Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Es ist wohl die dümmste Wendung in der unendlichen Soap Opera rund um Donald Trump und Jeffrey Epstein, dass jetzt die linke Medienwelt die angedrohten Klagen des US-Präsidenten gegen das "Wall Street Journal" als Attacke auf die Medienfreiheit darzustellen versucht. Das WSJ hatte einen angeblichen einstigen Brief Trumps an Epstein, den im Gefängnis (durch Selbstmord?) umgekommenen Massenvergewaltiger und Ausbeuter minderjähriger Mädchen, veröffentlicht, der ziemlich schlüpfrig ist, und der eine enge Freundschaft der beiden zu bestätigen scheint. Trump dementiert jedoch heftig, diesen Brief an Epstein geschrieben zu haben. Hinter diesem spannenden Konflikt im Dreieck Kriminalität-Politik-Medien scheint eine vielleicht noch spannendere Entwicklung stattzufinden: Wer könnte von diesem Konflikt profitieren und könnte ihn daher heimlich auch geschürt haben? Und wie wird die Causa konkret weitergehen?
Die angedrohte Klage Trumps ist jedenfalls kein Verstoß gegen die Medienfreiheit. Das können nur jene Medien behaupten, die meinen, sie stünden über dem Recht, sie hätten ungestraft jedes Recht der Welt, jemanden in den Dreck zu ziehen, auch wenn sie dabei nicht Recht haben sollten.
Eine auch teure Klage Trumps ist sein gutes Recht, sollte er den Brief wirklich nicht geschrieben haben. Denn diese Veröffentlichung hat sein Image bei seinen eigenen Anhängern gewaltig beschädigt. Gehören doch viele christliche und konservative Amerikaner zu seinen Unterstützern. Ohne die Evangelikalen auf seiner Seite, die über seine Betonung der Familienwerte immer begeistert waren (und ohne die ungustige LGBTQ-Begeisterung auf der anderen Seite) hätte Trump nie das Präsidentenamt erobert.
Eine solche ruinöse Veröffentlichung und damit eine solche schwere Beschädigung seines Images braucht sich Trump daher sicher nicht gefallen zu lassen. Es ist keineswegs ein Angriff auf die Pressefreiheit, wenn er sich gegen einen Bericht wehrt, der seine politische Existenz fundamental bedroht.
Wenn Trump den Prozess gewinnen sollte, dann wäre das wohl der größte Sieg seiner Karriere. Dann kann er auch alle anderen Rechtsprobleme, die er hatte und die er zum Teil noch hat, pauschal als Teil einer unwürdigen Hexenjagd auf ihn abtun.
Mit einer Klage setzt Trump freilich alles auf eine Karte. Denn wenn umgekehrt das "Wall Street Journal" seinen Bericht beweisen kann, wenn die Zeitung das Original des Briefes oder zumindest eine Kopie haben oder sich so etwas in den Prozessakten befinden sollte, oder wenn es überdies – für ein Gericht überzeugende – Beweise (etwa Handschrift-Expertise, Briefpapier-Analysen, DNA-Spuren auf dem Papier) für die Urheberschaft Trumps geben sollte, dann ist dieser erledigt.
Dann wird die Causa Epstein für Donald Trump das, was die Causa Watergate für Richard Nixon war: das Ende einer Präsidentschaft. Dann helfen ihm auch seine außenpolitischen Erfolge nicht, deretwegen ihn Israels Premier Netanyahu sogar leicht übertrieben für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hat. Auch Nixon haben damals übrigens seine großen außenpolitischen Erfolge nichts geholfen: Das waren vor allem die Entspannung mit China und die Beendigung des Vietnamkrieges, wofür sein Außenminister Kissinger den Friedensnobelpreis bekommen hat (obwohl das Ende in Vietnam eigentlich kein Verhandlungsfriede, sondern eine klare militärische Niederlage der USA gewesen ist …).
Unbestreitbar ist, dass viele Amerikaner inzwischen glauben, dass Trump von den kriminellen Umtrieben Epsteins wusste oder sie zumindest ahnte. Ebenso unbestreitbar ist, dass das "Wall Street Journal" seit langem als eine der seriösesten Zeitungen der USA gilt; und dass es zum Unterschied von den anderen US-Qualitätsblättern ("New York Times", Washington Post" und "Los Angeles Times") nicht den Demokraten, sondern bisher den Republikanern nahegestanden ist.
