das Land ist so überschuldet, dass es seine Schulden nie zahlen kann. Es sei denn, man stürzt den Euro in eine Inflation, die alle Schulden in ein Taschengeld verwandelt. Dem schon verlorenen Geld weiteres gutes Geld nachzuwerfen, löst normalerweise als Konkursverzögerung und Untreue (in diesem Fall zu Lasten der Steuerzahler) Strafhaft aus.
Politik und Notenbanken können nicht bestraft werden. Schließlich macht die Politik selbst die Strafgesetze. Warum aber tun sie es überhaupt? Weil sie der Stunde der Wahrheit so lange wie möglich zu fliehen versuchen. Sie hoffen, dass der dann unweigerlich noch viel schlimmere Crash nicht mehr ihnen angelastet wird. Noch mehr fürchten sie die Erkenntnis der Bürger, dass auch anderswo griechische Politik gemacht wird: steigende Staatsverschuldung, Verstecken von Staatsschulden, zu niedrige Zinsen, zu hohe Sozialausgaben, den Produktivitätszuwachs übersteigende Lohnerhöhungen, Überregulierung, zu späte Privatisierungen. Da diese Sünden fast allen Ländern und Parteien wie auch vielen „unabhängigen" Zentralbanken angelastet werden, hat niemand Interesse, dem Schrecken endlich ein Ende zu bereiten. Und Sparer oder Steuerzahler werden ja nicht gefragt.
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Wenn, ja wenn alle anderen europäischen Länder reich und nur Griechenland arm und pleite wäre, könnte man in der Argumentation von Frau KKP eine gewisse Logik finden. Aber die Dame blendet völlig aus, daß die meisten EU-Staaten selbst bis über beide Ohren in Staatsschulden ersticken und die von ihr eingeforderte Solidarität das ganze System zum Kippen bringen kann.
Dann würden erst recht die von ihr beschworenen Szenarien eintreten und noch dazu mit wesentlich größerer Wucht.
Daher sollte man bei aller Verantwortung bzw. gerade aus Pflicht zu einer solchen für Griechenland ein Ende mit Schrecken beschließen als einen Schrecken ohne Ende.
Härte kann auch unter Umständen heilend wirken, sehr geehrte Frau KKP!
Und schon wieder ein neuer Kampfbegriff: "Killerkapitalismus".
Das bedeutet: Ich will mein Geld zurückhaben? Wie reaktionär :-)
Verehrter Wertkonservativer, wenn Sie auch auch diesmal auf der Seite der Salzburger Lady stehen, dann beachten Sie bitte trotzdem Ursache und Wirkung!
Den Zustand, den die Lady da beklagt, hat vorher ihresgleichen herbeigeführt!
Ich finde es auch interessant, daß da aus Zufall oder Absicht vorher eine Diskussion aus dem März gebracht wird. Da schreibt die Lady über den Killerkapitalismus als Ursache für den Zustand in Griechenland. Als ob je ein Staat jemals so etwas wie Kapitalismus zugelassen hätte? Alle Staatsgebilde, auch die USA haben durch Interventionitis jeden Kapitalismus im Ansatz zunichte gemacht. Die Griechenlandkrise, die Eurokrise und auch die Dollarkrise wurde durch die Politik, Bürokratie und Geldpolitik der Nationalbanken, aber nie durch unternehmerischen Egoismus verursacht!
Mit den Wörtern Killerkapitalismus und Raubtierkapitalismus versuchen die Linken wiedereinmal von sich als Ursache für Verbrechen, Not und Elend abzulenken, wie es ihnen ja schon einmal bei der National Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gelungen ist!
Ein Projekt ist gescheitert, das steht fest: Griechenland in den Euro aufzunehmen.
Dafür gibt es viele Ursachen und so manche Schuldigen, der de facto Konkurs wird nur weiter verschleppt und verschleiert.
Einem Schuldner in aussichtsloser Lage, der seine Schulden NIEMALS MEHR zurückzuzahlen in der Lage sein wird, noch mehr Geld zu borgen ist grobe Fahrläßigkeit und Betrug an den europäischen Nettozahlern und ihrer Zukunft.
Also an uns allen und dagegen sollten wir uns wehren!
Und wenn der liebe Wertkonservative meint wir sollten uns ein Beispiel an den Polen und deren Forderung nach Solidarität nehmen, dann kann ich nur erwidern,
die Polen verlangen Solidarität, aber nicht von ihrem eigenen Volk, sondern eine von den Zahlern, d.s. vor allem Deutschland, den Niederlanden und nicht zuletzt von Österreich!
reinhard.horner@chello.at
„Die Hilfe“ oder Hilfen (welche?) für Griechenland? Und „richtige“?
a) Rezept von Dr. Unterberger: „- dem Schrecken endlich ein Ende zu bereiten“. Nicht „dem schon verlorenen Geld weiteres gutes Geld nachwerfen“.
b) Rezept von Frau Krawagna-Pfeifer: Für den Frieden zahlen. „Diesen Brand zu löschen, ist JETZT Aufgabe Europas.“ „Noch geht es hoffentlich mit Geld.“
Zu a): Griechenland wie ein Unternehmen in Konkurs gehen lassen? Unter Masseverwaltung stellen – von wem? Verwertung alles Staatsvermögens für die Befriedigung der Gläubiger – Versteigerung, Schnäppchenjagd; Verlustschnitt der sodann noch offenen Schulden bzw. künftiges Eintreiben aufgrund Verpfändung der kommenden Einnahmen? Helfende Zugriffe vielleicht den Chinesen überlassen?
Nachhaltige Rezession, Unregierbarkeit in Kauf nehmen? Überleitung in eine schier zwangsläufige Diktatur? Oder Entmündigung, vielleicht Valentin Inzko als Hohen Repräsentanten nach Athen versetzen?
