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Freiheit, Liberal, Liberalismus

Liberales Denken ist unter den Österreichern weiter verbreitet, als Intellektuelle und vor allem Politiker annehmen. Das gilt zumindest, wenn man darunter nicht etwas Dogmatisches versteht, was aber eigentlich automatisch schon Illiberalität bedeutet.

Dazu einige zentrale Thesen:

1.    Als Beweis sei eine von Erich Reiter in Auftrag gegebene IMAS-Studie zitiert. Den Befragten wurde folgende Frage bestellt: „Zu welchen Gruppen würden Sie sich selbst zählen?“ Dabei wurden mehr als zwei Dutzend ideologische Gruppen vorgegeben. „Leute mit starker Linksorientierung“ landeten am letzten Platz, knapp davor kamen „Linksliberale“ auf vier Prozent, „Rechtsliberale“ auf fünf Prozent. Es scheint also recht mager bestellt zu sein um den Liberalismus, fast genauso schlecht wie um die Linken.
Jedoch: Schaut man aufs andere Ende der Skala, zum absoluten Spitzenwert jenseits des Mittelfelds von (jeweils selbstdeklarierten) Konservativen, Bürgerlichen, Angehörigen der Arbeiterklasse, Heimatverbundenen oder Ordnungsliebenden, kommen an zweiter Stelle mit 47 Prozent die „Weltoffenen“ und an der Spitze mit 63 Prozent die „Menschen, denen Freiheit und Unabhängigkeit viel bedeuten.“
Und das sind nun wirklich urliberale Positionen. Ein klareres Bekenntnis zu liberalem Denken kann es eigentlich nicht geben. Aber zugleich auch keine klarere Absage an Liberalismus.

2.    Liberalem Denken, liberalen Einstellungen muss a priori jeder -ismus, daher auch ein „Liberalismus“ wesenfremd sein. Politiker, die wie weiland eine Heide Schmidt aus einem Obersatz, aus einem Grundaxiom heraus die Antworten auf alle wichtigen politischen Fragen herunterzudeklinieren versuchen, sind Dogmatiker und nicht liberal.

3.    In Österreich wurde aber in der Politik der Liberalismus immer genauso verstanden und praktiziert. Im Grund haben seit Josef II. viele Möchtegern-Liberale in Wahrheit einen wohlfahrtsstaatlichen Sozialdemokratismus vertreten. Der aber die Freiheit, Unabhängigkeit und Weltoffenheit der Menschen stets eingeschränkt hat.

4.    Da liberales Denken nicht dogmatisch sein kann, kann auch kein liberaler Autor wie etwa ein Friedrich August Hayek eine Bibel sein, in der man nur nachzuschlagen braucht, um die Antworten auf alle heutigen Fragen zu finden. Auch wenn er in meinen Augen ziemlich der klügste Denker des 20. Jahrhunderts gewesen ist. (Freilich ist die Gefahr ohnedies nicht sehr groß, dass ein Angehöriger der österreichischen politischen oder journalistischen Szene bei Hayek nachzuschlagen beginnt.)

5.    In einer klugen liberalen Politik sollte es vielmehr immer nur um die recht pragmatische Suche nach den bestmöglichen Antworten gehen, wobei folgende Aspekte besonders wichtig sind:

  • Die Empirie, die Erfahrung, was politisch insbesondere die Suche nach Best-practice-Beispielen bedeutet,
  • Grundlegendes Verständnis, wie die Marktmechanismen wirken (die nämlich immer wirken, auch wenn man sie wie in einer Planwirtschaftzu fesseln versucht),
  • Das Poppersche Falsifizierungs-Modell, also die Bereitschaft, jede Erkenntnis, jede These nur als vorläufige zu behandeln, und immer die Möglichkeit einer Falsifizierung offen zu halten.
  • Eine saubere Güterabwägung, die alle relevanten Aspekte prüft, weil ja in sehr vielen konkreten Situationen mehrere Freiheiten miteinander konkurrieren (etwa die Freiheit vor Verbrechen versus die Freiheit vor Überwachungskameras),
  • Das Reflektieren über das Wesen des Menschen, das einem von utopischen Versuchen abhalten muss, einen neuen Menschen zu schaffen, und
  • Der bescheiden klingende, aber fundamentale liberale Grundsatz, dass es im Zweifel immer besser ist, keine Regelungen zu treffen, wenn man nicht sicher ist, dass erstens eine Regelung welchen gesellschaftlichen Bereichs auch immer, nicht langfristig in anderen Zusammenhängen Schaden anrichten kann, und dass zweitens die Einschränkung menschlicher Freiheiten durch die Größe der abzuwendenden Gefahren wirklich gerechtfertigt ist.

6.    In diesem Sinn kann man als Liberaler durchaus argumentieren, dass die allgemeine Abgabe von Fingerabdrücken zur Abwehr einiger Krimineller und Terroristen gerechtfertigt ist. Nicht mehr akzeptabel ist es hingegen, wenn Meinungsdelikte wie das Verächtlichmachen anderer Weltanschauungen mit zwei Jahren Haft bestraft werden soll, wie es die österreichische Regierung und die europäischen Justizminister planen. Hier haben die abzuwehrende Gefahr und das eingesetzte Instrumentarium völlig die Proportionen verloren.
Dieses Vorhaben ist ein echter Lackmustest dafür gewesen, wer in diesem Land halbwegs liberal denkt und wer nicht. In der sogenannten politischen Elite waren das erschreckend wenige. Alle jene, die sich zwar furchtbar über Fingerabdruckdaten erregen – obwohl diese niemandem einen echten Nachteil zufügen –, jedoch keinen Ton gegen die Haftandrohung für Meinungsdelikte von sich geben, sind Linke, die sich als liberal bezeichnen, weil das heute halt viel besser klingt. Oder gar getarnte Helfershelfer von Terroristen. Oder zumindest dumme Trittbrettfahrer des Zeitgeistes.

