Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Die zehnfach gefangene Gerechtigkeit

Völlig unbeachtet ist ein weiterer Skandal der österreichischen Justiz in den vergangenen Tagen über die Bühne gegangen. Die – auf Betreiben der mehr als umstrittenen Korruptionsstaatsanwaltschaft – gesäuberte und auf linke Linie gebrachte Oberstaatsanwaltschaft Wien hat angeordnet, dass die Causa Pilnacek der Staatsanwaltschaft Krems entzogen und der Staatsanwaltschaft Eisenstadt übertragen wird. Behaupteter Grund: "um das Vertrauen in die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit bei der Führung des Ermittlungsverfahrens zu gewährleisten". Das ist in gleich zehnfacher Hinsicht ungeheuerlich.

  1. Durch die nun zwangsläufig notwendigen zusätzlichen Kilometer zwischen weit entfernten Behörden fallen dadurch für das marode Budget völlig überflüssige Spesen an.
  2. Die Oberstaatsanwaltschaft kann nicht einmal behaupten, dass die Kremser Staatsanwälte irgendeinen Fehler begangen hätten, oder dass man in Krems befangen wäre. Es genüge, so sagt sie, der Anschein einer Befangenheit, ohne zu sagen, worin der bestehen soll. Damit wird eindeutig klar, dass diese Weisung einen rein parteipolitischen Hintergrund der immer mehr nach linksaußen abdriftenden Staatsanwaltschaft hat.
  3. Als einzige Begründung für diesen behaupteten Anschein wird genannt: Es habe Vorwürfe gegen zwei niederösterreichische Polizeibeamte gegeben, Eisenstadt sei hingegen vom niederösterreichischen Polizeiapparat losgelöst. Das ist eine absolut ungeheuerliche Argumentation: Seit wann untersteht um Himmels willen eine Staatsanwaltschaft einem Polizeiapparat, dass da irgendetwas losgelöst werden müsste? Geben nicht seit der unglückseligen Reform der Strafprozessordnung umgekehrt die Staatsanwälte den Polizisten die Anordnungen? Darf die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft nicht mehr bei Vorwürfen gegen die örtliche Polizei untersuchen? Werden jetzt alle – noch so skurrilen – Vorwürfe gegen einen Polizisten aus einem Bundesland an die Staatsanwaltschaft eines anderen, entfernten Bundeslandes übertragen? Oder gilt nur Niederösterreich als Verdachtsfall, weil es dort eine schwarz-blaue Landesregierung gibt und nicht so wie im Burgenland eine rote? Ist verfassungsrechtlich wie faktisch aber nicht eindeutig, dass weder Justiz noch Polizei einer Landesregierung unterstehen? Oder hat man in der Oberstaatsanwaltschaft einfach keine Ahnung von der Verfassung?
  4. Gilt der verfassungsrechtlich einzementierte Anspruch auf den "gesetzlichen Richter", was insbesondere auch den Anspruch auf den in örtlicher Hinsicht zuständigen Richter meint, nicht mehr, sobald es ein schwarz-blaues Bundesland betrifft? Müssen die burgenländischen Staatsanwälte auch dann weiterhin auf ständige Dienstreisen gehen, wenn bei einem eventuellen Verfahren dann doch wieder ein Gericht in Krems zuständig ist? Oder weiß man in der Oberstaatsanwaltschaft eh, dass die Vorwürfe gegen die Polizei so hanebüchen sind, dass man da eh nie vor einen unabhängigen Richter treten kann, und macht man das Ganze in schlechter alter Staatsanwaltschafts-Manier eh wieder nur, um ein Verfahren zu verzögern und ohne Urteil jemanden anzupatzen?
  5. Die Oberstaatsanwaltschaft hat damit einfach die wie stets lächerlichen Verschwörungstheorien des Peter Pilz übernommen. Denn der einzige Vorgang, mit dem überhaupt eine Zuständigkeit der Strafjustiz konstruiert werden kann, ist ja nicht der Tod des Christian Pilnacek. Der ist eindeutig nicht durch irgendeine Fremdeinwirkung eingetreten, sondern durch einen nächtlichen Sturz des alkoholisierten Mannes oder  durch einen Selbstmord, an den manche noch immer glauben. Beides stellt aber jedenfalls kein strafrechtliches Delikt dar.
  6. Die einzigen Vorwürfe, die es überhaupt gegen die Polizisten geben kann, beziehen sich einzig darauf, dass nach dem Tod des Sektionschefs seine persönlichen Gegenstände wie Schlüssel oder Handy von der Polizei dessen Witwe übergeben worden sind. Das ist bei einem Todesfall, der nicht durch Fremdeinwirkung eingetreten ist, rechtlich (wie menschlich) völlig in Ordnung. Hingegen hätte Peter Pilz, dessen einziger Lebensinhalt seit langem das Ausbrüten von Verschwörungstheorien gegen Blau und vor allem Schwarz ist, wahnsinnig gerne das Handy Pilnaceks beziehungsweise dessen Inhalt in die Hände bekommen. Hat er doch zu seinem Leidwesen auf dem Laptop des Mannes keinerlei Spuren einer Rechtswidrigkeit des von ihm seit Jahren mit Hass und Anpinkeln verfolgten Sektionschefs gefunden. Offenbar hoffen er und die mit ihm verbündeten Teile der Strafjustiz, zumindest auf dem Handy doch noch irgendwelche Anrüchigkeiten zu finden, die über die Tatsache hinausgehen, dass Pilnacek mit Sebastian Kurz telefoniert hat. Vielleicht hoffen sie in ihren wirren Verschwörungstheorien, auf dem Handy einen Beweis finden zu können, dass Kurz den Sektionschef zum Selbstmord aufgefordert hat, oder dass er die Killer aus den Geheimdiensten der ÖVP blitzschnell in die Wachau entsandt hat, um Pilnacek hinterrücks zu ermorden ...