Gläubigerländer erwerben in Griechenland Kolonialbesitz? Es erfolgt eine Teilung Griechenlands etwa so, wie Gaddafi sie der Schweiz an den Hals gewünscht hat?
Zu b): Nur mit Geldhilfen ist es nicht getan!
Eindeutig „Richtiges“ (ohne Risiko) wird nicht viel zu finden sein. Jedenfalls sollte nicht allzu viel Falsches getan werden.
Unerlässlich bleibt, dass wir – vor allem in Europa – einander mit Respekt begegnen. Ohne eine größere Portion an Brüderlichkeit kann nichts Zukunftstaugliches gelingen. Dass uns auch die Griechen ein Anliegen und sie in Europa willkommen sind! Im Umgang auf gleicher Augenhöhe, wenigstens nicht aus verbundener krass egoistischer und überheblicher Position. Der Verschrebergartelung ist insbesondere im europäischen Zusammenhang Einhalt zu gebieten.
Oder wollen wir die Notlage ausnützen – so dass die innergriechischen und die ausländischen Profiteure ihr Süppchen kochen können? Dass von solchen weiterhin rücksichtslos gut verdient werden kann oder dass sowohl die Inländer als auch die Ausländer, die in und an Griechenland bisher beträchtliche Profite erzielt haben, nunmehr etwas zurückgeben?
In betont humaner und in weitersichtig vernünftiger Haltung gilt es, den Griechen wirtschaftlich und nicht minder in den erforderlichen einschneidenden gesellschaftlichen und politischen Reformen beizustehen. Ihnen durch Investitionen und durch Kooperationen – in erster Linie zu einem qualitativen Wachstum, zur Erlangung und Steigerung der Konkurrenzfähigkeit – Förderungen zu leisten. Gewiss auch mit Durchsetzung entsprechender Forderungen nach Überwindung marodierender Gepflogenheiten und nach Ausmerzung mehrerer Arten von national und international angewandten Gaunereien.
Nicht auf Geld beschränkte, sondern umfassende produktive Hilfen für Griechenland sind zugleich Hilfen für Österreich und für Europa. Sie sind schwierig, aber machbar.
Es tut mir fast weh, es hier sagen zu müssen, in diesem Fall mehrheitlich auf der Seite der Salzburg-Lady zu stehen (ich habe sie oft genug hart kritisiert und manchmal auch lächerlich gemacht)!
Doch, werte Freunde, diesmal sind Sätze drin, denen ich zustimme.
Werter Dr. Unterberger, ich bin wirklich fast immer Ihrer Meinung! Tragen Sie es mir bitte nicht nach, wenn ich hier der gleichen - vielleicht unmaßgeblichen - Meinung wie Frau KKP bin.
Es kann - wird sogar wahrscheinlich - so kommen, wie Sie es hier klar sagen; aber - abgesehen davon, dass wir die Entwicklung hinsichtlich der Griechenland-Hilfe mit unseren Kräften ja gar nicht mehr aufhalten können - lassen Sie Europa diesen einen Akt der Solidarität setzen, um auszuloten, was möglich und noch einigermaßen verkraftbar ist. Wenn dann - so oder so - eine Kettenreaktion Europa und unser Wertgefüge auseinanderkrachen lässt, dann können wir wenigstens sagen: wir haben's versucht.
Nach Aussagen vieler ernstzunehmender Politiker und Wirtschaftler sind die Auswirkungen der Griechen-Krise auch für den Fall der Griechen-Pleite für ganz Europa zumindest so gravierend, wie nach einer nochmaligen Hilfeleistung:
es bleibt ja dann eigentlich "gehupft wie gesprungt"!
Eines noch, werte Mitr-Diskutanten: wollen wir uns von den viel ärmeren Polen, die am ersten Tag ihrer EU-Ratspräsidentschaft Solidarität mit den Griechen einfordern, beschämen lassen?
Und wenn, wie ich gerade las, ein Herr Buchen der Regierung gegenüber mit einem Volksbegehren gegen die Griechenland-Hilfe droht! Da kann ich nur sagen: billigster Populismus, ganz in der Art seines größeren rechten Konkurrenten.
So, jetzt habe ich mich einmal in Widerspruch zur Meinung auch vieler meiner Freunde gesetzt. Stahlhelm habe ich zur Sicherheit am Bürotisch liegen, sollten mir Fetzen um die Ohren fliegen (fast ein Reim, oder?)!
Guten Morgen, und - bitte - nichts für ungut!
Ui, jetzt malt KKP das Schreckgespenst eines blutigen Bürgerkriegs an die Wand. Typisch für die Linke: da wird jenen mit Gewalt gedroht, die man um ihr Vermögen erleichtern will. Um solch niederes Begehr zu verschleiern, wird blanker Raub in soziale Umverteilung umgetauft und die eigenen, finsteren Absichten wirft man seinem Opfer vor: Raub(tierkapitalismus) und Raffgier. Hier die armen Räuber, dort die bösen Besitzenden.
Deshalb findet die Linke auch nichts dabei, wenn Griechenland, das arme Land, nun Subventionen in Milliardenhöhe von den reichen Ländern wie Deutschland, Niederlande und Österreich nimmt.
Griechenland wird immer mehr zu einem Präzedenzfall für zukünftige Raubzüge an den noch funktionierenden Nationalstaaten. Um das zu verhindern, dürfen Deutschland und die anderen nördlichen Staaten kein Geld mehr nach Athen schicken. Da die Regierungen über die Köpfe ihres Souveräns hinweg, dem Volk, dies bereits beschlossen haben, kann man nur mehr hoffen und beten, daß irgendetwas dazwischen kommt.