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Steirische Nachdenkübungen

Die steirische Politik täte gut, während der nächsten Tage in aller Ruhe die Wahlkarten-Ergebnisse abzuwarten. Gewiss, Ruhe ist in der heute üblichen politisch-journalistischen Hektik nicht sonderlich an der Tagesordnung. Aber das weite Auseinanderklaffen zwischen Wahltag und Bekanntwerden der Briefwahlergebnisse zwingt dennoch dazu.

Denn diese Wahlkarten könnten noch viel an den Konsequenzen ändern: Ein wackliges SPÖ-Mandat weniger und schon herrscht Gleichstand zwischen den beiden Mittelgroßparteien. Ein Linksmandat (SPÖ, KPÖ und Grüne) weniger und schon wäre das Patt zwischen der politischen Rechten und der Linken beendet. Ein paar Zehntelprozent weniger bei den Kommunisten und schon wären sie ganz draußen – ein paar Zehntel mehr und schon hätten sie ein drittes Mandat.

Daher sollte man sich derzeit auf jene Aussagen konzentrieren, die jetzt schon fix sind:

1.     Das Experiment BZÖ hat wenig Zukunft vor sich. In jedem Bundesland ein anderer politischer Kurs, keine strahlkräftige Persönlichkeiten, Verwechslung von ordoliberaler Politik mit Branchenlobbyismus: Das alles muss letztlich schiefgehen. Eine moderne liberalkonservative Bewegung zeigt sich da nicht.

2.     Der Jubel der SPÖ ist ziemlich peinlich. Auch wenn sie den Landeshauptmann wahrscheinlich verteidigt hat, ist sie doch die größte Wahlverliererin.

3.     Noch peinlicher ist es aber, wie für die meisten in der SPÖ plötzlich die Freiheitlichen wieder salonfähig werden. Die antifaschistische Moralismus-Heuchelei lässt sich offenbar auf Knopfdruck abdrehen, sobald man die Blauen brauchen kann. Was die SPÖ nicht hindert, die Blauen später sofort wieder in Gutmenschenart zu Reinkarnationen Adolf Hitlers zu degradieren, wenn man sie nicht braucht. Oder wenn man der ÖVP die schwarz-blaue Variante vermiesen will.

4.     Spannend wird, ob sich die ÖVP – die nach dem vorläufigen Stand keine Mehrheit mit den steirischen Blauen hat – von dieser Drohung eines Rot-Blau unter Druck setzen lässt. Oder ob sie – wie gestern im Tagebuch skizziert – auf Konsequenzen darauf beharrt, dass der steirische Landtag nach dem bisherigen Stand genau in eine rechte und eine linke Hälfte zerfällt. Und nicht mehr wie in der letzten Periode eine massive linke Mehrheit hat.

5. Besonders heiter wäre es, wenn am Schluss der ÖVP genau die Stimmen der kleinen Christen-Partei zur Pole-Position fehlen würden: Vielleicht sollte sich die Partei doch einmal mit den Exponenten der Kleinpartei zusammensetzen. So wie man vor Jahrzehnten den Nationalen bewusste Angebote gemacht hat (von Bartenstein bis Ermacora).

6. Genauso unverständlich ist, dass nicht ÖVP wie FPÖ längst intensiv um das BZÖ buhlen. Denn deren Stimmprozente fehlen der rechten Landeshälfte noch viel mehr als die Promille der Christen. Aber die großen Strategien fehlen sowohl den heutigen Schwarzen wie auch den Blauen.

7. An den vielen Analysen und Wählerstrom-Berechnungen (die ja regelmäßig bei unterschiedlichen Instituten zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen) ist nur ein einziger Aspekt vom Datenmaterial her wirklich solide und zugleich spannend: Frauen wählen überdurchschnittlich oft links, Männer stärker rechts.

Über die strategischen Konsequenzen aus diesem Umstand kann man nun heftig streiten. Wird eine rechte Partei, wie es bei der ÖVP teilweise der Fall ist, zunehmend feministisch, dann verliert sie wahrscheinlich rascher Männer an die FPÖ, als sie Frauen von den Grünen gewinnen kann. Andererseits könnte man dieses Links-Rechts-Gefälle auch in Relation zum politischen Interesse und zum Konsum von politischen und wirtschaftlichen Inhalten in den Medien setzen: Überspitzt ausgedrückt hieße das: Die Linke reüssiert nur noch bei den politisch eher desinteressierten Frauen.

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