Freilich ist Trump nicht der Typ, der schnell aufgibt. Er wird zweifellos bis zum Schluss leugnen und alle beschimpfen, die an ihm zweifeln. Dennoch wird es ihm kaum gelingen können, das alles durchzustehen und wieder Oberwasser zu bekommen. Denn viele Wähler, vor allem Frauen und Christen, werden ihm seinen Verrat an Familienwerten wohl nicht verzeihen.
Deren Reaktion werden Trumps parlamentarische Parteifreunde dann vielmehr schon bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr zu spüren bekommen. Es ist daher durchaus möglich, dass sich auch schon vorher etliche republikanische Abgeordnete von ihm abwenden, wenn sie spüren, dass ihnen das schadet, oder wenn sie selbst von Trumps Nähe zu dem Sumpf aus Massenvergewaltigungen, Kindermissbrauch, Erpressungen und dubiosen Geheimdienstverwicklungen rund um zahllose Superreiche und Prominente angewidert sind. Etliche Hinweise auf eine enge Freundschaft Trumps mit Epstein gab es übrigens auch schon vor der WSJ-Veröffentlichung – ohne dass allerdings bisher eine Frau ausgesagt hätte, sie selbst sei bei Epsteins "Parties" unrechtmäßig in Trumps Hände gekommen.
In einer solchen Situation könnte Trump plötzlich sehr einsam dastehen. Denn seine bisherige Macht hat vor allem darin bestanden, dass jeder republikanische Abgeordnete, der ihm nicht geradezu speichelleckerisch gefolgt ist, dadurch gefügig gemacht wurde, dass Trump androhte, bei den nächsten Vorwahlen einen Gegenkandidaten zu unterstützen. Das hatte bisher fast immer geholfen.
Jetzt aber drohen ihm gleich drei zentrale Wählergruppen der Republikaner aus verschiedenen Gründen gleichzeitig wegzubrechen:
Jetzt kann Trump und den Republikanern wohl nur eines helfen: Dass sich bei den tief gespaltenen Demokraten wirklich die linksradikalen Freunde von illegaler Migration, von postkolonialistischen und genderistischen Ideologien und von Aktionen wie "Nehmt der Polizei das Geld weg!" durchsetzen. Bei den bevorstehenden Bürgermeisterwahlen von New York und Minneapolis haben die Demokraten bereits solche Kandidaten an der Spitze.
Gegen diese Entwicklung kann vielen amerikanischen Wählern dann doch trotz all ihrer Schmierigkeit die Trump-Linie als das geringere Übel erscheinen. Denn dritte Parteien haben im US-Wahlsystem fast nie eine Chance. Das wird wohl auch Elon Musk am Ende trotz seiner übervollen Kriegskassa lernen müssen.
Das könnte vor allem einem Mann die besten Chancen geben, zum Nachfolger Trumps zu werden: Vizepräsident J.D. Vance.
Damit ist Trump aber jetzt auch die einzige halbwegs gesichtswahrende Rückzugsmöglichkeit abgeschnitten, sich etwa auf folgende Verteidigung festzulegen: "Ich kann wirklich nicht mehr sagen, welche Briefe ich oder mein Büro vor mehr als 20 Jahren irgendwem zum Geburtstag geschrieben habe. Ganz sicher bin ich zu Epstein jedenfalls auf volle Distanz gegangen, sobald ich Hinweise bekommen habe, dass seine Parties einen kriminellen Hintergrund hatten."
Vance wäre jedenfalls prädestinierter Nachfolger Trumps (oder sogar sein verfassungsmäßiger Substitut), wie auch immer dessen Präsidentschaft zu Ende geht. Niemand in Europa sollte sich aber sonderlich auf Vance freuen. Trotz seiner klugen Meinungsfreiheits-Rede von München ist klar: Außenpolitisch dürfte er noch isolationistischer als Trump sein, und er empfindet keine Sympathien für Europa und die Ukraine. (In Sachen Wirtschaft hat er sich hingegen bisher noch stark mit Festlegungen zurückgehalten, sodass er schwer zu beurteilen ist).
Wie geht es also weiter?