Der Fluch und der Segen der Atombombe
11. August 2025 00:54
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 4:00
Wieder einmal waren alle Medien tagelang voller Gedenkbeiträge, weil sich die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki mit ihren fast 600.000 Opfern zum 80. Mal jährten. Wieder einmal forderten viele die Eliminierung sämtlicher Atombomben. Und wieder einmal wurden die neun wichtigsten Aspekte rund um die Atombomben nicht erwähnt. Damit wird auch in dieser Frage von Medien und sogenannten Historikern ein völlig verzerrtes Bild dessen, was möglich ist, und dessen, was geschehen ist, in die Welt gesetzt.
Sowohl in Hinblick auf die Vergangenheit wie auch auf die Zukunft:
- Tatsache ist, dass der zweite Weltkrieg bis zum August 1945 schon rund 60 Millionen Todesopfer gefordert hatte. Es kann überhaupt keinen Zweifel geben, dass ohne Atombombeneinsätze noch viel mehr Menschen verreckt wären, weil sich Japan, gleichsam von Insel zu Insel, noch jahrelang gegen die USA verteidigt hätte (Diese hatten Unterstützung lediglich durch die Briten – während die Sowjetunion, ein weiterer der Weltkriegsalliierten der Amerikaner, trotz ihrer geographischen Nähe zu Japan und trotz vielerlei Versprechungen den Amerikanern nie zur Hilfe gekommen war, beziehungsweise nur durch die symbolische Besetzung der unbedeutenden Kurileninseln in den allerletzten Kriegstagen).
- Tatsache ist, dass nur der Schock der Auslöschung zweier japanischer Großstädte durch bloß zwei Bomben die Japaner (die eindeutig aus imperialistischen Motiven den Krieg begonnen hatten) kapitulieren hat lassen. Zwar sind "Was wäre wenn"-Argumentationen immer mit einem Element an Ungewissheit behaftet, aber selten ist die Analyse so eindeutig wie in diesem Fall: Die Atombomben haben letztlich mehr Menschenleben gerettet als ausgelöscht.
- Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass Europa mit Ausnahme von Jugoslawien und der Ukraine seit Beginn der Geschichtsschreibung noch nie eine so friedliche Epoche erlebt hat wie diese 80 Jahre seit dem zweiten Weltkrieg. Obwohl der sowjetische und westliche Block einander feindlich und waffenstarrend gegenübergestanden sind, ist es nie zum Ausbruch des von vielen befürchteten Krieges gekommen. Statt dessen herrschte friedliche, wenn auch angsterfüllte Koexistenz. Aus einem klaren Grund: Jede Seite hat gewusst, dass die andere ein großes Atombombenarsenal hat und im Ernstfall auch zu dessen Einsatz bereit ist. Insofern war die Atombombe gerade für Europa ein Segen.
- Auch anderswo haben sich antagonistische Regierungen immer wieder bemüht, Eskalationen zu vermeiden, sobald beide Seiten Atomwaffen hatten. Das gilt insbesondere für das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Indien und Pakistan, aber auch zwischen Indien und China, wo es seit Jahrzehnten Grenz- und Territorialkonflikte gibt (ganz ähnlich wie in Europa vor 1939), und wo vor allem pakistanisch-islamische Terroristen mehrfach versucht haben, mit blutigen Terroranschlägen einen großen Krieg auszulösen.
- Ganz anders geht es der Ukraine: Sie hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion auf ihrem Territorium viele Atomwaffen geerbt, diese aber im inzwischen meistbereuten Irrtum ihrer Geschichte vernichtet beziehungsweise an Russland übergeben. Im Gegenzug schwor Russland, die Grenzen der Ukraine zu respektieren. Was von solchen rein papierenen Zusagen eines fanatischen Diktators zu halten ist, hat die Geschichte immer wieder gezeigt, vom Frontenwechsel Italiens im ersten Weltkrieg eben bis zu dem Inferno, das Russland derzeit in der Ukraine anrichtet.
- Auch wenn man es vorerst nicht beweisen kann, so scheint ziemlich sicher, dass auch die – noch dazu technologisch hochbegabten – Taiwanesen längst Atomwaffen entwickelt haben. Jedenfalls scheint vor allem diese Gefahr China trotz aller Drohungen bisher von einem Angriff abgehalten zu haben.
- Die vielen Kriege, die es in diesen 80 Jahren neben der Ukraine gegeben hat, waren durch die Bank Kriege, wo keine Seite oder höchstens nur eine Atomwaffen hatte: Siehe die Jugoslawien-Kriege, siehe die vielen Nahostkriege (samt den israelischen Aktionen, den Bau einer iranischen Bombe zu verhindern), siehe die Kriege in Vietnam und Korea. Siehe die kolonialen Befreiungskriege von Algerien bis Rhodesien/Zimbabwe, siehe die innerafrikanischen Kriege im Sudan und Kongo, um nur die aktuellsten zu nennen.
- Zweifellos ist jeder Einsatz von Atombomben unmenschlich schlimm. Daher ist trotz dieser unbestreitbaren friedensschaffenden Funktion von Atomwaffen der Wunsch nach ihrer Abschaffung mehr als verständlich. Das ist jedoch ein unerfüllbarer Wunsch: Denn es ist denkunmöglich, das Wissen wieder aus der Welt zu schaffen, wie man Atomwaffen baut. Denn auch nach Vernichtung aller bekannten Atomwaffen – was alleine schon unrealistisches Wunschdenken ist – bestünde die große Wahrscheinlichkeit, dass irgendein Regime heimlich am Bau von Atomwaffen arbeitet und diese auch ohne Einsatz dann als Erpressungsinstrument gegen den Rest der Welt einsetzt. Wegen dieser nie ausschaltbaren Gefahr – und wegen des abschreckenden Schicksals der Ukraine – wird wohl kein Land, das Atomwaffen besitzt, zu deren Rückgabe bereit sein. Das einzige, was denkbar ist – und auch das ist derzeit eine bloß sehr vage Hoffnung – sind neue Rüstungsbegrenz- und Kontrollabkommen.
- Aber auch die sind viel schwieriger, fast unmöglich geworden, seit einander nicht nur Russland und Amerika gegenüberstehen, sondern auch China zu den atomaren Großmächten zählt. Damit sind jedenfalls die bisherigen Formeln – etwa Raketenparität zwischen Moskau und Washington – nicht mehr verwendbar.
Die größte Gefahr besteht aber darin, dass völlig unberechenbare Diktatoren Atombomben in die Hände bekämen, wie die islamistischen Eiferer in Iran, wie die Diktatorenfamilie in Nordkorea. Diese Angst ist berechtigt und groß. Sie kann aber nicht dadurch befriedet werden, dass die westlichen Demokratien ihre Waffen abgeben. Ganz im Gegenteil.