  7. Einen "Anschein der Befangenheit" hat es in diesem Strafverfolgungsapparat allerdings in der Tat schon mehrfach gegeben – nur in ganz anderen Zusammenhängen und das tausend Mal intensiver als bei der banalen Tatsache, dass eine niederösterreichische Staatsanwaltschaft halt sehr oft mit niederösterreichischen Polizisten und Vorwürfen gegen sie zu tun hat. Der Anschein der Befangenheit besteht vor allem insbesondere bei der WKStA selbst in großer Intensität, nachdem sie durch jahrelange Verfahren gezielt eine ganze Reihe schwarzer wie auch blauer Politiker finanziell und existenziell schwer geschädigt hat, obwohl die Korruptionsstaatsanwälte am Ende fast nie ein rechtskräftiges Urteil gegen eines ihrer politischen Opfer erreicht haben. Diese Verfahren haben mit der Ausnahme von Karl-Heinz Grasser praktisch immer nur mit Freisprüchen oder Einstellungen geendet – ohne dass die Beschuldigten dann zumindest eine volle finanzielle Entschädigung erhalten hätten. Ganz im Gegenteil: Dieselbe WKStA darf nach ihrem Debakel und ihren Peinlichkeiten beim ersten Verfahren irgendwann auch einen zweiten Prozess gegen Kurz führen – bei dem sie auf Grund der faktischen und juristischen Lage noch viel schlechtere Chancen hat, vor unabhängigen Richtern zu obsiegen. Wahrscheinlich deshalb zögert sie ja diesen Prozess seit Jahr und Tag hinaus, weil sie nicht zugeben will, dass sie da nicht einmal den Hauch eines Beweises in der Hand hat, dass sie aber dennoch durch die unerträgliche Länge des Vorverfahrens Kurz noch einmal schwer schaden kann – offenbar weil dieser es einst gewagt hatte, die Objektivität der WKStA in Zweifel zu ziehen.
  8. Die Verleihung des Kronzeugen-Status ausgerechnet an den absolut Einzigen, der in Zusammenhang mit den ganzen Schwurbelgeschichten gegen Sebastian Kurz wirklich ein  Delikt begangen haben dürfte, verleiht dem Agieren der WKStA einen weiteren massiv üblen Geruch. Denn diese Verleihung ist durch diese ohnedies schon umstrittene Staatsanwaltschaft erfolgt, die sich damit bisher nie der Nachprüfung durch ein unabhängiges Gericht aussetzen hat müssen. Diese Verleihung ist ausgerechnet gleichzeitig mit einem heimlichen (und offensichtlich auf Rat der WKStA erfolgten) Anwalts-Wechsel zu einem bekannt linken Advokaten erfolgt. Damit ergibt sich die rechtsstaatlich extrem unbefriedigende Situation, dass ausgerechnet jener Mann mit Sicherheit freigeht, der als einziger direkt belastet ist. Der damalige Außenminister Kurz soll ihn zu seiner Tat – Falschabrechnung im Finanzministerium – angestiftet haben. Wofür es keine Beweise, außer den nunmehrigen Aussagen des seltsamen Kronzeugen, und keinerlei glaubwürdiges Motiv gibt. Das deutet alles neuerlich darauf hin, dass es den WKStA-Staatsanwälten nicht um die Wahrheit, sondern um die politische Jagd auf den ÖVP-Bundeskanzler geht, der neben seiner WKStA-Kritik auch noch die Frechheit besessen hat, eine Regierung ohne SPÖ zu bilden.
  9. Noch gravierender ist die Tatsache, dass es in diesem Zusammenhang auch bei der Richterbesetzung den Anschein der Befangenheit gegeben hat. Bei Richtern ist ein solcher Anschein noch viel, viel dramatischer als bei Staatsanwälten. Und dort ist dieser Anschein überdies noch viel manifester: Es geht um jenen Richter, der den Prozess gegen Kurz in erster Instanz zu leiten bekommen hat (und dessen Urteil von der Instanz dann komplett in der Luft zerlegt worden ist). Anrüchig ist vor allem die Vorgeschichte des Richters: Er ist erst knapp davor aus der Staatsanwaltschaft in den Richterdienst gewechselt, und er ist als Staatsanwalt rechtskräftig zu einer disziplinären Strafe wegen Verletzung seiner Dienstpflichten verurteilt gewesen. Schon alleine die Tatsache, dass die Justizministerin Zadic ausgerechnet so einen belasteten Mann zum Richter befördert hat, ist extrem bedenklich. Noch viel anrüchiger ist die Tatsache, dass er bald nach dem Wechsel den Prozess ausgerechnet gegen den (ja nur wegen der Vorwürfe der Staatsanwälte zum Rücktritt gezwungenen) Bundeskanzler zu leiten bekommt. Wirklich jedem, der um das Ansehen der österreichischen Justiz besorgt ist, fällt das weit übler als ein bloßer Anschein auf.
  10. Und der absolute Tiefpunkt dieser ständigen Selbstbesudelung der österreichischen Strafjustiz: Dieser über Nacht zum Richter gewordene Staatsanwalt hat die Verletzung seiner Dienstpflicht ausgerechnet zum Nachteil eines anderen ÖVP-Mannes begangen (das geschah damals im Zuge der ganz, ganz zufällig ebenfalls von Pilz verbreiteten Eurofighter-Verschwörungstheorien, die ebenfalls nie zu einer Verurteilung geführt haben). Und ausgerechnet ein solcher Mann wird mit der Führung eines Prozesses gegen den Obmann der ÖVP beauftragt. Und weder er selbst noch der Präsident des Straflandesgerichts sah darin den massiven Anschein einer Befangenheit. Dabei hätte dieser eindeutige Anschein eigentlich sofort dazu führen müssen, dass ein anderer Richter zur Führung des Verfahrens eingeteilt hätte werden müssen.

