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Die Standesvertreter von Staatsanwälten und Richtern haben heftige Kritik an der geplanten Bundesstaatsanwaltschaft geübt und sind dabei vom ORF heftig unterstützt worden. Eigenartig. Haben doch genau dieselben Kreise jahrelang Kritik daran geübt, dass ihr Wunsch nicht erfüllt worden ist, eine solche unabhängige Behörde einzuführen, die jedem Staatsanwalt Weisungen erteilen kann. Aber auch die Erfüllung ist ihnen nun nicht recht. Das ist in Wahrheit jedoch entlarvend. Denn nun ist endgültig bewiesen, dass da eine kleine Kaste mehr Macht für sich haben und die Demokratie aushebeln will.
Denn diese Standesvertreter empören sich darüber, dass die Spitze dieser Bundesstaatsanwaltschaft wie praktisch alle höchsten Organe der Republik demokratisch bestellt werden soll, nämlich durch das von allen Staatsbürgern gewählte Parlament. Das sieht zwar die österreichische Bundesverfassung genau so vor, nach deren allererstem Satz das gesamte Recht vom Volk ausgehen soll, nach der dieses Volk – wie in jeder repräsentativen Demokratie – durch das von ihm gewählte Parlament handelt.
Aber diese Standesvertreter denunzieren das, also die Entscheidung durch das Volk, verachtungsvoll als "politisch". Richter und Staatsanwälte wollen lieber ganz alleine entscheiden, wer jeweils die Bundesstaatsanwaltschaft leitet, die ein extrem mächtiges Gremium sein wird. Das kann man mit gutem Grund als den Versuch eines Putsches ansehen, bei dem eine kleine Klasse die Macht dem Volk entreißen und an sich reißen will.
Das Atemberaubende: Genau das ist schon einmal in der Geschichte passiert und konnte erst durch blutige Revolutionen beendet werden. Denn im alten deutschen Recht haben noch Volksversammlungen – also eindeutig demokratische, sogar direkt-demokratische Körperschaften – über alle Rechtsangelegenheiten eines Stammes entschieden. Solche Versammlungen trugen den Namen "Thing"; dieser Name ist heute noch in unzähligen Orten in Österreich und Deutschland nachweisbar, die auf -ing oder -ingen ausgehen, also von Redingen in Luxemburg bis Simmering in Wiens Osten.
Im Laufe der Geschichte haben dann aber Grafen und Fürsten dieses Recht an sich gezogen. Sei es mit Gewalt, sei es, dass sie dem Volk vermitteln konnten, solche Arbeitsteilung wäre einfacher. Was es vielleicht auch sein mag, aber zugleich wurde jedenfalls im Laufe der Jahrhunderte für das Volk, das diese Entscheidungsmacht aus der Hand gegeben hatte, die Adelsherrschaft immer drückender. Diese gipfelte in den schlimmen Missbräuchen des Feudalismus wie Leibeigenschaft, Zehent, Ius primae noctis, Verkauf von zwangsrekrutierten Soldaten und Absolutismus. Die Revolutionen gegen dieses Feudalsystem waren daher fast zwangsläufig langwierig und leider bisweilen auch grausam.
Die im 20. Jahrhundert wiedererkämpfte Demokratie sollte daher extrem vorsichtig und aufmerksam sein, wenn sich wieder einmal eine spezifische Kaste mehr Macht aneignen will. Dies besonders, wenn es sich um Justizmacht handelt. Dies vor allem deshalb, weil sich die Versuche, die Macht über die Staatsanwaltschaft und damit de facto die gesamte Strafjustiz unter den Nagel zu reißen, an eine bereits lange Reihe undemokratischer und oft empörender Willkürakte der Juristenkaste reiht, die sich vom Anwender der Gesetze zum Schöpfer der Gesetze und Herr über sie zu machen begonnen hat:
Um nur die spektakulärsten Exzesse des Machtwillens von Richtern und Staatsanwälten in aller Welt aufzuzählen.
Zurück zur geplanten österreichischen Bundesstaatsanwaltschaft: Schon der Regierungskonsens über ihre Einführung bedeutet in Wahrheit die Absicht eines Demokratieabbaus. Denn bisher kann der mit dieser Kompetenz ausgestattete Justizminister jederzeit vom Parlament mit einem Misstrauensvotum für Fehlentscheidungen abberufen werden; vor allem können die Wähler seine Partei am Wahltag bestrafen, wenn sie mit seinem Agieren unzufrieden sind. Dieses war etwa 1966 eindeutig mit ein Grund der schweren Niederlage der SPÖ, nachdem Justizminister Christian Broda einige bedenkliche Entscheidungen getroffen hatte (Stichwort Olah, Stichwort Habsburg). Dieses war auch mit ein Grund für den vorjährigen Wahlsieg Donald Trumps, als davor die Justiz Sonderermittler gegen Trump eingesetzt und eine Unzahl von Verfahren gegen ihn geführt hat, die vom Volk eindeutig als Politjustiz empfunden worden sind.
Einem Generalstaatsanwalt können die Wähler hingegen künftig überhaupt nichts Kritisches mehr mitteilen. Denn wenn die Wähler, also das Volk, also das laut Verfassung oberste demokratische Rechtssetzungsorgan eine Entscheidung trifft, ist das etwas Garstiges, etwas "Politisches". Wenn hingegen Richter und Staatsanwälte diese Entscheidung dem Volk entreißen, ist das offensichtlich die absolute Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit.
Womit wir seit Ende der Monarchie wieder einmal höhere Wesen unter uns haben.
Ich schreibe in regelmäßigen Abständen Kolumnen auf der Nachrichten- und Meinungsplattform Exxpress.