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Die Metallgewerkschaft hat Verantwortungsbewusstsein vorgezeigt: Der Lohnabschluss deutlich unter der Inflationsrate ist klarer Beweis dafür. Er zeigt, dass auch bei den Betriebsräten die wahre Lage der österreichischen Wirtschaft angekommen ist, und dass sie diese auch den Gewerkschaftsfunktionären klarmachen haben können, die ja in den letzten Jahren nie die Lage des Landes berücksichtigt hatten, das eigentlich von seiner Wirtschaft und nicht den Schulden leben sollte. Dazu kann man ihnen – und Österreich – nur gratulieren.
Der zuletzt Schlagzeilen machende Fall KTM ist kein Einzelfall. Er ist vielmehr symptomatisch: Der oberösterreichische Motorradhersteller ist heute ein rein indischer Betrieb geworden. Zuerst ging nach einer De-Facto-Pleite das Eigentum nach Indien. Und jetzt werden nach der Reihe auch die Maschinen demontiert und samt Knowhow nach Indien transferiert, wo dann mit indischen statt österreichischen Löhnen und zu indischen statt österreichischen Soziallasten künftig die Motorräder produziert werden. Damit werden sie auf dem Weltmarkt wieder eine Chance haben.
Dieser Fall und viele ähnliche haben die Metallarbeiter quer durch die Branche viel gelehrt. Ihnen ist ihr Arbeitsplatz wichtiger, als dass sie es – wie bisher – den Gewerkschaftsfunktionären erlauben könnten, stolze Erhöhungen zu erpressen. Freilich wird es Jahre dauern, bis die in der Vergangenheit dem Standort Österreich dadurch angetanen Schäden wieder gutgemacht werden können.
Daran sollten sich auch Pensionisten- und Beamtenvertreter ein Vorbild nehmen.
Bei den Beamten ist die Rückkehr zur Vernunft noch im Verhandlungsstadium. Bei den Pensionisten ist sie hingegen schon gescheitert. Denn wenn man der großen Mehrheit ohne jede Rücksicht auf die einstigen Einzahlungen in die Pensionsversicherung, also ohne Rücksicht auf das Versicherungsprinzip, eine übermäßige Erhöhung gibt, darunter vor allem den angeblichen Kleinpensionisten (die in Wahrheit meist im billigen Ausland leben oder die eine zweite Einkunftsquelle haben), dann hat man einerseits kaum gespart und andererseits das Versicherungsprinzip weiter demoliert. Und das ist noch viel schlimmer. Denn jetzt kommen ausgerechnet jene Pensionisten unter die Räder, die als einzige durch ihre Versicherungsleistungen die spätere Pension versicherungsmathematisch zur Gänze oder fast zur Gänze erwirtschaftet haben. Auch das wird vielen eine Lehre sein. Freilich eine negative. Viele Österreicher sind demotiviert worden, angemeldet zu arbeiten, statt pfuschen zu gehen (und dazu fette Arbeitslosen-Unterstützung zu kassieren).
Der Zuschuss zur Pensionsversicherung, womit aus dem Steuer- (in Wahrheit: Schulden-)Topf die unzureichenden Einzahlungen aufgebessert werden, ist das entscheidende Krebsgeschwür in diesem Lande, das jedes Jahr noch gefährlicher und noch größer wird. Und Bundeskanzler Stocker agiert – wie alle seine Vorgänger nach Wolfgang Schüssel – grob fahrlässig und verantwortungslos, wenn er sogar öffentlich Desinteresse an der Entfernung oder Beschneidung dieses Geschwürs zeigt und den dahinter stehenden populistischen Opportunismus auch offen zugibt: Die heilende Wirkung eines Eingriffs ins Pensionssystem würde erst nach seiner Amtsperiode eintreten, daher versucht er gar nicht, die Heilung einzuleiten.
Noch wichtiger wäre der Lernprozess für die Damen und Herren vom Verfassungsgerichtshof. Denn sie sind durch ihre Judikatur hauptverantwortlich für einen Gutteil der wirtschaftlichen Probleme des Landes.