Diese Justiz erkennt einen solchen problematischen Anschein hingegen dort und zwar nur dort, wenn eine niederösterreichische Staatsanwaltschaft einen abstrusen Vorwurf gegen zwei niederösterreichische Polizisten verfolgen soll. Würde man das nicht als klare parteipolitische Aktion erkennen, dann würde das ja fast schon an eine rassische Verfolgung der Niederösterreicher grenzen …

Auch wenn sich die jetzige Justizministerin als fast genauso unfähig wie ihre Vorgängerin erweist, so zeigt doch die nunmehrige Aktion der Oberstaatsanwaltschaft, wie lächerlich, dumm und falsch es ist, wenn die Staatsanwälte wie geplant von jeder demokratischen Rückbindung frei werden und sich nur noch selber unterstehen. Denn bisher hat wenigstens theoretisch die Möglichkeit bestanden, einen Justizminister zur Rechenschaft zu ziehen. Was zugegeben die Abgeordneten auf Grund ihrer Unfähigkeit nicht getan haben (und wozu es bei der jetzigen Ministerin im Gegensatz zur Vorgängerin auch vorerst deutlich weniger Gründe gibt), was aber die Wähler gegenüber den für die Ministerinnen verantwortlichen Parteien schon sehr wohl getan haben. Denn eines ist klar: Dieser infame Transfer der staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit ist zwar formal Tat der Oberstaatsanwaltschaft, aber er hätte von der politisch verantwortlichen Ministerin verhindert werden können. Ein Bundesstaatsanwalt hingegen ist de facto niemandem gegenüber verantwortlich.

Ich schreibe in regelmäßigen Abständen Kolumnen auf der Nachrichten- und Meinungsplattform Exxpress.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2025 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung