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VdB: allein daheim, allein auf Reisen

Niemand braucht ihn: Das ist die klare Botschaft, die Bundespräsident Alexander van der Bellen aus der gesamten politischen Landschaft entgegenschallt. Seit die Grünen nicht mehr in der Regierung sind, seit sich nicht einmal mehr in wildesten Wunschträumen eine Linkskoalition Rot-Grün-Pink ausgeht, und seit Van der Bellen seine vermeintlichen Dienste bei der FPÖ-Abwehr getan hat (die in Wahrheit nicht einmal an ihm, sondern an Herbert Kickl gescheitert ist, der den Auftrag zurückgeschmissen hat): Seither wird er als lahme Ente ignoriert und als irrelevante Zeitverschwendung angesehen. Fällt das Stichwort "Bundespräsident", wird in politischen Kreisen schon eher an die Nachfolgefrage gedacht als an den Altgrünen, der nach dem Sommer die zweite Hälfte seiner zweiten (und letzten) Amtszeit beginnt.

Den Stellenwert des Mannes hat man daran gesehen, welche Minister ihn auf seiner derzeitigen offiziellen Auslandsreise nach Südafrika begleiten: nämlich kein einziger. Dabei war es bisher immer üblich, dass gleich zwei Regierungsmitglieder im Gefolge des Staatsoberhauptes zu dessen höherer Ehre bei Auslandsreisen mittrotten. Diesmal ist nicht einmal ein Staatssekretär an Bord. Begleitet wird Van der Bellen lediglich von einem Spitzendiplomaten. Und selbst die Wirtschaftskammer hat nur ihre Vizepräsidentin mitgeschickt.

Alle sind offenbar zu dem gleichen Schluss gekommen: Es wäre reine Zeitverschwendung, nur als Schleppenträger für den Bundespräsidenten tagelang auf Reisen zu gehen, während daheim die letzte Parlamentswoche wartet und vielerlei vor dem Sommer noch erledigt werden sollte.

Andererseits ist die persönliche Stellung Van der Bellens viel zu schwach geworden, als dass er irgendeinen Minister noch zur Mitreise zwingen hätte können, wie es in der Vergangenheit bisweilen der Fall gewesen ist. Zugleich ist Van der Bellen ein Bundespräsident ohne Parteifreunde in der Regierung, die er wenigstens aus Parteisolidarität zum Mitfahren überreden hätte können.

Seine einzige Karte, die er als Bundespräsident hat, hat er bei der Regierungsbildung ausgespielt. Seither ist er ein völlig unbedeutender Kiebitz am politischen Spieltisch. Im Übrigen ist es recht zweifelhaft, ob wenigstens diese Karte überhaupt gestochen hätte. Denn seit der Blamage für Thomas Klestil am Beginn des Jahres 2000, als dieser gescheitert war, die schwarz-blaue Regierung zu verhindern, und als er nur hasserfüllte Grimassen zu deren Angelobung schneiden konnte, ist klar: Es ist in Wahrheit im Gegensatz zum Anschein der Verfassung völlig unbedeutend, wen der Bundespräsident mit der Regierungsbildung beauftragt und ob er das überhaupt tut: Entscheidend ist einzig, ob sich eine parlamentarische Mehrheit für eine Regierungskonstellation und einen Kanzler findet. Der Bundespräsident ist nur der Staatsnotar, der dann am Ende unterschreiben lassen darf, was sich die Parteien ausgemacht haben.

Irgendwann sollte sich Österreich daher die Diskussion nicht ersparen, ob im Zuge der schweren Verschuldung des Landes nicht die ganze Funktion – der Bundespräsident samt seinem ganzen Büro und allen mit ihm zusammenhängenden Spesen – eingespart werden sollte. Das legt auch der Blick ins Ausland nahe:

  • Die sparsame Schweiz kommt ganz ohne einen eigenen Präsidenten aus und betraut nur reihum ein Mitglied einer (noch dazu viel kleineren!!) Regierung mit den paar protokollarischen Pflichten.
  • In den Vereinigten Staaten ist der Präsident zugleich Regierungschef und der Vizepräsident zugleich Vorsitzender einer parlamentarischen Kammer.
  • Und in den europäischen Monarchien haben die Könige wenigstens einen gewissen touristischen Wert und können mit ihren Familienproblemen zumindest die Klatschpresse unterhalten: Vor allem ersparen sich diese Monarchien regelmäßig teure und das Land lähmende Wahlkämpfe.

Im Grund haben die österreichischen Bundespräsidenten nie eine wirklich relevante Rolle gespielt, ohne die das Land nicht funktionieren würde:

  • 1938 hat auch der Bundespräsident es – so wie der Bundeskanzler – nicht geschafft, den Anschluss zu verhindern.
  • 2019 hat es das einzige Mal keine parlamentarische Mehrheit für eine Regierung gegeben. Da kann man zwar sagen, dass der Bundespräsident mit der Betrauung der Verfassungsgerichtshof-Präsidentin Brigitte Bierlein als Interims-Kanzlerin einer technischen Regierung eine Rolle gespielt hat. Aber im Grund würde ein einziger Zusatzartikel zur Verfassung genügen, dass ähnlich wie in anderen Ländern in einer solchen Situation (etwa) der VfGH-Präsident automatisch diese Rolle übernimmt, bis es wieder eine parlamentarische Mehrheit gibt. Ein Präsident ist im VfGH ohnedies eine seltsame Figur, weil er als einziger der Gerichtshof-Angehörigen kein Stimmrecht hat.

Zurück zu Van der Bellens Südafrika-Reise. Gerade diese zeigt, dass nur der Bundespräsident und seine protokollschweren Reisen irrelevant sind, während das Ziel gar nicht so unwichtig wäre:

  • Denn Südafrika ist immerhin der wichtigste Wirtschaftspartner Österreichs in Afrika.
  • Denn Südafrika ringt mit Nigeria und Ägypten um die Stelle der afrikanischen Führungsnation.
  • Denn Afrika gilt in mancherlei Hinsicht als aufsteigender Kontinent.

Aber andererseits ist halt so ein Besuch völlig unwichtig (und teuer):

  • Auch ohne Bundespräsidenten-Besuche hat schon bisher Südafrika fast ein Drittel des österreichischen Handelsvolumens ausgemacht.
  • Der Besuch ist schon vor sieben Jahren ausgemacht worden und seither angeblich wegen Corona zweimal verschoben worden. Auch das zeigt nicht gerade große Wichtigkeit.
  • Und der südafrikanische Staatspräsident als "Gastgeber" hat lediglich 30 Minuten Zeit für Van der Bellen gehabt. Was auch nicht gerade Interesse an Van der Bellen oder Österreich zeigt.

Dabei sind aus Südafrika in den letzten Jahren viele europastämmige Menschen ausgewandert, darunter auch etliche, deren Vorfahren Österreicher gewesen sind. Die Weißen spüren, dass die Kriminalität ein immer größeres Problem geworden ist, dass sie trotz Jahrhunderten ihrer Anwesenheit in dem Land auf vielen Ebenen diskriminiert werden. Aber um das anzusprechen, hätte man auch den (Revanche-?)Rassismus der südafrikanischen Schwarzen ansprechen müssen, wie es etwa Donald Trump mehrmals getan hat (auch wenn offenbar mit einem falschen Foto). Dafür, dieses heikle Thema auch nur zu erwähnen, wäre aber Van der Bellen wirklich der falsche Mann gewesen. Sind die Grünen doch explizite Anhänger der "postkolonialen" Schuldphantasien, in denen alles Übel dieser Welt den Weißen angelastet wird.

Man kann es also wirklich keinem der terminüberlasteten Minister vorwerfen, dass er in der hektischen Schlussphase der politischen Saison nicht im Schatten einer substanzlosen Protokollfigur nur zum Besuch einer Recyclinganlage und einer Kindermusikschule in Südafrika  tagelang seinem Job fernbleiben will …

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