7.    In einer politologischen Analyse lässt sich zeigen, dass es in jeder Partei dieses Landes gewisse liberale Elemente gibt. Politikgestaltend und prägend waren diese aber in den letzten hundert Jahren fast nie, mit Ausnahmen der Perioden Raab-Kamitz und Schüssel-Grasser-Riess-Bartenstein in wirtschaftspolitischer Hinsicht. Was unabhängig davon stimmt, ob Grasser sich nun in irgendeinem Zusammenhang vielleicht doch strafrechtlich schuldig gemacht hat oder nicht. Die ersten Kreisky-Jahre waren zumindest in einigen gesellschaftspolitischen Fragen liberal. Was festzuhalten ist, selbst wenn man in Sachen Abtreibung eher den kritischen Standpunkt der Konservativen und Christen teilen sollte.

8.    Auch in Deutschland war es seit den Neoliberalen um Ludwig Erhard und den Sozialliberalen um Schiller-Schmidt sehr ähnlich. Dort wurden in den letzten Jahren alle großen liberalen Persönlichkeiten an den Rand gespült, obwohl ihnen Umfragen plötzlich ein Wählerpotential von rund 20 Prozent für eine ordnungsliberal-konservative Politik einräumen. Und obwohl es dort eine Reihe spannender Exponenten gibt: Kirchhoff, Merz, Clement oder Gauck.

9.    FDP wie BZÖ haben hingegen dieses Potenzial in hohem Ausmaß verspielt. Sie missverstehen liberales Denken als Interessenvertretung. Für Hoteliers, für die Produzenten von Solaranlagen und andere Gruppen.

10.Die genannten Namen aus der historischen und gegenwärtigen Politik in Deutschland und Österreich zeigen natürlich auch die große Spannweite liberalen Denkens.

11.Fast einziges Modell eines verwirklichten liberalen Staats- und Wirtschaftsdenkens ist die Schweiz, die neben Wirtschaftsliberalismus auch eine Verknüpfung von Weltoffenheit mit der überzeugten Bewahrung nationaler und regionaler Identität verkörpert.

12.Für Österreich ist aktuell keine große Renaissance liberalen Denkens zu erwarten. Dazu ist schon das Wort Liberalismus durch die unheilvolle Tätigkeit von Heide Schmidt viel zu verbrannt und beschädigt. Dazu ist in den Parteien der Staatsinterventionismus viel zu sehr verankert.

13.Dazu gibt es auch viel zu wenige Medien mit liberaler Orientierung. Man denke beispielsweise an die Berichte mehrerer Zeitungen in den letzten Wochen, in denen ausgerechnet jene Minister als fleißig bezeichnet wurden, welche die meisten Gesetzesentwürfe eingebracht haben. Man denke nur an die eigentlich unglaubliche Tatsache, dass sich die österreichischen Regierungsparteien noch vor der ernsthaften Diskussion einer einzigen Sparmaßnahme in einem einzigen Punkt einig waren: Dass 40 Prozent der Budgetlücke über Steuererhöhungen und nicht über Einsparungen geschlossen werden sollen. Man denke nur daran, welch massive Unterstützung jede Lobby in der veröffentlichten Meinung erhält, die um neue Staatsausgaben für ein angeblich wichtiges soziales oder ökologisches Anliegen kämpft.

14.Ähnliches spielt sich auch weltweit ab: Man denke, wie leicht sich die Propaganda der Staaten und Parteien weltweit ausbreiten konnte, dass die Wirtschaftskrise der letzten beiden Jahre Schuld der Marktwirtschaft wäre. Obwohl eindeutig die wichtigsten Ursachen der Krise die Staatsverschuldung, die Politik des billigen Geldes, die von Politikern beschlossenen Rettungsaktionen für bankrotte Unternehmen auf Steuerzahlerkosten, und die skurrilen amerikanischen Gesetze waren, dass jeder Amerikaner ein Eigenheim haben müsse. Das waren alles staatliche Entscheidungen und Fehler. Ohne all diese staatlichen Fehler gäbe es natürlich weiterhin Konjunkturwellen und schlimme Bankrotte. Aber keinesfalls die verheerende Krise der letzten Jahre, die ja nur für sehr naive Analysten vorüber ist, deren zweiter Teil mit großer Wahrscheinlichkeit noch aussteht.

15.Die Bürger haben hingegen weltweit in hohem Ausmaß erkannt, dass jetzt nur noch liberale Rezepte helfen. Das scheinen zumindest die Wahlresultate von den Niederlanden bis zu den Tschechen und Slowaken zu zeigen. Aber da liberales Denken eben ein Widerspruch zur Bildung straff organisierter Parteien und zu jedem -ismus sind, werden sich letztlich wohl die staatsinterventionistischen Parteien und Bürokratien noch einmal durchsetzen.

16.Für die nächsten Jahrzehnte hat liberales Denken nur in Verbindung mit den Konservativen eine realistische Perspektive. Erstens weil es ohne Verbündete nicht geht. Zweitens weil die großen Bedrohungen der Freiheit seit einigen Jahrzehnten von links kommen: durch die illiberalen und teuren Illusionen des linken Wohlfahrtsstaats und Keynesianismus und nun durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Zuge der Political correctness. Daher muss sich liberales Denken heute nach rechts verschieben. So wie es im 19. Jahrhundert angesichts von Feudalismus und überbordendem Einfluss der Kirche links gestanden ist und stehen musste.

(Dieser Text ist eine komplette Überarbeitung eines Referats vor dem Internationalen Institut für Liberale Politik).

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