Am wichtigsten aber wäre ein Lernprozess für den Herrn Babler. Denn der Vizekanzler ist zweifellos der wahre Schuldige, der jeden Sanierungsversuch verhindert und wegen dem der Bundeskanzler eine Sanierung gar nicht erst versucht. Dabei müsste der Staat Österreich – also Bund, Länder und Gemeinden – genauso dringend wie die Industrie wieder wettbewerbsfähig werden. Das ist freilich ein schmerzvolles Mehrjahresprogramm. Und Babler ist eindeutig jener Mensch in der Regierung, der das am wenigsten begriffen hat – während die aus der Gewerkschaft kommende Sozialministerin und der aus der Arbeiterkammer kommende Finanzminister zumindest halbwegs vernünftig klingen – zumindest vernünftiger, als man bei ihrem Antritt befürchten musste.
Aber wahrscheinlich sind all die Damen und Herren in dieser Regierung, wie auch in vielen früheren, zu weit weg vom wirklichen Leben, als dass sie den Ernst der Lage so erkennen würden wie es eben viele Arbeiter tun. Ihnen ist derzeit ihr sicherer (und ohnedies gut bezahlter) Arbeitsplatz wichtiger als die Erhöhung des Lohnes um zwei, drei oder vier Prozent. Sie sehen ja, wie da die Maschinen abmontiert werden, wie anderswo gekündigt wird, wie dort Schichten gestrichen werden, wie anderswo überhaupt der Konkurs zu einer Schließung der Fabrikstore führt.
Und sie sind zum Unterschied von der politischen oder medialen Klasse viel zu intelligent, um auf die dümmlichen Politiksprüche hereinzufallen, wie: "Die Regierung tut nichts für unsere Arbeitsplätze", "Die Regierung tut zu wenig gegen die Inflation."
Österreichs hochintelligente Arbeiter wissen genau, dass ihre Löhne in Summe ein ganz entscheidender Faktor für die dreijährige Rezession sind, dass es nicht zuletzt die früheren Fehler gieriger Gewerkschaftsfunktionäre gewesen sind, die Österreich in die schlechte Lage gebracht haben. Denn es war die frühere Gewerkschaftspolitik, die dazu geführt hat, dass binnen weniger Jahre die Lohnstückkosten in Österreich um zehn Prozent teurer geworden sind als in Deutschland. Es waren nicht die Energiepreise, nicht Covid, nicht der Krieg – denn das alles hat es für Deutschland genauso gegeben.
In Zeiten Anton Benyas hatte der Gewerkschaftsbund noch gewusst, dass in Österreich die Arbeitskosten immer eine Spur unter denen Deutschlands liegen müssen. Dieses Wissen ist der folgenden Gewerkschafter-Generation verloren gegangen, weshalb es heute in Wahrheit gilt, jene zehn Prozent wieder einzuholen, wenn es den Betrieben und damit dem Land wieder gut gehen soll.
Das wird ein langer, mühseliger Pfad. Aber immerhin: Die ersten kleinen Schritte auf diesem Pfad sind jetzt getan worden.
Dass der Boss der Metallergewerkschaft in einem ORF-Interview – in dem ihm der üppige Gehälter zahlende Zwangsgebührensender bezeichnenderweise den zu niedrigen Abschluss vorwarf – viel davon sprach, jetzt den "Preistreibern auf die Finger zu schauen", ist zwar eher ins Kapitel "billige Politrhetorik" einzureihen. Wäre es aber ernst gemeint, dann fände er den übelsten Preistreiber bei Genossen ganz in der Nähe der Gewerkschaftszentrale: im Wiener Rathaus. Dort hat man die Gebühren für Straßenbahnfahren oder Parken zum Teil um skandalöse 30 Prozent hinaufgejagt. Am Wiener Rathausplatz gäbe es auch genug Platz für die Gewerkschaft, um dagegen zu demonstrieren (wenn nicht gerade wieder auf Steuerkosten ein sinnloses, aber teures Spektakel für Straßenbahnfahrer, Radfahrer oder Eisläufer organisiert wird ...).
Eines ist jedenfalls klar: Würde die Gewerkschaft wirklich Österreichs hemmungslosestem Preistreiber auf die Finger schauen und nicht nur in Interviews substanzlos davon reden, dann müsste die Überschrift dieses Textes in "Ein dreifaches Hoch der Gewerkschaft" abgewandelt werden.